Dröhnender Artilleriebeschuss, ratternde Gewährsalven, zerstörerische Wassermassen aus dem gesprengten Staudamm Kachowka - Und inmitten dessen befindet sich ein Tierheim im russisch besetzten ukrainischen Gebiet Oleschky in der Oblast Cherson, mit hunderten in Not geratenen Hunden und Katzen. Es sind wahrlich verstörende Geschichten aus der kriegszerrütteten Ukraine, die Natascha Wothke, die zweite Vorsitzende des Schweinfurter Tierschutzvereins Pro Animale, im Gespräch berichtet.
Für sie und ihr Team war recht schnell klar: "Ja, wir helfen mit allem, was wir können". Und die Hilfe war dringend notwendig. Das stark vom Krieg betroffene Tierheim in Oleskhy liegt direkt zwischen den Fronten. Seit November 2022 stand das Tierheim unter täglichem Beschuss. Kriegskugeln verletzten und töteten Tiere. Für Tiere und Menschen eine Todeszone.
Als am Morgen des 5. Juni der Kachowka-Staudamm gesprengt wurde, rollten zerstörerische Wassermassen auf das Tierheim zu. Die dortige Tierheimleiterin und Tierschützerin Angelina Rybchenko handelte schnell, um die Tiere des Tierheims zu retten. Sie organisierte mit Helfern ein kleines Boot, das jedoch beim Versuch, die Tiere zu evakuieren, sank. Rybchenko ist beinahe selbst bei diesem Versuch ertrunken, erzählt sie.
Tierschützer setzen eigenes Leben aufs Spiel
Doch dann gelang ihr mit russischen und ukrainischen Tierschützern das Unmögliche: Entlang des Artilleriefeuers, trotz Schwierigkeiten an Soldatenposten, schafften sie es, Hunderte Hunde und Katzen aus der Todeszone zu retten. Aber nicht alle Tiere hatten Glück und überlebten.

Die Sprengung des Staudamms war der Super-Gau für die Tierschützer. "Es war die größtmöglich vorstellbare Katastrophe", so Wothke über die Geschehnisse in Oleskhy. In dieser Zeit ging alles Schlag auf Schlag. Telefonate bis spät in die Nacht, Fragen über Leben und Tod. "Unter Beschuss zu sein im Kriegsgebiet und dann von einer schweren Flutkatastrophe heimgesucht zu werden - schlimmer kann man es sich nicht vorstellen", resümiert die Tierschützerin.
Allein die Überfahrt sei ein Kraftakt gewesen. Die Fahrer des Tierschutztransports mussten aufwendig über das russisch besetzte Gebiet, über die Krim und Belarus bis nach Polen fahren. "Es war für die Fahrer ein Himmelfahrtskommando, weil sie die viele Checkpoints mit schwerbewaffnetem russischem Militär passieren mussten. Es war für die Fahrer und Tiere ein lebensgefährlicher Transport", verdeutlicht die Schweinfurterin. Eine Mammutaufgabe, die in letzter Minute doch noch gut ausgegangen ist.

Nach der dramatischen Evakuierung lebt Rybchenko nun bei ihrer Tochter in Polens Hauptstadt Warschau. Der Tierschutzverein Pro Animale, mit Sitz an der Schweinfurter Wehr, hat drei der Evakuierungen finanziert. Der Verein ist eine seit 1985 tätige gemeinnützige internationale Tierschutzorganisation. Die Arbeit erstreckt sich über fünf europäische Länder und die Türkei.
Pro Animale versorgt täglich an die 3800 Tiere
Pro Animale versorgt täglich an die 3800 Tiere in 25 Tierschutzeinrichtungen. Obwohl der Verein viel Erfahrung mit Tieren in Not besitzt, sind die Ereignisse in der Ukraine eine belastende Aufgabe. Die Quarantäneunterbringung, die tiermedizinische Versorgung als auch die Übernahme von Hunden und Katzen – alles ging auf Kosten von Pro Animale. Der Verein nahm 205 Hunde und 21 Katzen aus dem ukrainischen Tierheim in seine Obhut. Eine Herkulesaufgabe.
"Wir sind keine finanzschwere Organisation. Dadurch, dass wir täglich über 3800 Tiere und annähernd 500 Pferde zu versorgen haben, haben wir schon eine sehr hohe finanzielle Belastung monatlich zu stemmen", erzählt die Tierschützerin. Die überlebenden und schwer traumatisierten Hunde und Katzen werden im Anschluss in die vereinseigenen Tierherbergen gebracht, damit sie sich dort von den Kriegsschrecken erholen. Für den Verein ist das im Moment aber nicht der einzige finanzielle Schicksalsschlag.

In Italien betreibt Pro Animale ebenfalls ein Tierschutzprojekt. Am 24. Juni verwüstete eine sogenannte Regenbombe das Anwesen des Vereins. Zwei alte Schweine und einige Hühner haben diese Naturkatastrophe nicht überlebt. Der Schaden, der auf dem Grundstück liegenden Versorgungsbrücke liegt bei 180.000 Euro, schätzt Wothke. "Pro Animale hat Tieren aus Flutkatastrophe geholfen und ist nun selbst Opfer einer geworden." Hochdramatisch für den Verein, sagt Wothke. Man benötige nun dringend Spenden, um den verursachten Schaden in Italien zu beheben und gleichzeitig die Versorgung der kriegsversehrten Tiere aus der Ukraine weiterhin zu gewährleisten.