Ein Freund der Stadttaube zu sein, kann in Schweinfurt ein teures Vergnügen sein: 159 Euro Strafe inklusive Gebühren bekamen zwei Bürger vom Ordnungsamt aufgebrummt, weil sie gegen das Fütterungsverbot der Tauben verstießen und diesen Körner gaben.
Aus Sicht dieser Bürger und der Stadttaubenhilfe "White Angels" leiden die Tauben – wegen des Winters gibt es ohnehin weniger Futter auf den Straßen und Plätzen, außerdem kommt der Corona-Lockdown erschwerend hinzu. Kein Weihnachtsmarkt, keine offenen Geschäfte, keine offenen Restaurants – nicht mal mehr Krümel gibt es auf der Straße. Dafür jede Menge Streit, auch im Stadtrat.
Kritik an harter Haltung des Schweinfurter Rathauses
Denn der ist in der Frage, ob den Tauben nun dringend zu helfen ist oder nicht, gespalten. Initiiert von Ulrike Schneider (Zukunft./ödp) reichten sie sowie SPD, Linke, Freie Wähler und Grüne einen Eilantrag ein, durch den eine Lockerung des Fütterungsverbotes während der Pandemie, ein Zuschuss für die Taubenhilfe und der Bau eines Taubenschlages gefordert werden.

Weil sie sich über die harte Haltung der Verwaltung und des Oberbürgermeisters, aber auch der anderen Fraktionen bei dem Thema ärgerten, sammelten Ralf Hofmann, Stefan Labus, Ulrike Schneider und Frank Firsching nun Geld, damit der Verein "White Angels" den Betroffenen beim Bezahlen der Ordnungswidrigkeit unter die Arme greifen kann.

Im Stadtrat gab es einen Streit zwischen Ulrike Schneider, die sich leidenschaftlich für den schnellen Bau eines Taubenschlags und Hilfe für die Tauben, aber auch Anerkennung der Arbeit der Stadttaubenhilfe, einsetzte, und Umweltreferent Jan von Lackum. Dabei wollten Verwaltung und die Kritiker ihres Kurses im Grunde die gleiche Lösung, nur unterschiedlich schnell.
Warum ein Taubenschlag die Probleme lösen würde
Besonders Jan von Lackum versucht schon lange, einen Standort für einen betreuten Taubenschlag in der Innenstadt zu finden. Der wäre die Lösung, denn dort würden wie in anderen Städten (Würzburg oder Gerolzhofen) die Tauben leben, gefüttert und die Eier durch Gipseier getauscht, damit die Population kontrolliert werden kann.
Ulrike Schneider hatte im Herbst 2019 und im April 2020 zu Beginn des ersten Lockdowns sich bereits für die Stadttauben eingesetzt, war aber jeweils mit ihren Anträgen gescheitert. Von Lackum schlug im Herbst 2019 einen Taubenschlag im Dach des Friederike-Schäfer-Heimes vor, das zentral in der Innenstadt liegt. Das Gesundheitsamt hatte damals ausdrücklich betont, dass es keine Bedenken habe, wenn der Schlag betreut werde. Die Stadttaubenhilfe hat dafür, auch jetzt wieder, ausdrücklich ihre Hilfe angeboten.

Allerdings hatte von Lackum 2019 die Rechnung ohne den aufziehenden Kommunalwahlkampf gemacht. CSU-Fraktionschef Stefan Funk erkannte in der damaligen Sitzung sofort, dass sich die Christsozialen in einem hitziger werdenden Wahlkampf mit einem Taubenschlag im Dach des Friederike-Schäfer-Heimes beim Wähler keinen Gefallen tun, und lehnte das ab. Der Neubau des Heimes am Martin-Luther-Platz ist mittlerweile komplett zu den Akten gelegt, war aber ein hitzig diskutiertes Thema im Wahlkampf.

Den Tauben half das wenig, denn in der Standortfrage für einen Schlag ging es nicht weiter, was aber auch daran lag, dass das Ordnungsamt wegen der Corona-Pandemie andere Schwerpunkte setzte. Das Ergebnis der Beratungen am Dienstag war nun verwirrend: Das Fütterungsverbot bleibt, auch weil Stadträte, die erst für die Abschaffung waren, dagegen stimmten.

Einen Zuschuss bekommt die Taubenhilfe auch nicht, muss weiter rund 500 Euro pro Monat selbst finanzieren, um Futter zu kaufen und die geschwächten und teilweise verletzten Tauben, die man im Moment nahezu täglich findet, zum Tierarzt zu bringen. Eine größere Mehrheit fand sich aber, dass die Verwaltung mindestens einen Standort in der Innenstadt für einen Taubenschlag findet. Ein Vorschlag dafür erfolgt bis zur Haushaltsberatung im November, damit der Stadtrat das in den Haushalt 2022 einbauen kann. Knapp genehmigt wurde die Idee von Adi Schön (Freie Wähler), kurzfristig am Main in der Nähe der Bootsschleuse eine Fütterungsmöglichkeit für die Tauben zu schaffen.
Allerdings gestaltet sich das laut Informationen dieser Redaktion schwieriger als angenommen: Die Vogelgrippe macht einen Strich durch die Rechnung, es braucht wohl einen anderen Standort, der im Moment aber offen ist.
"Wir bringen keine Tauben um und wir verstoßen mit dem Fütterungsverbot nicht gegen das Tierschutzgesetz."
Umweltreferent Jan von Lackum.
Der Kern des Streits dreht sich um die Frage, ob Tauben verwilderte Haustiere sind oder Wildtiere, die man nicht füttern muss. Jan von Lackum verwahrte sich gegen Vorwürfe, man habe kein Herz für die Tiere: "Wir bringen keine Tauben um und wir verstoßen mit dem Fütterungsverbot nicht gegen das Tierschutzgesetz."
Es sei "falsch, dass der Lockdown Taubenleben gefährdet" und "falsch, dass Tauben sich nicht selbständig Futter suchen." Der Umweltreferent warnte eindringlich davor, das Fütterungsverbot aufzuheben. Von Lackum und Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) verwiesen auf ein Gutachten des staatlichen Veterinäramtes am Landratsamt.
Veterinäramt: "Stadttauben sind Wildtiere"
Dort wird ein Zusammenhang zwischen dem Lockdown und hungernden Tauben verneint. Ein Taubenschlag sei unter Einbindung engagierter Tierschützer der richtige Weg. Außerdem: "Stadttauben sind Wildtiere, die sich an den Lebensraum Stadt angepasst haben." Wenn sie nicht gefüttert würden, flögen sie aufs Land und ernährten sich auf den Feldern.
Ulrike Schneider bestritt zum Unbill des OB diese Ausführungen des Veterinäramtes, verwies auf zahlreiche anderslautende Studien, die eine Notwendigkeit des Fütterns sehen. Außerdem seien die Tauben verwilderte Haustiere, was rechtlich relevant ist: Wenn ein Gericht das tatsächlich feststellte, müsste die Stadt tierschutzrechtlich anders handeln.