Es steht einiges auf dem Spiel – anders lassen sich die Zeichen, die derzeit aus den Schweinfurter Industriebetrieben gesendet werden, nur schwer deuten. Seit Wochen warnt Unterfrankens größte Gewerkschaft IG Metall eindringlich vor dem Wegfall tausender Arbeitsplätze in der Schweinfurter Industrie und der Verlagerung örtlicher Produktionsstätten und der Forschung ins Ausland.
Auf einer Pressekonferenz erklärten die Bevollmächtigten der IG Metall Schweinfurt, Thomas Höhn und Reiner Gehring, zusammen mit mehreren Betriebsratsvorsitzenden. "Alle Unternehmen, alle Konzerne haben [...] in den vergangenen Monaten einen Arbeitsplatzabbau durchgeführt, haben ihn angekündigt, stellen Zukunftsinvestitionen und vor allem auch Neuansiedlungen von Produkten der nächsten Generation infrage", sagte Höhn.
Unternehmen in Schweinfurt in strukturellen Schwierigkeiten
Wie kritisch die Situation für viele Unternehmen derzeit sei, zeige ein Blick auf die jüngsten Entwicklungen innerhalb der lokalen Betriebe. Laut der Arbeitnehmervertreter droht am ZF-Standort Schweinfurt der "Abbau von mehr als 2000 Arbeitsplätzen". Konkret fürchtet die IG Metall bei ZF ein mögliches Ende der Fertigung für Elektromobilität in Schweinfurt. Werksleiter Manfred Süß hatte dem bereits widersprochen und gegenüber der Redaktion erklärt, dass keine derartigen Pläne auf dem Tisch liegen.

Die IG Metall verweist auch auf die Situation in anderen Unternehmen. So wurden bei SKF in den vergangenen 18 Monaten bereits 500 Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut. Gegenüber der Redaktion hatte der Konzern bestätigt, bis Ende 2025 weitere 400 Stellen abbauen zu wollen. Laut dem Betriebsratsvorsitzenden Norbert Völkl baue man bei SKF zudem aktuell Überstunden ab, was als Vorbereitung auf eine mögliche Kurzarbeit zu deuten sei.
Auch der Automatisierungs- und Lineartechniker Bosch Rexroth kündigte kürzlich einen sozialverträglichen Abbau von bis zu 240 Stellen am Standort Schweinfurt mit Werksteil Volkach an. "Als Arbeitnehmervertreter kämpfen wir um den Erhalt jeden Arbeitsplatzes", bekräftigt der Vorsitzende des Betriebsrats, Sebastian Schierling.

Neben SKF und Bosch Rexroth leidet offenbar auch Schaeffler in Schweinfurt zunehmend unter der sinkenden Auslastung. Laut der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Petra Blumenau hat der Konzern jüngst ein Freiwilligenprogramm gestartet, mit dem 50 Personen aus der Produktion ausscheiden sollen. "Die Zahl sollte ursprünglich weit höher liegen", so Blumenau.
Leiharbeit bei Schaeffler heruntergefahren
Um den Abbau deutlich zu reduzieren, sei für rund 700 Schaeffler-Beschäftigte in diesem Bereich bis Jahresende eine Arbeitszeitabsenkung auf 32 Stunden in der Woche vereinbart. Hinzu komme, dass ein Großteil der Befristungs- und Leiharbeiterverhältnisse nicht verlängert werden soll. Laut Blumenau betreffe das rund 100 Stellen in Schweinfurt. "Aus unserer Sicht ist es wichtig, den Produktionsstandort und die Industriesparte zukunftssicher auszurichten", bekräftigt sie.

