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Schweinfurt: Schweinfurts Wirtschaft in der Krise? So viele Jobs will die Industrie in den nächsten Jahren streichen

Schweinfurt

Schweinfurts Wirtschaft in der Krise? So viele Jobs will die Industrie in den nächsten Jahren streichen

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    Die großen Industriebetriebe und Automobilzulieferer in Schweinfurt bauen derzeit Stellen ab. Was hinter den Streichungen steckt.
    Die großen Industriebetriebe und Automobilzulieferer in Schweinfurt bauen derzeit Stellen ab. Was hinter den Streichungen steckt. Foto: Collage Main-Post: Jutta Glöckner

    Wie eine Lawine brachen die Meldungen zum geplanten Stellenabbau in der Schweinfurter Großindustrie im vergangenen Jahr über die Region herein. Der Reihe nach kündigte ein Unternehmen nach dem anderen den langfristigen Abbau von Arbeitsstellen an. Und obwohl alle Konzerne die Streichungen so sozialverträglich wie möglich gestalten wollen, warnen Arbeitnehmervertreter, wie die IG Metall, vor einem nachhaltigen Wegbrechen von Wertschöpfung, die mit jedem verlorenen Arbeitsplatz für nachgelagerte Branchen einhergeht.

    Laut der Agentur für Arbeit gab es im Juni 2024 insgesamt 54.886 Beschäftigte am Arbeitsort Schweinfurt. Im Jahr zuvor waren es 54.895, vor zehn Jahren nur knapp 54.000 Personen. Mit 18.970 Beschäftigten hängt das Gros dieser Arbeitsstellen von den Automobilzulieferern
    ZF Friedrichshafen AG, Schaeffler AG, Bosch Rexroth und dem schwedischen Wälzlagerhersteller SKF ab. Die Gründe für das Straucheln der Betriebe sind vielfältig.

    ZF kämpft mit hohen Schulden und schwacher Nachfrage in der E-Mobilität

    Mit etwa 9000 Beschäftigten – Stand Mai 2024 – ist ZF der größte kommerzielle Arbeitgeber in Unterfranken und weltweit der drittgrößte Automobilzulieferer. Rund 60 Prozent der Beschäftigten am Standort arbeiten für die Division Elektrifizierte Antriebstechnologien, zehn Prozent für den Bereich Fahrwerk (Chassis Solutions), 15 Prozent in der Division Commercial Vehicle Solutions und neun Prozent im Aftermarket. Der Fokus in Schweinfurt liegt im Bereich E-Mobilität. Produziert werden unter anderem Elektro-Motoren für den Premiumbereich – von Porsche über BMW bis Mercedes. 

    Nachdem der Konzern zunächst den sozialverträglichen Abbau von 380 befristeten Stellen in Schweinfurt angekündigt hatte, musste der Konzern seine Prognose wenige Monate später korrigieren. In Schweinfurt herrschte bei ZF laut der Standortleitung zuletzt eine "Überkapazität von 650 Arbeitsplätzen" vor. Diese will der Konzern vorerst jedoch nicht abbauen, sondern mithilfe von Arbeitszeitreduzierung abschmelzen. Die Absenkung gilt seit dem 1. Dezember 2024 bis zum 30. Juni 2025 für nahezu alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. An derartigen Plänen ändern wohl auch neu gewonnen Aufträge, wie der von über fünf Millionen Bremssystemen für einen führenden Fahrzeughersteller, nichts.

    Deutschlandweit hält ZF an dem im Juli 2024 verkündeten Ziel fest, die Zahl seiner Beschäftigten bis Ende 2028 "sukzessive um rund 11.000 bis 14.000 Stellen" zu reduzieren. Gelingen soll das mit Automatisierung, natürlicher Fluktuation und Altersteilzeitangeboten.

    "Unsere Personalplanung orientiert sich konsequent am zu erwartenden Bedarf und wir müssen leider von einem geringeren Marktvolumen ausgehen", erklärt das Unternehmen auf Anfrage. Hinzu kommt eine deutlich geringere Wertschöpfung in der Produktion von E-Antrieben. "Wir rechnen mit Faktor 2,3 – das heißt: Für 2,3 Mitarbeiter, die ein Getriebe herstellen, brauchen wir beim E-Antrieb nur noch einen", heißt es weiter. Der Konzern müsse daher jetzt wettbewerbsfähige Strukturen schaffen, um von einer besseren Kostenbasis aus den Wandel zu meistern.

