Die Begeisterung war groß, der Lärmpegel hoch, das rote Fahnenmeer auf dem Schweinfurter Marktplatz ein Statement: Über 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so Polizei und Gewerkschaft, aus den großen Schweinfurter Industriebetrieben ZF, SKF, Schaeffler und Bosch Rexroth sowie zahlreiche weitere aus unterfränkischen Betrieben kamen zum Aktionstag der IG Metall. Was sie einte: Sie sorgen sich um ihre Arbeitsplätze.
In den vergangenen Wochen und Monaten hatte es immer wieder Nachrichten aus verschiedenen Schweinfurter Betrieben gegeben, dass Arbeitsplätze abgebaut werden: bei SKF bis Ende 2025 insgesamt 900, bei Bosch Rexroth bis 2028 rund 240 in den Werken in Schweinfurt und Volkach. Bei ZF befürchtet die Gewerkschaft eine Verlagerung der Elektromobilitäts-Sparte ins Ausland, bei Schaeffler gibt es für 700 Mitarbeitende die vereinbarte Absenkung der Arbeitszeit auf 32 Stunden. Bei Valeo in Bad Neustadt wurde die Produktion ins Ausland verlagert, 310 Beschäftigten wurde gekündigt.

Seit Wochen mahnt die IG Metall unter dem Motto "SOS Industriestadt" vor einem dauerhaften Verlust von Arbeitsplätzen in der Schweinfurter Industrie. Als Zeichen, um aufzurütteln und auf die Probleme aufmerksam zu machen, war der Aktionstag am Donnerstag zu verstehen.
SOS Industriestadt: IG Metall fordert Aufheben der Schuldenbremse und gezielte Investitionen
"Das Herz dieser Stadt ist Industriearbeit", betonte der erste Bevollmächtigte der IG Metall, Thomas Höhn, in einer leidenschaftlichen Rede auf dem Marktplatz in Schweinfurt, die immer wieder von Applaus unterbrochen war. Man müsse und werde als Gewerkschaft "dagegen halten".
Man müsse um neue Produkte und Ansiedelungen in Schweinfurt und der Region kämpfen, es brauche von Seiten der Unternehmen Investitionen, sie hätten auch eine "moralische Verantwortung", so Höhn. Er forderte ein bundesweites Moratorium zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland, wo man vermeintlich günstiger produzieren könne. Eine weitere Forderung ist der Aufbau eines Vergabeausschusses in den Betrieben mit der Gewerkschaft, um gemeinsam über die Ausrichtung der Produktion in der Zukunft zu beraten.

Höhn hatte aber auch klare Forderungen an die Bundes- wie Landespolitik. "Reißt Euch zusammen", rief er begleitet von Applaus und forderte einen Schulterschluss zwischen der von CDU und CSU angeführten Opposition und den Regierungsparteien SPD, Grünen und FDP. Angesichts der vielen Krisen in der Welt könne es nicht sein, dass das Regierungshandeln von Streit geprägt sei, man das Gefühl habe, im Dauerwahlkampf zu sein.

"Dieses Land braucht eine Offensive, Schweinfurt braucht eine Offensive", so Höhn. Die Gewerkschaft fordert die schnelle Senkung der Energiekosten für die Industrie sowie das Aussetzen der Schuldenbremse.
Gewerkschaften fordern in Schweinfurt eine gezielte bayerische Industriepolitik
IG Metall-Bezirksleiter Horst Ott betonte, dass das Thema schleichender Arbeitsplatzabbau in der Industrie ganz Deutschland betreffe. Die Gewerkschaft sei bereit, gemeinsam mit der Politik und den Arbeitgebern Lösungen zu finden. Sie sei aber auch bereit, für ihre Rechte zu kämpfen.
DGB-Regionschef Frank Firsching sagte: "Ohne die industriellen Arbeitsplätze geht die ganze Region vor die Hunde." Aus seiner Sicht sei eine gezielte "bayerische Industriepolitik" nötig, erklärte er mit Blick auf Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) sprach von einer "Schicksalsgemeinschaft" zwischen den Industriebetrieben und der Stadt Schweinfurt, einer jahrzehntelange "Symbiose, die in Gefahr ist". Er sowie Landrat Florian Töpper (SPD) würden alles tun, was in ihrer Macht auf kommunaler Ebene stünde, um die Betriebe zu unterstützen und Arbeitsplätze zu erhalten.
Remelé forderte nicht nur die Unternehmensleitungen zu "Lokalpatriotismus" und dem Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland auf. Er forderte auch von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Rückkehr zu "Fleiß und Freude an der Leistung" angesichts von Diskussionen über die Einführung einer Vier-Tage-Woche.