Die Jalousie am Schaufenster ist dicht, im Verkaufsraum dominiert die leere Fleisch- und Wursttheke. Reiner Dorsch hat seine Metzgerei in der Hauptstraße geschlossen, den Familienbetrieb, den er in der dritten Generation führte. Nach fast 100 Jahren ist Schluss, damit gibt es auch in Sennfeld keine handwerkliche Metzgerei mehr.
Er sei jetzt im "wohlverdienten Ruhestand", meint der 68-jährige Metzgermeister Reiner Dorsch. Schließlich habe er sich 50 Jahre lang "geplagt", seit er als "Stift" 1972 im elterlichen Geschäft anfing. "Um drei Uhr früh war ich jeden Tag in der Wurstküche", blickt er zurück. Mindestens zwölf Stunden Arbeit warteten täglich auf ihn. Auch an Feiertagen ging er in seine Metzgerei, selbst am zweiten Weihnachtstag hackte und salzte er die Knöchli, die für das traditionelle Silvesteressen in Sennfeld begehrt sind.
Sein Großvater Georg hatte im Juli 1924 die Metzgerei in der Sennfelder Hauptstraße, damals noch mit einer Flaschenbierhandlung, eröffnet. Der Enkel Reiner hatte eigentlich die 100 Jahre bis zum Geschäftsjubiläum voll machen wollen, erzählt er. Aber dann reifte über ein Jahr lang bei ihm und seiner Frau Helga, die 45 Jahre lang im Laden verkaufte, die Entscheidung, doch zum Jahresende 2022 aufzuhören.
Es gibt keine vierte Generation, die das Geschäft übernehmen könnte
Gesundheitliche Gründe zählten dazu, vor allem aber sein Alter, sagt Reiner Dorsch. Und dann natürlich, dass es keine vierte Generation gibt, die das Geschäft übernehmen könnte. Zwar arbeitete Dorschs Tochter Claudia im Verkauf mit. "Aber die Wurst muss ja auch jemand machen", so der Vater. Und Personal zu bekommen, sei unmöglich. Außerdem: Bei einer Betriebsübernahme, selbst innerhalb der Familie, hätten hohe EU-Auflagen mit großen Investitionen erfüllt werden müssen. "Wir selbst hatten ja noch Bestandsschutz", erklärt Helga Dorsch.
So ein kleiner Betrieb habe keine Zukunft, meint ihr Mann. "Für uns hat es noch gereicht, wir hatten Stammkunden." Aber für eine nächste Generation sehe er keine Chance. "Wir sind ja umzingelt von Nahkauf, Lidl und Aldi."
Auch eine Weiterführung als Filiale einer anderen Metzgerei komme nicht in Betracht. "Zum einen findet man keinen, zum anderen vermischt sich räumlich in unserem Haus Geschäft und Privates." Da wären dann umfangreiche Umbauten erforderlich, um das zu trennen. "Aber wofür?", fragt der Metzgermeister. "Für zu wenig Miete?"

Ganz deutlich erteilt er dem Gerücht eine Absage, die gleichnamige Schweinfurter Metzgerei von Felix Dorsch würde eine weitere Filiale in seinen Räumen eröffnen. "Das ist nur ein Witz", meint er. Der Namensvetter hat vor einiger Zeit eine Produktionsstätte im Sennfelder Gewerbegebiet Hafen eröffnet. Mit etlichen Namensverwechslungen hatte Reiner Dorsch immer wieder zu kämpfen.
Immer wieder Probleme mit Falschparkern
Die Entscheidung zur Schließung seiner Metzgerei sei ihm auch deshalb leichter gefallen, weil er seit dem Bau des Pflegeheims genau gegenüber seiner Metzgerei in der Hauptstraße viele Probleme gehabt habe, gibt der Neu-Ruheständler an. Zuerst die dreijährige Bauzeit des "Haus am Sennfelder See" mit täglichen Behinderungen für sein Geschäft. Dazu noch das leidige Park-Thema, das seine Kunden abschrecke.
Ständig seien die Parkplätze vor dem Laden zugeparkt. Selbst als die Gemeinde eine 30 Minuten-Kurzparkzone erwirkt habe, habe das nichts genützt, sagt der 68-Jährige. Viele Autofahrer hätten länger dort geparkt. Vor allem Besucher des Pflegeheims, die eigentlich auf dem Parkplatz am Ende der Johann-Wenzel-Straße stehen sollten.

"Wir haben im Rahmen unserer Möglichkeiten versucht, verkehrsrechtliche Anordnungen zu treffen", erklärt Bürgermeister Oliver Schulze auf Anfrage. Auch der Verkehrsüberwachungsdienst, der für die Gemeinde unterwegs ist, wurde eingeschalten. "Aber gegen das Verhalten einzelner Autofahrer ist auch ein Bürgermeister machtlos."
Schulze bekennt allerdings, dass es in der gesamten Hauptstraße in Sennfeld Parkprobleme gebe. "Mit Sicherheit wird das bei einer künftigen Straßensanierung ein Thema". Die Gemeinde habe zwar Parkmöglichkeiten geschaffen: hinterm Rathaus, hinter der Alten Schule und aktuell die Herrichtung des Platzes an der Johann-Wenzel-Straße. "Aber keiner will fünf Meter weiter laufen", kennt er das Problem.
Für Reiner Dorsch war ein zusätzlicher Aufreger, wenn sich ausländische Lkw-Fahrer, Zulieferer der Firma Kühne, regelmäßig in die spitz zulaufende Johann-Wenzel-Straße gegenüber seines Ladens verfahren und dann rückwärts drehen müssen. "Ein Chaos", meint er nur.
Auch wenn der Metzgermeister mit Herzblut seinen Beruf ausübte, hat er die Entscheidung, jetzt aufzuhören, nicht bereut. "Nur mein Schlafrhythmus muss sich noch umstellen", meint er. Den Laden aber will er erst mal leer stehen lassen.