„Als mein Vater anfing“, erinnert sich Ilse Heusinger an die Jahre nach dem Krieg, „gab es von Badezimmerkeramik zwei Modelle und eine Farbe: weiß.“ 1953 war das und Heinz Martin – so hieß der Vater – war gerade dabei, in der Schweinfurter Brückenstraße einen Großhandel mit Produkten für die Hauswasserversorgung aufzubauen. Seine Kunden waren überwiegend Brunnenbohrer, neben Versorgungsanlagen zählten Röhren und Pumpen zu seinem Sortiment, ganz rudimentär auch Bäder.
Die heute 65-jährige Ilse hat noch die Bilder der im Hausflur lagernden Kartons mit Badeöfen vor Augen. „Gut gelaunt und froh gestimmt, wer ein Bad mit Venus nimmt“, stand darauf zu lesen. Ein Werbespruch aus einer anderen Zeit; die Marke Venus gibt es längst nicht mehr und auch sonst hat sich im Sanitärhandel vieles gewandelt. Sanitär Martin, der von Heinz Martin gegründete, durch Ilse und Walter Heusinger 1973 übernommene und dieser Tage auf Frank und Katharina Colberg übertragene Haustechnik-Großhandel, ist der letzte familiengeführte Betrieb dieser Art in Schweinfurt und dem weiteren Umland. In einem Radius von rund 50 Kilometern liefert das Unternehmen mit seinen 30 Mitarbeitern Bad- und Heiztechnik an Handwerker und Fachbetriebe.
„Die Konkurrenz ist größer geworden in den letzten Jahren“, sagt Frank Colberg (49), der wie sein Vorgänger im Amt des Geschäftsführers, Walter Heusinger (70) in die alte „Martins-Dynastie“ eingeheiratet und Verantwortung übernommen hat. Mit den Baumärkten unweit des heutigen Unternehmenssitzes in der Rudolf-Diesel-Str. 2 stehe man ebenso im Wettbewerb, wie mit Online-Händlern. Die Stärke des stationären Großhandels sei ganz klar das Lager: „Wir haben stets rund 10 000 Artikel in der Bevorratung“, sagt Walter Heusinger, „die kann der Monteur heute telefonisch oder online ordern und hat sie morgen auf der Baustelle.“ Oder – ergänzt Frank Colberg – „er holt sie sich direkt hier an der Servicetheke ab.“
Handel ist Wandel – diese alte Binsenweisheit gilt auch für Sanitär Martin. Erst waren die Hauswasserversorgungsanlagen das Kerngeschäft, später dann Heizungen und Feststoffbrennöfen. Zwischen 1970 und 1990, als im großen Stil Zentralheizungen in die Gebäude kamen, machte dieses Segment annähernd 90 Prozent des Umsatzes aus. Ende der Siebziger setzten die Heusingers dann wieder verstärkt auf Bäder, eröffneten eine Ausstellung zunächst im Keller, später im Neubau nebenan, „alles total bunt, knallig, blau, grün oder orange“, erinnert sich Ilse Heusinger. Das waren die Farben der „Seventies“, gerade orange, „eigentlich hieß der Farbton curry“ so ihr Mann Walter.
Heute dominieren wieder die gedeckteren Töne in der Ausstellung, die zwar gerne von Endkunden besucht, an die aber durch den Großhändler nichts verkauft wird. Katharina Colberg ist studierte Diplom-Ingenieurin mit Fachrichtung Architektur. Sie plant die Präsentation und auch ganze Bäder für die Kunden. Frank Colberg ist Industriefachwirt, gab für Frau und Firma eine leitende Position in Niedersachsen auf. „Ein Jahr Bedenkzeit“ hatte er sich 1990 erbeten, als er nach Schweinfurt kam; so wie sein Vorgänger Walter Heusinger, der ursprünglich als Diplom-Ingenieur bei SKF arbeitete und 1973 „urplötzlich vom angestellten Techniker zum selbstständigen Kaufmann“ wurde.
Dass die Firma – die Sanitär Martin GmbH - unter den Frauen weiter gereicht wird, diese sich wiederum „passende Männer“ für die Geschäftsführung suchen, ist eine kleine Martin-Tradition, mit der in der nächsten Generation allerdings schon Schluss sein könnte. Finn (5) und Floris (1) Colberg stehen schon in den Startlöchern, wachsen quasi in der Bäderausstellung auf, hantieren mit Montagebaukästen. Beste Voraussetzungen also.
Was fangen die Heusingers jetzt mit der neu gewonnenen Freizeit an? Ilse ist schon seit gut drei Jahren ehrenamtlich stark engagiert im evangelisch-sozialen Bereich. Walter möchte auch etwas Soziales machen, spielt außerdem noch heute gerne Freizeitfußball, ist also aktiv. Ins „operative Geschäft“ mischt er sich nicht mehr ein; nur „wenn wir gefragt werden“ stünden Ilse und Walter weiterhin mit Rat und Tat zur Seite.