Das Thema Raubkunst ist aktueller denn je. Gerade erst wurden schwere Vorwürfe gegen die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen erhoben: Diese hätten rund 200 Werke aus ihrem Bestand als eindeutige Raubkunst identifiziert, diese Informationen aber nicht geteilt und auch keine Verfahren zur Rückgabe eingeleitet, so ein Bericht der Süddeuschen Zeitung.
Auch das Schweinfurter Museum Georg Schäfer ist immer wieder mit dem Thema konfrontiert. Die Überprüfung des Gemäldebestands, der als größte Privatsammlung deutscher Malerei des 19. Jahrhunderts gilt, wurde Ende 2019 abgeschlossen, nun liegt ein erster Befund zum Grafikbestand vor.

Als Raubkunst gelten "verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter", also Kunstwerke, die in der NS-Zeit ihren rechtmäßigen, meist jüdischen Besitzern durch Zwangsverkauf, Zwangsauktionen oder Beschlagnahmung genommen wurden.
Die Provenienzforscherin Sibylle Ehringhaus hatte festgestellt, dass 23 Gemälde in Schweinfurt als Raubkunst einzustufen sind. In vier Fällen habe die Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung bisher Einigungen mit den Erben der ursprünglichen Eigentümer erzielt, etwa im Fall des Porträts Martha Liebermann von Max Liebermann, sagt Museumsleiter Wolf Eiermann. Die Stiftung ist Eigentümerin der Sammlung mit 1000 Gemälden und 5000 grafischen Werken, die sie dem Museum unter städtischer Trägerschaft als Dauerleihgabe überlässt.

Rückgaben schließt die Stiftung weiterhin aus: Geltendes Recht lasse es nicht zu, das Vermögen der Stiftung zu schmälern, so Fritz Ritzmann, Enkel des Sammlers Georg Schäfer (1896-1975) und Vorsitzender der Stiftung. Das würde den Tatbestand der Untreue erfüllen. "Wir hoffen auf ein Entschädigungsgesetz. Erst dann können wir rechtssicher Werke gemeinsam mit den Nachfahren veräußern oder zurückgeben."
Bei 159 von 300 untersuchten Arbeiten ist über die Vorbesitzer nichts bekannt
Unerforscht war bislang der riesige Grafikbestand. Ein kleiner erster Schritt ist hier nun getan: Die Provenienzforscherin Johanna Weymann hat 300 Zeichnungen untersucht, die in den zwei Jubiläumsausstellungen zum 25-jährigen Bestehen des Museums vom 30. März bis 6. Juli und 12. Oktober bis 10. Januar 2026 gezeigt werden sollen.

Weymann hat die Bilder nach einem gängigen Ampelsystem von Rot ("eindeutig belastet") bis Grün ("unbedenklich") einsortiert. Grau steht für das Fehlen jeglicher Information. Dieses graue Feld ist - ebenso wie bei den Gemälden - das Größte: Bei 159 Arbeiten ist über die Vorbesitzer nichts bekannt. Das liege daran, dass die Ankäufe Georg Schäfers hauptsächlich im Münchner Kunsthandel in den 1950er und 1960er Jahren nicht fachgerecht dokumentiert und inventarisiert wurden, sagt Wolf Eiermann. "Das war zuerst eine Firmensammlung. Da hat in vielen Fällen lediglich die Sekretärin den Eingang vermerkt."
Nur eines der untersuchten Blätter ist "eindeutig belastet"
Johanna Weymann ist seit Mai 2023 mithilfe von Karteikarten, Auktionskatalogen, handschriftlichen Vermerken oder Zetteln, Sammlerstempeln und einschlägigen Datenbanken dennoch in einigen Fällen fündig geworden. Bei der Detektivarbeit tauchten immer wieder "Red-Flag-Names" auf, berichtet sie. Also Namen, die für problematische Ankaufspraktiken bekannt sind.
Ein solcher sei auch die Kunsthandlung Weinmüller, heute Neumeister, in München, räumt sie ein. Adolf Weinmüller (1886-1958), bei dem Georg Schäfer nach dem Krieg viel einkaufte, hatte im NS-Staat eng mit der NSDAP zusammengearbeitet und von den Berufsverboten gegen jüdische Kunsthändler profitiert.

Eindeutig belastet ist die Zeichnung "Südliche Landschaft mit Bauten" von Johann Wilhelm Schirmer (1807-1863). Das Blatt hatte der Münchner Galerie Heinemann gehört, die 1939 "arisiert" und zwangsübernommen wurde. Damit gilt es als "verfolgungsbedingt entzogen" und wird in der Jubiläumsausstellung nicht zu sehen sein.
Jedes Bild, das verliehen werden soll, wird nochmal untersucht
Als "belastet" gelten zehn Bilder, bei 113 gibt es Provenienzlücken zwischen 1933 und 1945. Und neun Arbeiten sind "Beutekunst", wurden also nach Kriegsende von Soldaten der Alliierten gestohlen und später zurückgegeben. Lediglich acht von 300 Arbeiten konnte Johanna Weymann das grüne Siegel "unbedenklich" verleihen.
Dass weitere Fälle von Raubkunst festgestellt werden, sei keineswegs ausgeschlossen, sagt Wolf Eiermann. "Der Wissensstand ändert sich fortwährend, Provenienzforschung ist nie abgeschlossen." Die systematische Aufarbeitung des gesamten Bestands sei finanziell derzeit zwar kaum zu leisten, aber heute werde jedes Werk, das verliehen werden soll, neu überprüft. "Wir müssen unbedingt vermeiden, dass wir zum Beispiel ein Bild ins Ausland geben, dass dann dort Rückgabeforderungen erhoben werden und wir es nicht mehr zurückbekommen."