Der Mann liegt am Boden und schreit. Vor Schmerz. Er hat eine klaffende Wunde am Bein. Blut rinnt auf den Boden. Er keucht. Das Feuer im Maschinenraum des Patrouillenbootes breitet sich in Windeseile aus. Männer in Schutzanzügen nähern sich, Feuerlöscher in der Hand. Um den Mann am Boden können sie sich nicht kümmern. Noch nicht. Zuerst muss der Brandherd gelöscht werden. Sie tragen Atemschutzgeräte.
Der Verletzte keucht, hustet, drückt die Faust vor Mund und Nase. Jetzt muss alles sehr schnell gehen. Ein Löschschlauch wird um seinen Oberkörper gewickelt und verknotet. Dann wird er vorsichtig die schmale Stiege nach oben gehievt. Mittlerweile ist er bewusstlos. An Deck beginnt seine Wiederbelebung.
Am Ort des Geschehens ist Thorsten G. (Anm. der Red: Aus Gründen der Sicherheit von Thorsten G. und seiner Familie ist sein Nachname nicht genannt.) Der gebürtige Schweinfurter hält seinen Daumen nach oben. „Gut gemacht!“, lobt er die libanesischen Soldaten. Die Mannschaft des Patrouillenboots vor der Küste Beiruts ist angespannt. Sehr sogar. Heute ist der letzte Tag ihrer Ausbildungsmission, die der 36-jährige Offizier im Rahmen eines UN-Einsatzes leitet.
Rund 130 deutsche UN-Blauhelm-Soldatinnen und -Soldaten beteiligen sich an einer der ältesten friedenserhaltenden Einsätze der Vereinten Nationen - UNIFIL. Dreh- und Angelpunkt ist der Nahe Osten, genauer der Libanon.
Unterricht an der Marineschule
Thorsten G. unterrichtet auch an der Marineschule in Jounieh im Norden Beiruts Navigation, Seemannschaft und Taktik. In Zusammenarbeit mit Küstenradarstationen der libanesischen Marine wird der Seeraum überwacht, Frachtschiffe kontrolliert und Waffenschmuggel unterbunden.
Unterstützt wird der Einsatz von der deutschen Korvette „Braunschweig“, die vor der libanesischen Küste liegt und ihren temporären Heimathafen in Limassol auf Zypern hat.
„Wir profitieren immens von der Expertise der Deutschen Marine“, betont ein einheimischer Ausbilder. Thorsten G. ist auch als Verbindungsoffizier an der Deutschen Botschaft in Beirut tätig.
Es gibt viel zu improvisieren
Deutschland unterstützt die libanesische Marine mit Patrouillenbooten, Radarstationen, Ersatzteile, Computer und einen Simulator für die Marineschule, mit dem sich die Kadetten auf ihre Aufgaben an Bord vorbereiten.
Dem Unterfranken macht die Arbeit Spaß. „Die Besatzung ist hoch motiviert. Die Ausbildung wird dankbar angenommen.“ Der Schweinfurter Korvettenkapitän muss dennoch viel improvisieren. „Das, was uns hier an Material zur Verfügung steht, ist nicht das Beste. Unverhofftes kommt oft, und dann müssen Pläne schnell umgestellt werden.“
Nach dem Abi zur Marine
Dass er flexibel ist, hat er schon beim Wehrdienst bewiesen. Nach dem Abi am Schweinfurter Walther-Rathenau-Gymnasium ging er nach Sylt – zur Marine. „Wenn ich schon weg musste, dann richtig“, lacht er. Bereut hat er es nicht. „Der Job ist abwechslungsreich und man sieht viel von der Welt.“
Die Entscheidung fiel dem zweifachen Familienvater leicht. „Jetzt bin ich Berufssoldat, Offizierslaufbahn.“ Einfach war sein Werdegang nicht. Nach dem Wehrdienst kam ein Jahr bei den Marinefliegern in Nordholz, danach die Offiziersausbildung in Flensburg und Bremerhaven und schließlich das BWL-Studium an der Bundeswehr-Universität in München. „Die Möglichkeiten, die sich bieten, sind interessant und vielseitig“, schwärmt er.
Die Frau ist auch bei der Marine
Seine Frau ist auch bei der Marine. Kennen gelernt haben sie sich in Kiel, wo heute die Familie wohnt. „Wenn mich mein Sechsjähriger auf dem Schiff besuchen kann, ist er immer Feuer und Flamme.“
Die UNIFIL-Mission gibt es seit 1978. Die deutschen Soldaten seien sehr beliebt im Libanon. „Die Ausbildung der libanesischen Soldaten muss noch intensiviert werden. Wir leisten einen entscheidenden Beitrag zur Friedenssicherung in der Region.
Die libanesische Armee ist in der Lage, ihre Hoheitsgewässer zu kontrollieren“, sagt Axel Schrader, deutscher Kontingentleiter der UN-Mission im Hauptquartier Limassol auf Zypern. Eine Bedrohung durch IS-Terroristen sei natürlich latent vorhanden. „Aber im Moment sehe ich keine Gefahr für meine Leute.“
Honky Tonk und Weinfeste
Ein bisschen wehmütig erinnert sich der Blauhelm-Soldat an die Honky Tonk-Abende in Schweinfurt und an die fränkischen Weinfeste in der Umgebung. „ Das gibt es in Kiel nicht!“ Trotzdem liebt er den Norden Deutschlands und möchte dort auch bleiben. „Ein paar Mal im Jahr fahren wir zu den Eltern. Der Blick auf die fränkische Hügellandschaft von der Autobahn aus hat schon was! Und wenn dann gerade ein Weinfest ist, umso besser.“
Die beiden Söhne sind gerade bei den Großeltern zu Besuch. Damit die Ehefrau für ein paar Tage kommen kann. Nach Beirut, zur Familienzusammenführung!
Bevor er jedoch zum Flughafen fährt, ruft die Pflicht: Zeugnisse ausgeben! Denn auf die haben die libanesischen Kadetten schon sehnsüchtig gewartet. Die Ausbildung haben nämlich alle mit Bravour bestanden.
UNIFIL Die Friedensmission unterstützt die libanesische Regierung dabei, die Seegrenzen zu sichern und Waffenschmuggel von See aus zu verhindern. Sie begann nach dem Zweiten Libanonkrieg im Jahr 2006. Der Maritime Einsatzverband UNIFIL (United Nations Interim Force in Lebanon) war der erste Flottenverband unter Führung der Vereinten Nationen – deutsche Schiffe und Boote operieren von Beginn an in diesem Verband. Die Schiffe tragen so zu Stabilität und Sicherheit in der Region bei. Die libanesische Marine hat Ausrüstung von Deutschland erhalten, darunter Wachboote und Küstenradarstationen. Deutsche Marinesoldaten, wie Thorsten G., engagieren sich seit mehreren Jahren in der Ausbildung ihrer libanesischen Kameraden.