Es ist der 26. März 2024, früher Nachmittag. Am Georg-Wichtermann-Platz in Schweinfurt trifft man sich, es wird getrunken. Wie so oft schon zuvor. Dann bricht ein Streit aus, zwischen einer Frau und zwei Männern. Eine Schlägerei, von der es zehn Monate später vor dem Landgericht Schweinfurt mehrere Versionen geben wird. Was feststeht: Am Ende ist einer der Männer schwer verletzt, hat mehrere Frakturen im Gesicht und ein gebrochenes Sprunggelenk.
Doch was ist davor passiert? Vor Gericht muss sich seit Anfang Januar ein 37-jähriger Schweinfurter verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm gefährliche Körperverletzung, unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln und Beleidigung vor. Angezeigt wurde der Mann nicht etwa von dem 39-jährigen Verletzten oder dessen Ex-Partnerin, sondern von dem Vorgesetzten eines Polizeibeamten, den er nach seiner Festnahme beleidigt haben soll.
Angeklagter erzählt andere Version des Ablaufs
Die Beleidigung gibt der Angeklagte vor Gericht gleich zu, und auch, dass er Drogen dabei gehabt habe. Die Schlägerei allerdings sei anders gewesen: Ja, er habe in die Richtung der Frau gespuckt, gibt der 37-Jährige zu. Weil sie ihn und ihren damaligen Partner beleidigt haben soll. Der erste Schlag allerdings sei dann von dem 39-Jährigen ausgegangen, der seine Partnerin habe verteidigen wollen. Dann habe man sich geprügelt, jemand habe dem Angeklagten die Kapuze über den Kopf gezogen und ihm ins Gesicht geschlagen.

Einige Zeit nach der Schlägerei sei ihm aufgefallen, dass er seinen Schlüssel im Gerangel verloren habe, weshalb er zum Georg-Wichtermann-Platz zurückgekommen sei, schildert der Angeklagte seine Version. Der 39-Jährige sei dann zu ihm gekommen und habe reden wollen, am Fischersteig. Dort habe der 39-Jährige ihn "direkt geschlagen". Mit den Füßen habe er sich aus dem Griff des 39-Jährigen, der zwischenzeitlich zu Boden gegangen war, lösen wollen. "Ich habe nie draufgetreten. Ich weiß, wenn ich das machen würde, was dann passieren würde", beteuert er.
Zeugin: Alle hätten Angst vorm Angeklagten gehabt
Während ein Kumpel des Angeklagten, der an dem Tag auch mit dabei gewesen sein soll, die Version des 37-Jährigen bekräftigt, klingt die des 39-Jährigen und dessen Ex-Partnerin ganz anders: So sei der erste Schlag vom Angeklagten ausgegangen. Ihr damaliger Partner habe sich kaum gewehrt, sagt die Frau vor Gericht. Der Angeklagte habe ihren Ex-Partner als "Hündchen" benutzt. Und überhaupt hätten alle Angst vor dem 37-Jährigen gehabt.
Beim zweiten Zusammentreffen am Fischersteig, bei dem der Angeklagte und der andere Mann alleine waren, habe er "direkt auf mich eingeschlagen", sagt der 39-Jährige selbst vor Gericht. Anschließend auch "mit Bein und Füßen" auf ihn eingetreten. "Ich konnte nichts machen."
Die Version mit den Tritten bekräftigen auch Zeuginnen und Zeugen, die aus ihren Wohnungen das Geschehen am Fischersteig beobachten konnten. Der Angeklagte habe "aus dem Nichts" auf den 39-Jährigen eingeschlagen, berichtet ein Zeuge. Der habe sich nicht wehren können, sei fast regungslos gewesen. "Auf keinen Fall" sei der Angeklagte festgehalten worden.
Verletzungen können nicht nur durch Fäuste entstanden sein
Die Verletzungen des 39-Jährigen "können nicht nur durch Fäuste entstanden sein", sagt eine Rechtsmedizinerin vor Gericht. Die Schürfwunden im Gesicht müssten durch eine raue Oberfläche entstanden sein. Ein Schuhprofil könnte solche Abschürfungen erklären. Insgesamt habe es eine "hohe Intensität der Gewalteinwirkung" gegeben, die mit den massiven Tritten, die die Zeugen gesehen haben wollen, in Einklang zu bringen sei.

Im Vorstrafenregister des Angeklagten finden sich elf Vorstrafen, er war im Gefängnis, wegen seiner Drogensucht auch zweimal im Maßregelvollzug. Es sei "ein klares Muster an Taten unter dem Einfluss von Substanzen" zu erkennen, sagt ein psychiatrischer Sachverständiger und spricht von einem "desaströsen Bild". Es sei zu erwarten gewesen, dass er nach der letzten Haftentlassung Ende 2023 rückfällig und ein erneutes Körperverletzungsdelikt begehen wird.
Der Angeklagte leide unter einer Abhängigkeit von Alkohol und Opiaten. Am Tattag habe eine Mischintoxikation vorgelegen. Seine Einsichtsfähigkeit sei gegeben, sagt der Gutachter. Angesichts der drei Substanzen müsse er allerdings massiv beeinflusst gewesen sein, weshalb von einer "deutlich verminderten Steuerungsfähigkeit" auszugehen sei. Was die Zukunft des Angeklagten und eine mögliche erneute Unterbringung in einem forensischen Krankenhaus angeht, zeigt sich der Gutachter skeptisch. Aus seiner Sicht sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit" zu erwarten, dass ein erneuter Maßregelvollzug keinen Erfolg haben werde.
Die Verhandlung wird am 20. Januar fortgesetzt.