Die Warnweste ist Vorschrift. Vorarbeiter Werner Fick nimmt mich und Fotograf Anand Anders mit auf Erkundung in das Abfallwirtschaftszentrum des Landkreises. Da wir die längeren Strecken auf dem elf Hektar großen Areal mit dem Auto des Bereitschaftsdienstes bewältigen, kommen wir in nur drei Stunden zu der Erkenntnis, dass die Rothmühle mit Wertstoffhof, Müllumladestation samt Sperrmüllverkleinerung, Altholzlagerplätzen, Erdaushub- und Bauschuttdeponien, Kreismülldeponie (seit 2005 nicht mehr für Hausmüll), Sickerwasserreinigung, Kompostierung, Biomüllvergärung und Photovoltaikanlagen keine Deponie im herkömmlichen Sinn ist, sondern ein Unternehmen mit dem Ziel, die Umwelt zu schützen.
Täglich 1500 Tonnen Abfall
Treffpunkt ist die „Zentrale“, wie Fick das Häuschen für den Mann an den zwei jeweils 20 Meter langen Waagen nennt. Beladen und entladen werden Autos, Hänger, Laster. Bezahlt wird nach der Art des Mülls und nach Gewicht. Auch schaut der Wiegemeister nach der Kfz-Nummer und führt eine Sichtkontrolle durch. Die Stammkundschaft wiegt sich per Barcode selbst ein.
In der Zentrale hat an diesem Vormittag Roland Dienst. Er sagt, wo welche Abgabestation zu finden ist. Bis zu 130 Fuhren oder auch 1500 Tonnen Material werden an normalen Tagen (Montag mit Freitag von 8 bis 16 Uhr) verwogen. Kommt Bauschutt von einer Großbaustelle, schnellen die Zahlen hoch. Als die Altlast Schonungen zur Deklarationshalle gekarrt wurde, bescherte diese Ausnahmesituation zusätzliche 100 000 Tonnen binnen zwölf Monaten.
Zwei Wertstoffhöfe
Wertstoffhöfe hat der Landkreis einen kleineren in Gerolzhofen und den großen am Abfallwirtschaftszentrum. Der Wertstoffhof an der Rothmühle hat eine eigene Zufahrt und ein eigenes Bürohäuschen. Papier, Pappe, Kleidung, Metalle, aber auch Gartenabfälle, Sperrmüll, Fernseher, Computer und Kühlschränke können kostenfrei angeliefert werden. Für Bauschutt, Gipsplatten und vieles mehr gibt es eine Preisliste. Sondermüll wird in Gerolzhofen nicht angenommen, bei der Rothmühle teilweise, etwa Leuchtstoffröhren, Batterien, Altlacke, Farben und Nachtspeicheröfen. Außerdem verkauft der Wertstoffhof Rindenmulch sowie eigenerzeugten Kompost und Mutterboden. Vorbei an Tankstelle und Wirtschaftsgebäude erreichen wir die Maschinenhalle und die drei Motoren (mit 190, 360 und 400 Kw-Leistung), die mit dem Deponiegas und dem Gas aus der Biogasanlage Strom erzeugen.
Die Rothmühle ist dank Deponiegas, Biogas und Solarstrom Selbstversorger. Sobald die Einspeisung ins Netz mit den zwei weiteren Motoren der Biogasanlage optimiert ist, wird man Strom nur noch zu Spitzenzeiten abgeben.