Bei Valeo in Bad Neustadt an der Saale verlieren bis Ende Juni 310 der 510 Beschäftigten im Elektromotorenwerk ihren Job. Laut IG Metall wird die Produktion nach Polen verlagert. Der Anfang Februar beschlossene Interessensausgleich sehe zudem die Stilllegung des Musterbaus sowie weiterer Bereiche vor.
Betriebsräte beklagen mangelnde Investitionen in Schweinfurt
Neben dem Abbau von Arbeitsplätzen kritisieren Betriebsräte wie Sebastian Schierling auch die ausbleibenden Investitionen der Konzernführungen hierzulande. Laut Schierling wäre allein bei Bosch Rexroth ein höherer zweistelliger Millionenbetrag an Investitionen am Standort nötig.
Eine aktuelle IG Metall-Umfrage unter Betriebsräten von bundesweit 2596 Firmen bekräftige seine Ansicht. Demnach seien die Arbeitnehmervertreter der Meinung, Unternehmen investierten in Deutschland zu wenig in die Zukunft. Besonders deutlich äußern sich hierzu, so Schierling, die Betriebsräte in der Region Schweinfurt-Main-Rhön: Laut der Befragung investieren über 50 Prozent der Betriebe zu wenig in die Standorte.

In über 27 Prozent der Fälle beklagen Betriebsräte laut IG Metall sogar "deutlich zu wenig" Investitionen. 44 Prozent der Betriebsräte in der Region Schweinfurt-Main-Rhön sehen ein "hohes" oder "eher hohes" Verlagerungsrisiko von Beschäftigung ins Ausland. Genannt werden neben der Produktion insbesondere auch Forschung und Entwicklung, so die Gewerkschaft.
Etwa die Hälfte der Betriebsräte gibt für Schweinfurt und Umgebung an, dass neue Geschäftsfelder bereits im Ausland statt am Standort Deutschland aufgebaut würden oder, dass dies konkret geplant sei. Die Umfrage repräsentiert rund 27.000 Beschäftigte aus der Metall- und Elektroindustrie in der Region. Statt die gegenwärtigen Herausforderungen aktiv anzugehen, stellten Unternehmen vermehrt Beschäftigung infrage, resümiert die IG Metall.

Ihr Erster Bevollmächtigter Thomas Höhn erhebt klare Forderungen gegenüber den Konzernmanagern. "Wir verlangen von den Unternehmen ein klares Bekenntnis zu den Standorten in der Region." Der Erfolg der vergangenen Jahre fuße im Wesentlichen auf den Menschen hier, die mit Know-how, Erfahrung, Einsatzbereitschaft und Lebenszeit zum Erfolg ihrer Unternehmen beigetragen haben.
IG Metall appelliert an Verantwortung und Moral von Unternehmen
"Wir erwarten von den Unternehmen, dass sie Entscheidungen für die Zukunft transparent und unter Beteiligung der Beschäftigten diskutieren", verdeutlicht Höhn. Als Arbeitnehmervertreter wolle man künftig mehr Mitbestimmung bei der Vergabe von Neuansiedlungen, von Investitionen und Beschäftigung in Deutschland.
Von der Politik fordert Thomas Höhn verlässliche Rahmenbedingungen. "Statt Schuldenbremse und Sparpaketen brauchen wir einen Staat, der Industrie- und Beschäftigungspolitik sowie Klimaschutz zusammen denkt. Jetzt sind ambitionierte öffentliche Investitionen notwendig – in die Infrastruktur, in erneuerbare Energien, in Zukunftsfelder wie Wasserstoff."

Für mehr private Zukunftsinvestitionen in den deutschen Betrieben fordert die IG Metall außerdem gezielte und zugleich konditionierte Förderungen, die Investitionsanreize mit Beschäftigungssicherung, Standortgarantien, Tarifbindung und den Kriterien guter Arbeit verknüpfen.
Mehrere Tausend Demonstrierende am 18. April in Schweinfurt erwartet
Um ein Zeichen zu setzen, ruft die IG Metall deshalb am 18. April, um 10.30 Uhr, zu einer Kundgebung auf dem Schweinfurter Marktplatz auf. Ziel sei es, die Unternehmen auf ihre Verantwortung für die Beschäftigten und die Region erinnern. "Betriebswirtschaftliche Logik ist nicht das einzige Stellenmaß, an dem Zukunftsinvestitionen geklärt werden könnten", so Höhn.