Sie wurden verfolgt, deportiert, ermordet – ab November 2024 soll in Schweinfurt ein Mahnmal an das Schicksal jüdischer Bürgerinnen und Bürger erinnern, die zur Zeit des Nationalsozialismus in Konzentrationslagern getötet wurden. Dafür setzt sich die Schweinfurter "Initiative gegen das Vergessen" mit ihrem Erinnerungsprojekt "Denkzeichen" ein.
"Es ist eine erschütternde Zahl", sagt Hannes Helferich, Mitglied der Initiative. 75 der über 300 zur NS-Zeit in Schweinfurt lebenden Jüdinnen und Juden seien ihren Nachforschungen zufolge in den Konzentrationslagern umgekommen, sagt er. "Man muss sich das einmal vor Augen führen: 75 Menschen jeden Alters wurden deportiert und sind nicht wiedergekommen. Sie wurden ermordet, einfach nur, weil sie Jüdinnen und Juden waren", sagt Johanna Bonengel, Sprecherin der Initiative.
Gemeinsam mit Hannes Helferich und Adi Schön bildet sie die Arbeitsgruppe innerhalb der Initiative gegen das Vergessen, die sich für den Gedenkort einsetzt. Denn: Diesen Schicksalen zu gedenken und die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit wachzuhalten, sei aktuell wichtiger denn je, ist sich die Arbeitsgruppe sicher. "Kriege im Nahen Osten, Krieg in der Ukraine, und in Deutschland prägt sich der Antisemitismus immer weiter aus. Die Stimmung ist am Kippen", sagt Adi Schön, "unter anderem das macht dieses Projekt gerade jetzt so wichtig."
Mahnmal an der Schweinfurter Stadtmauer im Châteaudun-Park geplant
Bestehen soll das Erinnerungsprojekt Denkzeichen aus zwei Teilprojekten. Ein Teil wird ein Mahnmal sein, das in Form einer Wandinstallation an der Schweinfurter Stadtmauer im Châteaudun-Park, mit Blick in Richtung Innenstadt, angebracht werden soll. Als zweiter Teil soll ein von der Arbeitsgruppe erarbeitetes biografisches Gedenkbuch erscheinen, in dem sich die Lebensgeschichten der deportierten Jüdinnen und Juden nachlesen lassen.

Entwickelt und entworfen wurde die geplante Installation von der Schweinfurter Künstlerin Steff Bauer und dem Diplomingenieur Sven Knobling. "Das Ganze wird eine Kombination aus einem zentralen und einem individuellen Mahnmal werden", sagt Johanna Bonengel. Unter dem Titel "Sie lebten mitten unter uns" werden auf einer Breite von rund sechs Metern sechs Stahl-Stelen angebracht, auf denen die Namen, Geburts- und Sterbedaten, der Ort der Ermordung und die Schweinfurter Adresse der 75 ermordeten Schweinfurter Jüdinnen und Juden zu lesen sein werden.

Dass die Wahl auf Stahl als Material fiel, habe dabei neben finanziellen Gründen auch symbolischen Wert, meint Sven Knobling. "Stahl ist ein robustes Material, das zwar rostet, aber lange Zeit nicht vergänglich ist", sagt er. Doch hinter der Materialwahl verberge sich auch eine traurige Erwartung. "Stahl lässt sich jederzeit reparieren und ist widerstandsfähig gegen Angriffe, mit denen wir leider rechnen müssen", sagt Knobling.
Unstimmigkeiten bei der Wahl des Standortes verzögerten Planung
In der Mitte der Installation soll eine gravierte Platte deutlich machen, dass das Mahnmal als Ort des Gedenkens an alle Opfer des Nationalsozialismus gedacht ist. Damit wolle man sich die Option offen halten, dieses eventuell künftig um die Daten weiterer Gruppen zu erweitern, die etwa aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, körperlicher oder geistiger Behinderung oder ihrer gesellschaftlichen und politischen Ansichten Opfer des Nationalsozialismus wurden, sagt Johanna Bonengel.

Über einen fest installierten QR-Code sollen Interessierte zudem online an Hintergrundinformationen gelangen. Außerdem sei geplant, gemeinsam mit dem Walther-Rathenau-Gymnasium, das die Patenschaft für den Gedenkort übernimmt, ein pädagogisches Konzept zu entwickeln, das dann etwa von anderen Schulen genutzt werden könnte, so Bonengel.
Es fehlen noch rund 20.000 Euro an Spenden
Getragen habe man sich mit der Idee des Erinnerungsprojekts "Denkzeichen" in der Initiative bereits seit mehreren Jahren, sagt Johanna Bonengel. Unter anderem hätten jedoch Unstimmigkeiten mit der Stadt Schweinfurt hinsichtlich des Standortes die Planung immer wieder verzögert. Mit dem Châteaudun-Park sei man jetzt jedoch sehr zufrieden. "Es ist ein sehr stimmiger, meditativer und wirklich ein würdiger Ort, der für unsere Zielsetzung sehr geeignet ist", sagt Bonengel.
Behördlich genehmigt sei das Projekt bereits. Jetzt fehle es noch an Geldern für die Umsetzung, so Bonengel. 60.000 Euro soll das Erinnerungsprojekt kosten. Der Großteil davon sei bereits durch Spenden von Privatpersonen, Firmen und Stiftungen gedeckt. "Wir brauchen aber unbedingt noch weitere private Spenden. Uns fehlen noch mindestens 20.000 Euro", sagt Bonengel.
Laufen werden die Spenden über die Schweinfurter Kulturwerkstatt Disharmonie, unter deren Dach die Initiative agiert. Erst wenn die Finanzierung gedeckt ist, könne das Projekt in die Umsetzungsphase starten. Geplant sei, die "Denkzeichen" Anfang November 2024 an die Öffentlichkeit zu übergeben.