    Derweil geht die Gewerkschaft IG Metall von weitaus höheren Streichungen aus. Die Gewerkschaftler fürchten um insgesamt 2000 Arbeitsplätze, die bis Ende des Jahrzehnts bei ZF in Schweinfurt auf dem Spiel stehen könnten. Zusätzlich zum Einbruch beim Verkauf von E-Autos kämpft der Konzern aktuell mit hohen Schulden. Laut der Datenplattform Statista betrugen diese (Stand 2023) etwa 13,8 Milliarden Euro.

    Diese resultieren aus den Zukäufen des Autozulieferers TRW und des Bremsenspezialisten Wabco vor einigen Jahren. Zugleich hat der Zulieferer Milliarden Euro in die Transformation hin zum Elektroantrieb investiert. So flossen laut Werksleiter Manfred Süß in den vergangenen Jahren über 350 Millionen Euro in die Elektromobilität in Schweinfurt. 

    Das schlechte Windradgeschäft bringt SKFs größten Produktionsstandort ins Straucheln

    Der schwedische Wälzlagerhersteller SKF kämpft seit Jahren mit einer festgefahrenen Windkraft-Branche. Rund 40.000 Beschäftigte hat SKF weltweit. Zu Beginn der Transformation arbeiteten laut Standortsprecher Holger Laschka rund 3900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schweinfurt, dem Hauptsitz der SKF GmbH Deutschland. In Schweinfurt sind derzeit noch 3200 Personen im Konzern beschäftigt.

    Unter dem Motto "SOS Kugellagerstadt" haben Arbeitnehmervertreter und Teile der Belegschaften der großen Betriebe in Schweinfurt im vergangenen Jahr zahlreiche Aktionstage gegen die geplanten Stellenstreichungen organisiert. Das Bild zeigt ZF-Mitarbeitende auf einer Kundgebung am Werk Nord im September.
    Unter dem Motto "SOS Kugellagerstadt" haben Arbeitnehmervertreter und Teile der Belegschaften der großen Betriebe in Schweinfurt im vergangenen Jahr zahlreiche Aktionstage gegen die geplanten Stellenstreichungen organisiert. Das Bild zeigt ZF-Mitarbeitende auf einer Kundgebung am Werk Nord im September. Foto: René Ruprecht

    Besonders die exportabhängige Produktion leidet nach wie vor unter der anhaltenden Konjunkturschwäche und einer zunehmenden Regionalisierung der Märkte. Aufgrund der daraus resultierenden niedrigen Nachfrage und der damit verbundenen niedrigen Auslastung in der Komponentenfertigung verlagert das Unternehmen seit Jahren Teile der Produktion nach Asien und Amerika. Aus Schweinfurt werden derzeit Teile der Fertigung nach Polen und Bulgarien verlegt.

    Aber auch in Vertrieb und Verwaltung seien "Anpassungen" notwendig, so Laschka. Der Abbau findet überwiegend über Vorruhestandsregelungen und das Programm "Rente Jetzt" statt, das 2023 zuerst in der Produktion eingeführt wurde. Im Jahr 2024 machten 195 Beschäftigte von dieser Möglichkeit Gebrauch, um in den Ruhestand zu wechseln. 

    Die Personalanpassungsmaßnahmen für das Jahr 2025 basieren – wie auch die Programme der Vorjahre – auf doppelter Freiwilligkeit, so Laschka. "Genaue Zahlen können deshalb nicht vorhergesagt werden." Bis Ende 2026 greift bei SKF die Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Je nach Entwicklung der Lage schloss das Unternehmen einen weiteren Stellenabbau über 2025 bis zuletzt nicht aus. Dass die Ende vergangenen Jahres verkündete Abspaltung des Automobilgeschäfts personelle Konsequenzen hat, zeichnete sich bisweilen nicht ab.

    Schaeffler: Fusion mit Vitesco setzt Unternehmen unter Druck

    Nur einen Monat nach der Fusion der beiden Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler und Vitesco im Oktober 2024, kündigte Schaeffler-Vorstandschef Klaus Rosenfeld an, europaweit 4700 Arbeitsplätze abbauen zu wollen. Durch die Fusion wurden nach Ansicht des Konzerns Arbeitsplätze überflüssig. Davon 2800 an zehn Standorten in Deutschland und fünf weiteren in Europa, von denen zwei komplett dicht gemacht werden.

