Jens Bronnsack war bei mehr als 300 Ärzten. Seine Beschwerden seien oft nicht ernst genommen, es sei auf die Psyche geschoben worden, sagt er. 2021 fand ein Würzburger Metalltoxikologe eine der Ursachen für Bronnsacks Beschwerden: eine Vergiftung mit dem Schwermetall Gadolinium, das in Kontrastmitteln für Magnetresonanztomografien (MRT) enthalten ist.
Nach der Berichterstattung über den 44-Jährigen aus dem Landkreis Schweinfurt meldete sich ein Arzt aus Unterfranken bei dieser Redaktion. Er äußerte Bedenken, dass Menschen nun Angst vor MR-Untersuchungen und der Gabe von gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln bekommen könnten. Wie gefährlich sind gadoliniumhaltige Kontrastmittel wirklich? Antworten auf die wichtigsten Fragen geben Prof. Thorsten Bley, Leiter der Radiologie der Uniklinik Würzburg, und Prof. Helga Stopper, Professorin für Toxikologie an der Universität Würzburg.
Warum werden gadoliniumhaltige Kontrastmittel bei MR-Untersuchungen eingesetzt?
Die Kontrastmittel helfen, bestimmte Organe, Gewebe oder Gefäße auf radiologischen Bildern besser erkennbar zu machen. "Man nutzt sie zum Beispiel immer dann, wenn man Entzündungen suchen, einen Tumor entdecken oder im Verlauf bewerten, oder Gefäße darstellen will", erklärt der Radiologe Thorsten Bley.

Welchen Mehrwert hat Gadolinium in Kontrastmitteln?
Gadoliniumhaltige Kontrastmittel sind für die Diagnose einer Vielzahl lebensbedrohlicher und einschränkender Erkrankungen essenziell. "Dass man einen Tumor sichtbar macht, den man in anderen Verfahren nicht erkennen kann, beispielsweise", sagt Prof. Bley. "Da kann man ihn früher sehen, früher behandeln und somit vielleicht auch heilen." Außerdem könne man Entzündungen sehen, die man sonst nicht gesehen hätte, oder eine Gefäßenge erkennen. "Es hat große Vorteile für die Patienten", sagt Bley.
Wird bei allen MR-Untersuchungen Kontrastmittel verabreicht?
"Nein", sagt Bley. Das sei immer eine ärztliche Entscheidung im Einzelfall.
Sind gadoliniumhaltige Kontrastmittel gefährlich?
"Freie Godolinium-Ionen sind aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu Calcium-Ionen toxisch", erklärt die Toxikologin Helga Stopper. In derzeit zugelassenen Kontrastmitteln liege Gadolinium jedoch in stabil komplexierter Form vor, werde relativ schnell wieder unverändert ausgeschieden und sei damit normalerweise gut verträglich. Gadolinium werde dann zum Problem, "wenn die Nieren nicht richtig arbeiten", sagt der Radiologe Bley. "Wenn die Nieren gut arbeiten, ist es so schnell weg, dass wir uns beeilen müssen, gute Bilder zu machen." In der Uniklinik mache man derartige Untersuchungen mit Kontrastmittel etwa 15.000 Mal in Jahr.
Welche Probleme können bei der Gabe von gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln auftreten?
Eine Vergiftung, wie sie Jens Bronnsack passiert ist, hat der Radiologe Thorsten Bley in seiner Berufslaufbahn noch nicht erlebt. "Es gibt zwei Dinge, die wir Radiologen kennen mit Gadolinium", sagt er, und nennt als Erstes die sogenannte nephrogene systemische Fibrose. Dabei handele es sich um eine Erkrankung des Bindegewebes, die nach der Gabe gadoliniumhaltiger Kontrastmittel bei nierenkranken Patienten auftreten kann. Als das Problem 2006 aufkam, sei es ein Schock für die Branche gewesen, berichtet er. Mittlerweile habe man es gut im Griff, indem das Blut der Patientinnen und Patienten vor der Gabe eines Kontrastmittels untersucht und nur bei einer guten Nierenfunktion ein gadoliniumhaltiges Kontrastmittel verabreicht werde.

Seit einigen Jahren wisse man zudem, dass es in seltenen Fällen auch zu Ablagerungen von Gadolinium im Gehirn kommen könne. Die Toxikologin Helga Stopper erklärt dazu: "Kleinste Ablagerungen im Gehirn (bei derzeit zugelassenen Präparaten geringer auftretend) scheinen nach bisherigem Kenntnisstand nicht mit einer Erkrankung verbunden zu sein."
2016 wurde auf Aufforderung der Europäischen Kommission ein europäisches Risikobewertungsverfahren zu gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln eingeleitet. Ende Juli 2017 hieß es vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), "dass die Anwendung einiger für MRT-Bildgebungen verwendeter linearer gadoliniumhaltiger Kontrastmittel eingeschränkt und die Zulassungen anderer linearer gadoliniumhaltiger Kontrastmittel ruhen sollen". Diese Maßnahme führt dazu, dass die Kontrastmittel vom Markt genommen werden. Sie ist vorerst bis Februar 2024 befristet.
Wie kann man sehen, wenn sich Gadolinium im Körper festgesetzt hat?
Laut Helga Stopper ist der Nachweis von Gadolinium im Körper über spezifische massenspektrometrische Methoden möglich. Man könne Gadolinium prinzipiell in Blutproben oder im Urin, sowie – falls vorhanden – in anderen Geweben (Organproben) feststellen. Aus dem Blutkreislauf wird das Kontrastmittel schnell entfernt und über die Nieren ausgeschieden, sagt Radiologe Thorsten Bley. "Deshalb geben wir das unmittelbar während der Untersuchung. Die Ausscheidung beginnt kurz nach der Gabe."
Gibt es Leute, die auf gadoliniumhaltige Kontrastmittel mit einer Allergie reagieren?
"Das gibt es sehr selten", berichtet Bley. Wenn jemand eine Kontrastmittel-Allergie hat, werde gegebenenfalls ein Mittel zur Prophylaxe verabreicht, um eine allergische Reaktion auszubremsen. Wisse man vorher nichts von der Allergie, wird die seltene Kontrastmittel-Reaktion mit einem Medikament behandelt. "Die Untersuchung geschieht unter ärztlicher Aufsicht. Das ist in der Praxis kein Problem. Das sind keine lebensgefährlichen Reaktionen", erklärt der Radiologe.
Wie kann eine Gadoliniumvergiftung behandelt werden?
"Für konkrete Hinweise zur Behandlung einer Vergiftung sind immer die Giftinformationszentralen der richtige Ansprechpartner", sagt Helga Stopper. Bei diesen laufen alle Vergiftungsmeldungen, -erfahrungen und -behandlungshinweise zusammen. "Es wäre hier zum Beispiel das für Bayern zuständige Giftinformationszentrum München zu nennen: 089-19240."
Chelator-Therapien ("Ausleitungen") müsse man hingegen sehr kritisch sehen, da diese Therapien auch unerwünschte Wirkungen mit sich bringen können. "Sie sind nur bei akuten, sehr starken Vergiftungen mit bestimmten Schwermetallen sinnvoll", erklärt die Toxikologin. "Zudem können Chelatoren im Körper deponiertes Gadolinium ohnehin nur gering mobilisieren."