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Gerolzhofen: Schließung nach 158 Jahren: Raumausstatter Markus Reuß verkündet das Ende seines Gerolzhöfer Familienbetriebs

Gerolzhofen

Schließung nach 158 Jahren: Raumausstatter Markus Reuß verkündet das Ende seines Gerolzhöfer Familienbetriebs

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    Markus Reuß (links) schließt zum Jahresende sein Studio für Raumausstattung in Gerolzhofen. Bekannt ist es für seine große Auswahl an Gardinen sowie Verlegearbeiten von Bodenbelägen. Das Aus für das seit 158 Jahren bestehende Unternehmen bedauern der Inhaber und seine Eltern Ingrid und Günter Reuß sehr.
    Markus Reuß (links) schließt zum Jahresende sein Studio für Raumausstattung in Gerolzhofen. Bekannt ist es für seine große Auswahl an Gardinen sowie Verlegearbeiten von Bodenbelägen. Das Aus für das seit 158 Jahren bestehende Unternehmen bedauern der Inhaber und seine Eltern Ingrid und Günter Reuß sehr. Foto: Anand Anders

    Er ist eine Institution in der Stadt, wenn es um Gardinen, Bodenbeläge und Polsterarbeiten geht. Der Familienbetrieb Raumausstattung Reuß kann dabei auf eine lange Historie bis 1866 zurückblicken, als Peter Reuß eine Sattlerei in Gerolzhofen gründete. Beheimatet war sie in der Schallfelder Straße, wo sich noch immer das Ladengeschäft befindet.

    Doch in wenigen Wochen werden die Kunden vor verschlossenen Türen stehen. Denn das 158. Jahr wird auch als letztes in die Annalen der Firmengeschichte eingehen. Markus Reuß, der den Betrieb in vierter Generation führt, hat angekündigt, das Geschäft zu schließen. "Schweren Herzens müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir unser Geschäft zum 31.12.2024 schließen", teilt er gemeinsam mit seinen Eltern, Seniorchef Günter und Ingrid Reuß, mit.

    "Ein wahnsinnig schwieriger Entschluss"

    Es ist keine leichte Entscheidung für den 51-Jährigen, der 2009 den alteingesessenen Betrieb von seinen Eltern übernahm. Das ist ihm und auch seinen Eltern bei einem Gespräch mit der Redaktion deutlich anzumerken. Ein halbes Jahr habe er mit sich gekämpft und gerungen. Es sei "ein wahnsinnig schwieriger Entschluss" gewesen, weil eben auch eine lange Familientradition daran hängt. "Und ich verliere viele liebe, nette Kunden", bedauert Markus Reuß.

    Nach reiflicher Überlegung sah er allerdings keine andere Lösung. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits nennt er die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die nach der Pandemie nicht besser geworden sei. Derzeit laufe das Baugeschäft schlecht und die Leute sparten. Das alles hat "mit reingespielt" in seine Entscheidung.

    Ausschlaggebend war schließlich die Ankündigung seiner Mutter, in Rente gehen zu wollen. Sie steht täglich noch im Ladengeschäft und berät die Kundinnen und Kunden, während Markus Reuß auf den Baustellen unterwegs ist und neue Fußböden verlegt.

    Das Gebäude mit dem Verkaufsraum in der Schallfelder Straße 5 wurde im Jahr 1964 auf einem zugekauften Nachbargrundstück errichtet.
    Das Gebäude mit dem Verkaufsraum in der Schallfelder Straße 5 wurde im Jahr 1964 auf einem zugekauften Nachbargrundstück errichtet. Foto: Anand Anders

    Mit 73 Jahren möchte sie sich zum Jahresende in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden. "Allein ist das alles für mich nicht machbar", erklärt Markus Reuß. Er kann zwar auf zwei Teilzeitkräfte zurückgreifen, die ihn und seine Mutter bislang unterstützen. "Der kleine Familienbetrieb ist trotzdem zu groß für mich allein."

    Alles begann mit einer Sattler-Werkstatt

    Der Raumausstattermeister, der den Beruf von der Pike auf erlernte, hat sich für einen sauberen Schnitt zum Ende des Jahres entschieden. Auch deshalb, weil sich für ihn zeitgleich eine neue berufliche Perspektive aufgetan hat.

