Beim zweiten "Spaziergang" durch die Schweinfurter Innenstadt an diesem Sonntagabend kamen nach Schätzung der Polizei erneut bis zu 2000 Menschen auf den Marktplatz zusammen. Zunächst protestierten mehrere hundert Demonstranten bei einem Umzug durch die Innenstadt lautstark, aber friedlich gegen eine Impflicht und geltende Maßnahmen im Kampf gegen die vierte Welle der Corona-Pandemie. Am späteren Abend eskalierte dann aber die Situation am Marktplatz, Polizeibeamte wurden von Demonstranten angegriffen.
Polizeisprecher Andy Laacke berichtete am Montag von einer "Aggressivität, die uns überrascht hat" und die es so in den vergangenen Wochen bei ähnlichen Veranstaltungen in Unterfranken auch nicht gegeben habe. Nachdem am Sonntagabend der Großteil der Menschen die Innenstadt nach der nicht angemeldeten Demonstration wieder verlassen hatte, seien noch rund 200 Personen in kleinen Gruppen auf dem Marktplatz gewesen, sagt Laacke.

Eine von ihnen habe man bereits zuvor per Video bei Ordnungswidrigkeiten gefilmt, so der Sprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken. Zum Beispiel, weil sie sich nicht an Auflagen gehalten hatten. Unter die "in der Hauptsache friedlichen und für polizeiliche Maßnahmen zugänglichen Protestler" hätten sich "auch einige Dutzend aufwiegelnde Aggressoren" gemischt, sagt Laacke. Sie hätten immer wieder weitere Gruppen zu Aktivitäten gegen Einsatzkräfte und Anordnungen aufgestachelt. Bei der Feststellung von Personalien habe es dann "Angriffe gegen die Polizei" gegeben.

Acht Personen wurden laut Polizei vorläufig festgenommen - weil sie "unter anderem mit Schlägen und Tritten gegen Polizeibeamte Widerstandshandlungen gegen die Identitätsfeststellungen geleistet hatten". Zwei der Festgenommenen wurden bereits am Montag im Zuge eines so genannten beschleunigten Verfahrens vor dem Amtsgericht Schweinfurt zu Haftstrafen von sechs beziehungsweise acht Monaten auf Bewährung wegen tätlichen Angriffs auf einen Polizeibeamten, Körperverletzung und Beleidigung verurteilt. Gegen 15 weitere Personen wurden Anzeigen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz erstattet, teilt Laacke mit.
Mutmaßlich versuchte Brandstiftung: Zwei Haftbefehle erlassen
Der Leitende Oberstaatsanwalt Axel Weihprecht bestätigte auf Nachfrage am Montagnachmittag, dass gegen einen 34 Jahre alten Mann aus dem Landkreis und einen 30-Jährigen aus der Stadt Haftbefehle erlassen worden sind. Den beiden Männern wird versuchte Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel und Landfriedensbruch vorgeworfen. Außerdem wird gegen den 34-Jährigen wegen vorsätzlichen Führens einer Waffe ermittelt. Er soll ein Messer dabei gehabt haben.
Der 34-Jährige hat laut Polizei am Sonntagabend versucht, mittels eines Brandbeschleunigers ein ziviles Polizeifahrzeug, das in der Nähe des Rathauses stand, anzuzünden. Polizisten hatten das Feuer schnell gelöscht und die beiden Männer festgenommen. In dem Fahrzeug saß zu diesem Zeitpunkt laut Polizeisprecher Laacke niemand.
Vor Ort gab sich kein Versammlungsleiter zu erkennen
Zu der Versammlung war - wie schon zu einem ersten "Spaziergang" am Sonntag zuvor - im Vorfeld in verschiedenen sozialen Medien aufgerufen worden. Offiziell als Demonstration angemeldet war sie nicht. Trotz mehrfacher Lautsprecherdurchsagen der Polizei vor Ort meldete sich auch kein Versammlungsleiter. Die Suche der Polizei nach den Verantwortlichen wurde vielmehr mit Buh-Rufen, lauten Trillerpfeifen und sarkastischen Kommentaren begleitet.
Die unterfränkische Polizei war mit einem großen Aufgebot - unterstützt von Kräften der Zentralen Einsatzdienste und der Bereitschaftspolizei - in Schweinfurt und hatte am Marktplatz Barrieren aufgestellt. Mehrfach wiesen Polizeibeamte daraufhin, dass das Geschehen als nicht angemeldete Versammlung gewertet würde und sich deswegen aufgrund der Abstandsregeln nicht mehr als 850 Menschen zeitgleich auf dem Marktplatz aufhalte dürften.
Umzug durch die Innenstadt bei Nieselregen und mit Polizei-Begleitung
Gegen 18 Uhr hatte bei nasskaltem Wetter und beständigem Nieselregen der Umzug quer durch die Stadt mit rund 600 Personen begonnen, begleitet von einem großen Polizeiaufgebot. Da die Demonstranten teilweise auf der Fahrbahn liefen, wurde auch der Verkehr vorübergehend gesperrt. Zu hören waren bekannte Parolen wie "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit klaut" oder "Wir sind das Volk".
Es waren Kinder dabei, junge Familien, eine große Gruppe Menschen zwischen 30 und 50 Jahren sowie ältere Semester. Ein Mit-Siebziger, grauer Schnauzbart, Brille, Hut freute sich sichtlich über die lautstarken Sprechchöre: "Genau so muss es sein." Andere waren regelrecht ergriffen, mit ihren Freunden und Bekannten gemeinsam gegen die aus ihrer Sicht falschen Corona-Maßnahmen der Bundesregierung protestieren zu können.

Den Umzug und die Geschehnisse bis gegen 19 Uhr habe man als "friedlich" gewertet, sagte Polizeisprecher Andy Laacke am Montag. Gleichwohl habe man mehrfach auf das Abstandsgebot hinweisen müssen, da die Versammlungsteilnehmer "zum größten Teil ohne Maske auf zu engem Raum unterwegs waren". Gegen 19 Uhr habe sich die Versammlung im Stadtgebiet langsam aufgelöst. Danach, so Laacke, kam es zu der Gewalt gegen die Einsatzkräfte.
Polizei begrüßt die "beschleunigten" Verfahren
Die schnellen Verfahren vor dem Amtsgericht begrüße die Polizei ausdrücklich, sagt Laacke. Gegen friedliche Proteste sei in keiner Weise etwas einzuwenden, die Festnahmen indes seien "ein deutliches Signal, dass wir keine Straftaten tolerieren". Der Polizeisprecher appellierte auch an die Bürger, sich von Gewalt zu distanzieren und friedlichen Protest als Demonstration anzumelden. Die Polizei schütze das Recht auf Versammlungsfreiheit genauso wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Einen "Demo-Tourismus" aus ganz Deutschland nach Schweinfurt gab es nach Erkenntnissen der Polizei nicht. Man ermittle weiter weiter intensiv, auch in sozialen Netzwerken, wer hinter den Aufrufen für die "Spaziergänge" an den beiden Adventssonntagen stecke. Auf einen weiteren "Spaziergang", der für den 19. Dezember angekündigt sei, bereite man sich schon vor, sagt Laacke.