Überwachung rund um die Uhr
Die Sickerwasseraufbereitung an der Deponie arbeitet mit einer biologischen Reinigung und mit Filtern, ehe das Abwasser zum Schweinfurter Klärwerk geschickt wird. Das verbleibende Konzentrat wird auf die Deponie gebracht, um die Gasproduktion zu beschleunigen, oder im Schweinfurter Gemeinschaftskraftwerk verbrannt. Überwacht werden Gas- und Stromproduktion rund um die Uhr. Notfalls erfolgt eine Selbstabschaltung. Nach Feierabend und am Wochenende kommt im Falle eines Falles der Bereitschaftsdienst. Im Sozialgebäude für die 26 Mitarbeiter ist zwischen Weiß- und Schwarzbereich getrennt. In den Duschen und an den Waschbecken gibt es Seife, Handwaschpaste, Desinfektionsmittel und Creme. Draußen gibt es Vögel, „oft viele Vögel“, sagt Fick. Seit der Hausmüll nicht mehr auf die Deponie kommt und der Biomüll gesondert behandelt wird, sind die Möwen verschwunden, die Krähen nicht. Zweimal im Jahr sind Schafe auf der Deponie und stutzen das Gras.
26 Mitarbeiter
Ähnlich wie im Wertstoffhof, jedoch in einer anderen Dimension, sind auf der Deponie Flächen für belastetes und unbelastetes Holz, Bauschutt, Metalle oder Sperrmüll angelegt. Die Materialien werden getrennt, weiterverarbeitet oder thermisch genutzt – also im Schweinfurter Gemeinschaftskraftwerk verbrannt, wobei Sperriges vor dem Abtransport zerkleinert wird. Kleinere Grünabfälle werden kompostiert, größere verbrannt.
Die Fahrt mit Werner Fick im Dacia Duster ganz nach oben auf die Deponie erinnert an eine Teststrecke für Mountainbiker, führt an dem Mülllager für das GKS (Zwischenlager, etwa bei Revision in der Müllverbrennung) vorbei. Auf die ehemalige Hausmülldeponie (Eröffnung vor genau 30 Jahren) kommen heute nur noch Mineralwolle, Gipsplatten, Eternitplatten, belasteter Bauschutt und ebensolcher Boden. Von oben haben wir den Blick auf die Erweiterungsfläche, die längst gekauft ist, für die die Pläne gezeichnet sind.
Becken für das Sickerwaser
Auf der ehemaligen Hausmülldeponie sind die Sickerwasserbecken angelegt – als Puffer, falls kräftiger Regen die Kapazität der Reinigungsanlage überfordert. Kurz stoppt Fick an der Deklarationshalle, die für die Sattler- Altlast errichtet worden war und aktuell nicht genutzt wird. Hier unten sind auch die Kompostmieten zu finden und die Nachrottehalle. Bereits bestellt ist ein Windsichter, der Plastik aus dem Kompost sortieren wird. Die Mieten, die wöchentlich umgesetzt werden, dampfen. Im Kompost herrschen um die 70 Grad, wenn der Sauerstoffgehalt stimmt. Zur Biogasanlage mit einem Durchsatz von jährlich 25 000 Tonnen gehören eine trockene und eine nasse Vergärung. Trocken wird behandelt, was größer als acht Zentimeter ist. dieser Abfall kommt in einen der acht Fermenter. Das entweichende Biogas wird für die Stromerzeugung genutzt. Anschließend wird der Bioabfall kompostiert.
Biogas aus den Reaktoren
Bei der nassen Vergärung wird die Feuchtigkeit aus den Abfällen gepresst. Die so gewonnene Brühe wird hygienisiert, ehe in den Reaktoren das Biogas entweicht. Anschließend kann die Nassfraktion auf Felder als Dünger aufgebracht werden. Die angefallenen Feststoffe kommen in die Kompostierung.
Auf der Rückfahrt zur „Zentrale“ spricht der Vorarbeiter nicht mehr über die Technik, sondern über die Mannschaft. Natürlich sei jeder für seine Aufgabe qualifiziert. Doch auf der Rothmühle sei man ein gutes Team, da passe jeder, weshalb die Mannschaft und das Unternehmen hervorragend funktioniere, sagt er.
Die Warnwesten sind längst abgegeben. Ich bin pünktlich zur Mittagskonferenz in der Redaktion. Doch keiner rümpft die Nase. Keiner fragt, wo ich war? Früher war das anders.