    Während Ingrid Reuß die Entscheidung ihres Sohnes gut nachvollziehen kann und sich auf ihre neu gewonnene Freizeit freut, muss sich Seniorchef Günter an den Gedanken noch gewöhnen, dass die Geschichte des Familienbetriebs nach so langer Zeit bald enden wird. 

    Angefangen hat alles mit einer Sattler-Werkstatt und Polsterarbeiten. Besonders gefragt waren Geschirre zu jener Zeit, im ausgehenden 19. Jahrhundert. Landwirte benötigten sie für die Zugpferde und -ochsen ihrer Maschinen und Wagen.

    Geschirre von Zugtieren waren viele Jahrzehnte lang gefragte Auftragsarbeiten für die Sattlerei Reuß. Sogar Pferdegespanne für die Festwagen beim Oktoberfestzug in München wurden ausgestattet.
    Geschirre von Zugtieren waren viele Jahrzehnte lang gefragte Auftragsarbeiten für die Sattlerei Reuß. Sogar Pferdegespanne für die Festwagen beim Oktoberfestzug in München wurden ausgestattet. Foto: Repro Anand Anders/Sammlung Familie Reuß

    Geschätzt wurden diese handwerklichen Fertigkeiten der Familie Reuß auch im weiteren Umkreis. Sogar Sonderanfertigungen für Pferdegespanne aus Kitzingen wurden beauftragt, die dann beim Oktoberfestumzug in München dabei waren, erinnert sich Günter Reuß.

    Geschäft wandelte sich im Laufe der Jahrzehnte

    Zu Hochzeiten beschäftigte der Familienbetrieb bis zu acht Mitarbeiter in der Sattler- und Polster-Werkstatt. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als immer mehr Traktoren die Tiere ersetzten, wandelte sich allmählich das Produktportfolio, wie man es heute nennt. Zwar wurden weiter Polsterarbeiten angefertigt, aber nun auch Lederwaren, Lederhosen, Ledermöbel und Gardinen verkauft.

    Außerdem begann der Fachbetrieb, Linoleum-Böden zu verlegen, hauptsächlich bei Privatkunden. Später kamen PVC- und Teppichböden hinzu, auch Büchertaschen und Schulbedarf gehörten lange Zeit zum Sortiment.

    Nachdem die Familie das Nachbargrundstück gekauft hatte, wurde 1964 anstelle des abgebrochenen Hauses ein Neubau errichtet, in dem sich auch heute noch der Verkaufsraum befindet. Im Jahr 1996 folgte ein weiterer Abriss, und zwar des bisherigen Wohnhauses der Familie direkt nebenan in der Schallfelder Straße 3. Damit wurde Platz geschaffen für eine Erweiterung des neueren Hauptgebäudes.

    So sah das Wohnhaus mit Sattlerei-Werkstatt in der Schallfelder Straße 3 (links im Bild) früher einmal aus. 1996 wurde es abgerissen, wie lange zuvor das Nachbargebäude. An jener Stelle wurde 1964 ein Neubau mit Verkaufsladen errichtet, der dann nach dem Abbruch des Familienstammsitzes erweitert wurde.
    So sah das Wohnhaus mit Sattlerei-Werkstatt in der Schallfelder Straße 3 (links im Bild) früher einmal aus. 1996 wurde es abgerissen, wie lange zuvor das Nachbargebäude. An jener Stelle wurde 1964 ein Neubau mit Verkaufsladen errichtet, der dann nach dem Abbruch des Familienstammsitzes erweitert wurde. Foto: Repro Anand Anders/Sammlung Familie Reuß

    Zuletzt hatte sich die Raumausstattung Reuß auf Gardinen und -zubehör, Sonnenschutz, Reisegepäck und Fußböden aller Art – von Laminat über Parkett bis Vinyl – fokussiert. Bis zum Jahresende ist der Familienbetrieb noch in "vollem Umfang" für seine Kunden da.

    Was danach mit den Geschäftsräumen passiert, steht bislang nicht fest. "Das ist noch in der Planung und alles offen", informiert Markus Reuß.

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