Es ist die zweite Pressemitteilung innerhalb kurzer Zeit, und die Warnungen werden immer deutlicher: Die Gewerkschaft IG Metall ist in großer Sorge um die Industriearbeitsplätze in Schweinfurt, aber auch in Main-Rhön. "SOS Kugellagerstadt: Wenn wir jetzt nicht dagegenhalten, verschwinden Tausende Arbeitsplätze unwiederbringlich" ist die Überschrift der Mitteilung des Ersten Bevollmächtigten Thomas Höhn, die an alle Gewerkschaftsmitglieder ging.
In der Mitteilung, der die folgenden Informationen entnommen sind, betont Höhn, er sehe die Industriearbeit in der Region Schweinfurt-Main-Rhön "an einem sehr kritischen Punkt." Die Entwicklungen bei den Schweinfurter Firmen ZF, dem größten kommerziellen Arbeitgeber in Mainfranken, sowie SKF seien aus seiner Sicht besorgniserregend. Bereits vergangene Woche hatte die Gewerkschaft in einer Pressemitteilung ihrer Sorge Ausdruck verliehen, ZF könnte die Elektromobilität ins Ausland verlagern. Dem widersprach ZF-Werksleiter Manfred Süß auf Nachfrage dieser Redaktion entschieden.

Aus Sicht der Gewerkschaft wiederum könnte vor allem der Standort Schweinfurt, das zweitgrößte Industriezentrum Nordbayerns nach Nürnberg, seinen "industriellen Kern verlieren". Für ZF befürchtet die Gewerkschaft den Abbau von bis zu 2000 der derzeit 9100 Arbeitsplätze. "Legt man alle Informationen übereinander, wird deutlich, dass sich ZF im Bereich der Elektromobilität aus der Fertigung in Deutschland massiv zurückziehen will", so Thomas Höhn.
Kugellagerhersteller SKF könnte in Schweinfurt weitere Arbeitsplätze abbauen
Die Lage beim größten deutschen Standort des schwedischen Kugellagerherstellers SKF beurteilt die Gewerkschaft ebenfalls kritisch. In den vergangenen 18 Monaten seien bereits 500 Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut worden. "Diese Arbeitsplätze sind für die Region bereits verloren", so Höhn. Weitere strukturelle Veränderungen, die schwierige Auftragslage vor allem im Bereich der Windkraft sowie nachteilige politische Rahmenbedingungen ließen für die nächsten zwei Jahre einen Überhang von weiteren 400 Beschäftigten befürchten.
"Wenn wir jetzt nicht dagegenhalten, verschwinden Tausende Arbeitsplätze unwiederbringlich."
Thomas Höhn, Erster Bevollmächtigter IG Metall
Höhn nennt weitere Beispiele: Auch wenn das Unternehmen Schaeffler derzeit keine konkreten Pläne zum Abbau von Arbeitsplätzen in Schweinfurt habe, stehe man vor der Herausforderung, "in einem sich schnell wandelnden Marktumfeld zu investieren und Arbeitsplätze zu sichern. Die Auftragslage geht zurück, neue Zukunftsprodukte müssen auf auslaufende folgen." Aus Sicht des Betriebsrates müsse sich auch Bosch Rexroth in Schweinfurt und Volkach wandeln: Trotz zukunftsfähiger Produkte werden dort aus Sicht der Gewerkschaft "seit Jahren nur geringfügige Investitionen getätigt, was sich nachhaltig negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirkt".

Höhn benennt auch ein "trauriges Beispiel": Der Automobilzulieferer Valeo in Bad Neustadt baue bis Ende Juni 310 der 510 Valeo-Beschäftigten im Elektromotorenwerk vor Ort ab und verlege die Produktion nach Polen. Der Musterbau werde stillgelegt, zu befürchten seien weitere Maßnahmen.
Gewerkschaft fordert Bekenntnis zum Industriestandort Schweinfurt
Die IG Metall Schweinfurt verlangt von den Unternehmen ein klares Bekenntnis zu den Traditionsstandorten und die Ansiedlung von Zukunftsprodukten. Eine Forderung, die auch Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) bereits erhoben hat. "Verschiebungen von Fertigung in Niedriglohnländer lösen vielleicht Kostenprobleme, sind für unsere Region aber ein riesiges Problem", so Thomas Höhn. Der Strukturwandel in der Automobilzuliefererindustrie, im Maschinenbau, in der Windkraftindustrie lasse sich nur im Schulterschluss mit den Beschäftigten gestalten.

Weiter heißt es von Seiten der Gewerkschaft: "Und für die Politik muss ganz klar gelten: massive Investitionen statt Kaputtsparen unseres Landes. Die Schuldenbremse ist in ihrer jetzigen Form eine Zukunftsbremse und muss unbedingt reformiert werden." Um Bürger und Betriebe zu entlasten, brauche es zudem dringend faire und verlässliche Energiepreise.
Gewerkschafter Höhn fordert die Politik und Unternehmen auf, ihrer Verantwortung für die Region nachzukommen: "Jetzt zählt es. Jetzt müssen wir gemeinsam handeln." Die IG-Metall-Delegierten aus den Betrieben hätten bei einer Gewerkschafts-Versammlung die Lage geschildert und sich entschlossen, ihrer Sorge unter dem Motto "SOS Kugellagerstadt: Zukunft für Industriearbeit in Schweinfurt" verstärkt öffentlich Gehör zu verschaffen.