Sie sehen gefährlich aus. Und sie erfüllen ihren Zweck: daran zu erinnern, was für ein kostbares Gut Friede ist. Die Rede ist von den zahlreichen Kanonenkugeln, die groß und schwarz im 1589 bis 1591 erbauten Zeughaus stecken. „Das sind Überbleibsel aus dem Dreißigjährigen Krieg“, sagt Gästeführerin Martina Barth, die sich ausführlich mit dieser Zeit in Schweinfurt beschäftigt hat.
Sie weiß auch, dass, auch wenn zwischen 1618 und 1648 nur sehr wenige Kugeln auf die Stadt flogen, diese Jahre für Schweinfurt zum einen sehr hart und zum anderen sehr wechselvoll waren – und das hängt mit seiner Geschichte zusammen: „Schweinfurt war Freie Reichsstadt, aber ab 1542 protestantisch. Das heißt: Als Freie Reichsstadt war es dem Kaiser, dem katholischen Habsburger, untertan, aber andererseits war es protestantisch und schon vor dem Dreißigjährigen Krieg Teil der Protestantischen Union.“
Das habe dazu geführt, dass die Stadt damals immer wieder, und zwar abwechselnd, besetzt war: zunächst durch die kaiserlichen Truppen. „1631 kam dann aber König Gustav Adolf aus Schweden in die Stadt. Er fand es ganz toll, mitten in diesem katholischen Mainfranken eine protestantische Enklave vorzufinden.“ Schweinfurt, unterstreicht Martina Barth, sei ja „wie eine Insel im Hochstift Würzburg“ gewesen.

Schweinfurt wie das kleine gallische Dorf in den Asterix-Comics
„Ich vergleiche das ganz gern mit dem unbeugsamen Dorf von Asterix“, sagt die Gästeführerin schmunzelnd. Gustav Adolf habe dann auch alles getan, um diese protestantische Bastion zu stärken, und zum Beispiel die Stadtmauer und die Befestigungsanlagen ausgebaut, die Schweinfurter mussten allerdings selbst kräftig mithelfen. Unter Gustav Adolfs Schutz ging es den Schweinfurtern gut.

„Die Stadt wurde von Abgaben entlastet und die schwedischen Truppen versorgten sich aus katholischen Ortschaften“, schreibt der profunde Kenner der Schweinfurter Geschichte, Peter Hofmann. Obendrein schenkte der schwedische Herrscher der Stadt drei Klosterhöfe und zahlreiche katholische Ortschaften. Doch dann ging es bergab für die Schweden in Bayern: „Sie kamen einfach nicht gegen Wallensteins Truppen an, und als Gustav Adolf am 6. November 1632 in Lützen fiel, hatte die Stadt einen entscheidenden Fürsprecher verloren“, so Martina Barth.

Da half es auch nichts, dass die Schweden bis auf den schmerzlichen Verlust ihres Königs siegreich aus der Schlacht hervorgingen: Als die Kaiserlichen vor Schweinfurt standen – das war Ende September 1634 – wollten die 500 schwedischen Soldaten, die noch in der Stadt stationiert waren, sich zwar ebenso wenig ergeben wie die Bevölkerung, die „bis zum letzten Blutstropfen“ zu kämpfen gedachte. Aber letztendlich, nach ständigem Kanonenbeschuss und dem Aufmarsch von 6000 feindlichen Soldaten, blieb ihnen, als dann auch noch die schwedischen Soldaten aus der Stadt geflohen waren, nur die Übergabe.
Einmarsch der Kaiserlichen Truppen eine schlimme Zeit für Schweinfurt
Nun zogen die Kaiserlichen ein. Die folgende Zeit war nach Hofmann „eine der schlimmsten Zeiten der Geschichte, die nur noch durch die großen Stadtverderben übertroffen wurde“. In den Häusern wurden Kaiserliche einquartiert, die verpflegt werden wollten – und das gut – und die sich ansonsten einfach nahmen, was ihnen ihrer Ansicht nach zustand.

