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GEROLZHOFEN: Schmerz ist kein Gegner, sondern Helfer

GEROLZHOFEN

Schmerz ist kein Gegner, sondern Helfer

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    Schmerz aus medizinischer Sicht: Marcus Schley, Chefarzt für Anästhesie der Geomed-Klinik, sprach in der Ausstellung „Schmerz-Raum“.
    Schmerz aus medizinischer Sicht: Marcus Schley, Chefarzt für Anästhesie der Geomed-Klinik, sprach in der Ausstellung „Schmerz-Raum“. Foto: Foto: Beck

    Was zunächst wie eine rein theologische Frage wirkte, verknüpfte Dr. Marcus Schley, Chefarzt für Anästhesie und Schmerztherapeut an der Geomed-Klinik, mit einer medizinischen Perspektive: „Gibt es von Gott verfügte Schmerzen?“, lautete der Titel seines gut besuchten Vortrags, welcher im Rahmen der Ausstellung „Schmerz-Raum“ in der Johanniskapelle in Gerolzhofen zu hören war.

    „Der akute Schmerz ist kein Gegner, sondern ein Helfer“, sagte Schley zu Beginn. Er zeige einem, wo Reizungen, Wunden oder Entzündungen entstanden seien, und, ob sie sich möglicherweise ausbreiten. Damit verhalte sich dieser Schmerz wie eine Art Alarmanlage.

    Jedoch spiele die Intensität akuten Schmerzes eine wichtige Rolle, so der Mediziner. So sei etwa der Geburtsschmerz bei den Wehen notwendig für die hormonelle Umstellung der Mutter. Dennoch könne dieser über das Ziel hinaus schießen und das Leben von Mutter und Kind gefährden.

    Es sei eine humane Geste und eine medizinische Aufgabe, akute körperliche Schmerzen zu behandeln, sagte Schley. Doch heute wisse man auch um deren Folgeerscheinungen und negative Auswirkungen auf den Genesungserfolg. Immunologische Gegenreaktionen könnten sogar für die Ausbreitung einer Wunde sorgen. Damit sei es Aufgabe der Schmerztherapie, die unangenehme Sinnesempfindung des Schmerzes zu lindern und die Folgeerkrankungen zu verhindern.

    „In jedem dritten Haushalt in Europa lebt ein Mensch, der unter Schmerzen leidet“, zitierte der Mediziner eine Statistik. Mehr als zwölf Millionen Menschen in Deutschland seien von chronischen Schmerzen betroffen. Letztere verursachten in Deutschland schätzungsweise 38 Milliarden Euro an Kosten, sagte Schley, wobei der Großteil davon Krankengeld, Arbeitsausfall und Frührente umfasse.

    Forscher hätten nachgewiesen,, dass starke und länger andauernde Schmerzreize die weiterleitenden Nervenzellen von Rückenmark und Gehirn sensibler für nachfolgende Schmerzreize machen können, berichtete der Arzt. Im Zuge dessen könnten leichte Berührungen, mäßige Hitze oder Druck plötzlich als starker Schmerz empfunden werden. Eine dieser chronischen Schmerzempfindungen sei laut Schley der Phantomschmerz nach Amputationen.

    Bevor die neurophysiologischen Grundlagen dieses Phänomens vor etwa 30 Jahren verstanden wurden, sei er nach Ansicht der Fachleute reine Einbildung gewesen. Mittlerweile wisse man, dass Phantomschmerzen auf funktionelle Änderungen im Gehirn zurückzuführen seien.

    Um der Entstehung von Schmerz vorzubeugen, habe man als Therapieansatz eine Art Verhinderung des Schmerzgedächtnisses entwickelt. Die durch die Amputation bedingten Veränderungen im Nervensystem müsse man zulassen, so der Mediziner. Nicht zulassen müsse man aber den Schmerz. Man könne ihn beeinflussen.

    Der Arzt kam auch auf die Psychosomatik zu sprechen, die Betrachtung des Zusammenwirkens von Körper und Psyche. Schmerzen könnten psychische Ursachen haben, zum Beispiel Depressionen.

    Diese gehören laut Schley zu den häufigsten Krankheiten in Deutschland. Sie treten unabhängig von Alter, Geschlecht oder sozialer Stellung auf. Man schätze, dass 15 Prozent aller Männer und 24 Prozent aller Frauen im Laufe ihres Lebens daran erkranken. „Depressionen sind keine Schande“, sagte der Mediziner und verwies auf bekannte Persönlichkeiten mit Depressionen.

    In seiner Schlussbetrachtung kam der Mediziner auf die Frage „Gibt es von Gott verfügte Schmerzen?“ zurück. Angesichts ihrer Warnfunktion dürften sie unter der Betrachtung der Hinwendung an eine höhere Macht als von Gott verfügt verstanden werden, sagte der Arzt.

    Das menschliche Schmerzsystem sei eine heilsame Einrichung, die es dem Menschen ermöglicht, in Kontakt mit seiner Umwelt zu stehen: „Somit kann es als erweitertes Sinnesorgan zu Tasten, Hören, Sehen, Riechen und Schmecken betrachtet werden.“

    Dass Gott Schmerzen als zerstörerische Kraft einsetze, könne und wolle er sich aber nicht vorstellen: „Denn es ist als Schmerztherapeut manchmal gar nicht so schwer, Schmerzen schnell, ausreichend und einfach zu behandeln. Und wieso sollte eine von Gott verfügte zerstörerische Kraft so einfach zu überrumpeln sein?“ Es folgte eine rege Diskussion.

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