Eine psychische Erkrankung haben: Für viele Menschen ist das immer noch etwas, über das man nicht spricht. Betroffene und auch Angehörige wollen nicht, dass jemand davon erfährt. Das mag daran liegen, dass psychische Erkrankungen oft mit Stigmatisierung einhergeht.
Empathie für Krebspatienten? Keine Frage. Aber für Menschen mit Essstörungen, Magersucht, Borderline-Syndrom, Depression, zum Beispiel? Da gibt es Vorurteile, Ablehnung. Die Folge: Noch größerer Leidensdruck für die Betroffenen. Und auch die Scheu, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Hier setzt die neue Ausstellung "Kunst und Psychiatrie" im Bezirkskrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Schloss Werneck an. Wer sich Zeit nimmt, eine Stunde sollte es mindestens sein, bekommt eine einzigartige Chance. Er kann erleben, was psychische Erkrankungen mit Menschen machen. Er kann sich mit seinen Vorurteilen auseinandersetzen. Und im Idealfall erkennen, dass Betroffene auf keinen Fall Druck oder gar Berührungsängste brauchen.

Martina Ackermann ist für Gestaltung und Konzept verantwortlich, Franziska Jacob für die museologische Beratung und Gestaltung. Dass die Ausstellung so unter die Haut geht, so bewegend und eindrücklich ist, liegt auch an den speziell für die Ausstellung hergestellten Figuren der Künstlerin Jana Merkens. Die "Krankheitsbilder" wirken absolut lebensecht, obwohl drei eher Puppenformat haben. Gleich am Eingang steht Jenny. "Klapse" ist der Titel der Figur. Eine Frau mit wirren Haaren und gesenktem Blick sitzt in Zwangsjacke in einem Bett.

"Viele Vorurteile zum Thema Psychiatrie finden sich hier", sagt ärztlicher Direktor Prof. Dr. Maximilian Gahr beim Rundgang. Gitter, Scham, Angst, verrückt, Spritzen: Begriffe, die viele mit Psychiatrie verbinden. Martina Ackermann macht auf die gekritzelten Botschaften auf dem Bettrahmen aufmerksam. "Keiner hört mir zu", zum Beispiel. Oder: "Du bist denen doch egal". Bezirkstagspräsident Stefan Funk hofft, dass viele Besucherinnen und Besucher kommen werden. Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen sei wichtig. Es sei aber auch wichtig, das Schloss mit den Bezirkskliniken als Teil von Werneck zu sehen. Dazu könne die Ausstellung beitragen.

Die Figuren von Jana Merkens sind faszinierend. Da ist Günther. Er sitzt in einem mit Flüssigkeit gefülltem Weinglas. Er ist im wahrsten Sinn des Wortes in seiner Abhängigkeit gefangen. Sarah mit dem verzweifeltem Blick und den Wunden an den Armen hält einen Igelball. Markus und Patricia sitzen jeweils vor einem Teller mit Essen. Er fragt sich, ob er satt wird, sie ekelt sich. Und da ist noch Opa Erwin mit dem verlorenen Blick. Er steht für Demenz. Sein Gebiss hat er in der Brusttasche, er geht mit einer Gießkanne spazieren, in der eine Zahnbürste steckt. Das rührt an.

Wie fühlt es sich an, eine Depression zu haben? Wer das wissen will, kann sich eine schwere Weste überziehen, sich Schallschutz-Kopfhörer aufsetzen und sich so vor eine Milchglas-Wand stellen. Auf den Schultern drückt eine Last, man ist abgeschnitten von allem, nichts dringt zu einem durch. Eine Erfahrung, die sehr betroffenen macht. An den anderen Mitmach-Stationen lässt sich ausprobieren, wie sich die Wahrnehmung durch Alkohol verändert oder wie verloren sich ein dementer Mensch fühlt.
Heilung und Hilfe wichtige Aspekte
Martina Ackermann ist es aber auch wichtig, das Positive zu zeigen. Klapse, das steht auch für Heilung, für Hilfe. Das zeigen Botschaften von ehemaligen Patientinnen und Patienten. "Für mich war es die Chance, wieder am Leben teilhaben zu können, wieder Freude und Glück zu empfinden, wieder selbständig zu leben", steht auf einem der Kärtchen.
Die Ausstellung Kunst und Psychiatrie läuft bis Februar. Sie ist im C-Bau der Psychiatrie in Werneck zu sehen. Gleich hinter dem Oegg-Tor nach links durch den Torbogen. Die Besucher werden um eine Spende gebeten, das Geld wird gespendet. Die Öffnungszeiten: Sonntag von 14 bis 17 Uhr oder nach Anmeldung (bevorzugt Gruppen ab zehn Personen). Die Ausstellung will auch Schulklassen ansprechen. Anmeldung bei Martina Ackermann, E-Mail: martina.ackermann@kh-schloss-werneck.de oder telefonisch (0176) 62586620.