Das und hohe Kontributionszahlungen führten dazu, dass die Bevölkerung immer mehr verarmte. Caspar Schamroth schreibt dazu in seiner Chronik: „Ich selbst habe damals für 85 Gulden Silbergeschmeide, so meinen lieben Eltern selig und mir lieb gewesen, aufs Rathaus getragen und noch 64 Gulden bares Geld zur vierfachen Steuer für mich und meine Mutter bezahlen müssen.“
Dann brach auch noch eine pestartige Epidemie aus. Schamroth: „Dazumal bin ich sehr ins Elend geraten. Anfänglich starben mir meine zwei Dienstmägde, mein Schwager, meine Mutter, mein Söhnlein und schließlich auch meine Frau, dass mir nichts übrig blieb als mein kleines Söhnlein, ein unbarmherziger Landsknecht mit seinem Diener, ein Knecht und eine Magd, die aber beide durchtriebene Menschen waren.“
Als Schutz vor Ansteckung versuchten die Schweinfurter sich zu helfen, indem sie warmes Brot auf die Toten legten und Zwiebeln aufhängten. Man ging davon aus, beides ziehe das Gift, an dem die Menschen erkranken, aus der Luft. Auch ansonsten hatten die Schweinfurter in jenen Jahren wenig Freude: Feste waren verboten, Mahlzeiten durften nur ein Mal am Tag eingenommen und keine Kuchen gebacken werden.
Zwar zog diese kaiserliche Besatzung im Juni 1635 ab, „aber nun folgten andere Kaiserliche, unter denen die Bevölkerung nicht weniger zu leiden hatte“, erklärt die gebürtige Schweinfurterin. Und weiter: „In den folgenden Jahren wechselten die Besatzungen Schweinfurts immer wieder. Das ging so bis 1647, als die Schweden unter Carl Gustav Wrangel Schweinfurt belagerten.“ Dabei sei es auch zu starkem Kanonenbeschuss gekommen. „Die Kanonenkugeln durchlöcherten das Obertor, eines der vier Stadttore, und richteten auch ansonsten, insbesondere im nördlichen Teil der Stadt, Schaden an“, sagt Martina Barth.
Als die Schweden kamen, ging es für Schweinfurt wieder aufwärts
Von ebenjener Belagerung seien die Kanonenkugeln am Zeughaus übrig geblieben. „Sie blieben aber nicht von der Belagerung stecken, sondern wurden erst nachträglich dort angebracht“, stellt die Gästeführerin klar. Wenn der Beschuss für die Schweinfurter auch sicherlich ein traumatisches Ereignis war, so war es doch der Beginn einer besseren Zeit: Unter den Schweden, die am 25. April 1647 in die Stadt einzogen, ging es ihnen viel besser.
Denn während alle Schweinfurter von der kaiserlichen Besatzung entwaffnet wurden und nicht mal ein Brotmesser behalten durften, verzichteten die Schweden bei der Einnahme der Stadt auf die üblichen Zahlungen von 4000 Gulden und verlangten stattdessen nur einen Trunk Wein. Peter Hofmann schreibt: „Wrangel und sein Kommandant Steinecker erwiesen sich als wahre Freunde Schweinfurts und letzterer ließ sogar einmal wöchentlich Schüler des Gymnasiums, das wieder gefördert wurde, kostenlos speisen. Auch achtete Wrangel darauf, dass die Stadt nicht mehr mit hohen Abgaben belastet wurde.“ Ein gutes Jahr später war der Krieg nach 30 Jahren endgültig vorbei. Und die Schweinfurter haben kräftig gefeiert.
So geht's zu den Kanonenkugeln
Sie finden sich in der Fassade des Zeughauses. Dieses steht in der Stadtmitte am gleichnamigen Platz.
Das Buch „Schweinfurter Geheimnisse“ ist in Kooperation zwischen der Main-Post und dem Bast Medien Verlag erschienen. Das Buch (Hardcover) kostet 19,90 Euro, hat 192 Seiten und ist durchgehend bebildert. Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Verlag: bestellungen@bast-medien.de (versandkostenfrei). ISBN: 978-3-946581-81-9