Ambicioso war ein Problempferd, wenn man es so nennen will. Sieben Jahre ist der Andalusier alt und steht gerade am Anfang seiner Ausbildung. Normalerweise sollte die mit vier, fünf Jahren beginnen; auch wenn ein Andalusier erst mit acht Jahren ausgewachsen und ein Alter von 30 Jahren bei dieser Rasse nicht ungewöhnlich ist, sagt Michael Schmitt. Normalerweise wäre es auch kein Problem, einen Ausbilder zu finden. Wäre da nicht ein Haken: Die Pferde-Ausbilder in der Region, sagt Schmitt, hätten bei seinen Nachfragen immer abgewunken. An einen Spanier, sagt er, „hat sich keiner ran getraut“. Zu sensibel, zu schwierig.
Auch Schmitt selbst bekam mit der Zeit mehr als Respekt vor dem Tier. Der Pächter der Brauereigaststätte, der vor 14 Jahren nach Werneck kam und zwei weitere Pferde hat, kennt Amicioso, da war der Kartäuser-Hengst „noch ein Baby“. Umso mehr hat ihn gewurmt, dass er, nachdem Amicioso ihn zwei Mal abgeworfen hatte, Angst hatte. Ein ungewohntes Gefühl für den ambitionierten Freizeitreiter – und inzwischen Schnee von gestern.
Nach der langen Suche nach einem Ausbilder für Ambicioso kam Michael Schmitt schließlich der Zufall zu Hilfe. Ein Hufschmied gab den Tipp, dass in Würzburg einer arbeite, der Pferde in der hohen Schule ausbilde, auch die sensiblen Spanier, die keinen Fehler vergessen, keinen Fehler verzeihen. Eine Pferderasse, die immer zwischen „Genie und Wahnsinn“ schwebt, wie Sascha von Borstel es ausdrückt. Selbst kleine Fehler haben große Folgen, wirken sich auf das Verhalten der Pferde, die ursprünglich für den spanischen Adel gezüchtet wurden, aus: Sie weichen aus, lassen sich nicht mehr satteln, werfen ihre Reiter ab.
Sascha von Borstel kam auf Schmitts Bitte nach Werneck – und ist dort geblieben. In Würzburg, sagt der 31-Jährige, habe er sich nie richtig heimisch gefühlt. Werneck bietet beides – das Leben auf dem Land, die Nähe zur Stadt. Den Job in der Reitanlage Würzburg hat er gekündigt und sich selbstständig gemacht, bietet seitdem Ausbildung für Pferde und Reitstunden an. Mit einer ganz eigenen Philosophie.
Reiten, sagt von Borstel, ist Denksport. „Im richtigen Moment das Richtige tun“, sei das Wichtigste. Und der gegenseitige Respekt. Wer Fehler seines Pferdes sofort erkenne und sanft korrigiere, zur richtigen Zeit Impulse gebe, müsse nicht hart durchgreifen, nicht mit Kraft reiten, nicht am Zügel zerren oder ständig die Sporen geben. Was der 31-Jährige vertritt, ist eine neue, eine sensible Art des Reitens, die immer mehr Anhänger findet, wie er sagt.
Amicioso lehrt er die „klassisch iberische Reitweise“, besser bekannt als „hohe Schule“, zu deren Prinzipien die Harmonie von Reiter und Pferd gehört. Aber, sagt von Borstel, „wir reiten Pferde, keine Reitweise“. Sein Credo: Von jeder Reitweise etwas mitnehmen, ob klassisches oder englisches Reiten, ohne zwanghaft etwas zu verlangen, das das Tier nicht kann, für das es keine Anlagen mitbringt. Und: Das Pferd soll Spaß an der Arbeit haben.
Problemfälle wie Ambicioso sind von Borstels Steckenpferd, wie er es selbst nennt. Auf sie hat sich der Ausbilder und Reitlehrer spezialisiert. Dass Pferdebesitzer Angst vor ihren Tieren haben, konnte von Borstel, der von der bekannten klassischen Reiterin Alexa Meininghaus ausgebildet wurde und mit ihr zusammen sieben Jahre lang den Reitstall des Hofgutes von Prinz zu Sayn Wittgenstein geleitet hat, bei seiner Arbeit oft erleben.
Dass Ambicioso tatsächlich Ambitionen hat, Talent, davon ist von Borstel überzeugt. Nach seiner Ausbildung könnte der Kartäuser sowohl beim Dressurreiten als auch bei „Barock-Pferde-Events“ antreten. Bei letzterem zeigen Reiter und Tiere das, wofür die Wiener Hofreitschule mit ihren Lipizzanern berühmt geworden ist: die hohe Schule der klassischen Reitkunst.