    Trotz eines gestiegenen Umsatzes von 16,3 Milliarden im Vorjahr auf 18,2 Milliarden Euro entwickelte sich die Gewinnmarge bei Schaeffler 2024 schlechter als erwartet. 
    Trotz eines gestiegenen Umsatzes von 16,3 Milliarden im Vorjahr auf 18,2 Milliarden Euro entwickelte sich die Gewinnmarge bei Schaeffler 2024 schlechter als erwartet.  Foto: René Ruprecht

    In Schweinfurt beschäftigt Schaeffler nach eigenen Angaben etwa 5200 Mitarbeitende. Im November vergangenen Jahres verkündete die Standortleitung, bis Ende 2027 knapp 500 Stellen abbauen zu wollen. Zudem befinden sich aktuell 1000 Beschäftigte in Kurzarbeit. Diese läuft noch bis Ende März. Auch bei Schaeffler rechnet die IG Metall mit mehr Stellenstreichungen. Insgesamt 700 drohen laut Gewerkschaft wegzufallen.

    "Derzeit besprechen wir die Pläne mit den Arbeitnehmervertretern, weswegen wir zum aktuellen Zeitpunkt keine näheren Angaben zum Abbauvolumen, einzelnen Bereichen und zeitlichem Ablauf machen möchten", erklärt Standortsprecher Marco Bosch. Der Konzern betont, dass es ihm ein grundsätzliches Anliegen sei, den Abbau so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. "Das Abbauziel soll mit einem Mix aus Fluktuation, Freiwilligenprogrammen, Altersteilzeit und internen Versetzungen erreicht werden." Da diese Maßnahmen vor allem auf Freiwilligkeit beruhen, könne man noch keine Details zum Umfang in bestimmten Bereichen oder zu betroffenen Mitarbeitenden machen, so Bosch.

    Schaeffler leidet – wie ZF und SKF auch – unter einer rückläufigen Auftragslage. Besonders die Sparte Bearings & Industrial Solutions, die unter anderem auf die Herstellung von Wälzlagern und Antriebstechnik spezialisiert ist, kämpft unter einer anhaltenden Konjunkturschwäche, strukturellen Problemen sowie einem harten Wettbewerb. Mithilfe des Stellenabbaus und der Kurzarbeit möchte das Unternehmen wieder wettbewerbsfähig werden. 

    Bosch Rexroth hat Abbauzahlen korrigiert

    Der Entwickler und Produzent von hydraulischen und elektrischen Antrieben, Bosch Rexroth, beschäftigte zum Jahresende 2024 rund 1570 Mitarbeitende in Schweinfurt, einschließlich Auszubildenden, Dual Studierenden und Beschäftigten im Werksteil Volkach (Lkr. Kitzingen). Ursprünglich je  240 Stellen wollte die AG in Schweinfurt sowie an ihrem Verwaltungssitz in Lohr (Lkr. Main-Spessart) streichen. Kurz vor Weihnachten überraschte der Konzern allerdings mit guten Nachrichten.

    Der Betriebsrat und die Unternehmensführung hatten sich in mehreren Verhandlungen darauf verständigt, 85 Stellen, die eigentlich hätten verlagert werden sollen, in Produktion und Verwaltung in Schweinfurt und Volkach zu erhalten. Laut Unternehmenssprecher Jan Säger umfasst der vereinbarte Stellenabbau jetzt rund 160 Stellen bis Ende 2028. "Wir sind in einer frühen Phase der Umsetzung", so Säger weiter.

    Derzeit finden Gespräche mit Mitarbeitenden statt, um den Stellenabbau, wie geplant, sozialverträglich und über Altersteilzeit sowie Vorruhestandsregelungen zu gestalten. Der Standort ist nach wie vor stark konjunkturell unausgelastet, eine Trendwende derzeit nicht absehbar, so Säger. Der Stellenabbau soll so einen Beitrag zur "mittelfristigen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit" des Standorts leisten. Das allein reicht jedoch nicht. Um weitere Stellenstreichungen zu verhindern, hat der Konzern die Arbeitszeit einiger Mitarbeitender abgesenkt und Kurzarbeit angemeldet.

    Hinweis: In einer früheren Version des Textes hat die Redaktion auf Basis der Aussagen des Unternehmens von einem bei SKF in Schweinfurt geplanten Abbau von 400 Stellen bis Ende 2025 geschrieben. Diese Zahl ist falsch. Wie SKF mitteilt, wurden im letzten Jahr 195 Stellen über Altersteilzeitprogramme abgebaut. Auch für das Jahr 2025 will der Konzern älteren Beschäftigten Angebote zum vorzeitigen Wechsel in den Ruhestand vorschlagen. Diese Angebote basieren laut Unternehmen auf Freiwilligkeit, weshalb keine verlässliche Aussage darüber getroffen werden kann, wie viele Personen hiervon Gebrauch machen werden und sich die Stellenstreichungen dementsprechend entwickeln.

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