Der vielfach ausgezeichnete Bühnenkünstler Tim Fischer gibt am Sonntag, 9. Februar, 19.30 Uhr mit seinem Georg-Kreisler-Programm „Das war gut!“ sein Schweinfurt-Debüt im Theater. Fischer, Jahrgang 1973, ist derzeit mit seinem Jubiläumsprogramm „Geliebte Lieder“ auf Tour, mit dem er 25 Jahre auf der Bühne feiert. In Schweinfurt ist der Abend den wahnwitzig brillanten Chanson-Perlen des Königs des schwarzen Humors, Georg Kreisler (1922–2011), gewidmet. Am Flügel von seinem Partner Rüdiger Mühleisen begleitet, erweckt Fischer die Figuren zum Leben und kitzelt die absurde Komik aus den sprachgewaltigen Texten. Fischer organisierte schon mit 15 Jahren Auftritte, bei denen er Chansons von Zarah Leander, Marlene Dietrich und Lale Andersen sang. Mit 17 feierte er in Hamburg auf der Reeperbahn mit dem Programm „Zarah ohne Kleid“ Erfolge. Ab 1992 entstanden in Berlin weitere Chanson-Programme mit Songs von Rainer Werner Fassbinder, Wolf Wondratschek, Hans Magnus Enzensberger, Bertolt Brecht, Hanns Eisler, Kurt Weill oder Friedrich Hollaender. In Kreislers Musical „Adam Schaf hat Angst“, das 2002 am Berliner Ensemble uraufgeführt wurde, spielt Tim Fischer die Hauptrolle. 2006 wurde das Stück am Hamburger Schmidt Theater von Kreisler selbst neu inszeniert.
Frage: Tim Fischer und Georg Kreisler – wie sind Sie einander begegnet?
Tim Fischer: Das war in München vor vielleicht 15 Jahren. Da sagte er zu mir: „Tim, mir gefallen Deine Interpretationen meiner Lieder so gut, wollen wir nicht befreundet sein?“ Das war für mich eine große Freude. Er hat mir dann das Du angeboten, aber ich habe es ganz lange nicht geschafft, ihn zu duzen. Vor lauter Respekt und Ehrfurcht.
Ihre ersten Programme waren Göttinnen wie Zarah Leander, der Dietrich oder der Knef gewidmet. Georg Kreisler ist da der entferntestmögliche Gegenpol – der selbst ernannte Underdog, der Stänkerer, der immer ein bisschen verkatert wirkte.
Fischer: Man muss sehen: Knef oder Dietrich sind ganz eigenständige Künstlerinnen gewesen, auch wenn man sie immer wieder als Göttinnen in einen Topf schmeißt. Die Knef zum Beispiel hat ja ihre Texte größtenteils selbst geschrieben. Sie war eine sehr, sehr intelligente Frau, die Gefühlswelten in Worte fassen konnte. Kreisler gefällt mir so sehr, weil er eine Wahnsinns-Aussage hat und das Können, das mit unglaublichen Stimmungen zu verbinden. Er ist ja Komponist und Texter in einem und war natürlich sein bester Interpret. Seine Aussagen sind meistens gegen den Strich gebürstet. Nichts für Herdenmenschen, sondern für Menschen, die irgendwo Auswege suchen und sich nicht mit der großen Masse identifizieren können.
Als Wiener ist er auch Vertreter einer gewissen Dekadenz und Morbidität. Sie aber sind jung und sprühen vor Energie – wie passt das zusammen?
Fischer: Der jüdisch-wienerische Humor, der in seinen Liedern anklingt, der ist einfach zum Niederknien. Er ist direkt, kann auch ganz bösartig sein. Aber natürlich immer nur, um das Liebevolle zu bewirken. Das ist das Tolle. Er lässt seine Figuren einfach quatschen und man sieht förmlich, wie sie sich die Maske vom Gesicht reißen. Es gibt verschiedene Ebenen in den Liedern – man kann als Interpret in Rollen schlüpfen, und man sollte ein bisschen singen können. Gemeinsam mit dem Pianisten auf der Bühne diese Welten zu zaubern, das macht richtig Freude.
Wir Deutschen schauen ja gerne auf das miefige, filzige Österreich herab. Und gaukeln uns gerne vor, dass bei uns alles sauber und korrekt läuft. Nun stellt sich heraus, dass das nicht ganz stimmt – Steuerhinterziehung überall, Schwarzgeldkonten und so weiter – bekommt Kreisler mit seinen Anklagen sozusagen posthum auch für Deutschland Recht?
Fischer: Kreisler wurde oft als Kabarettist bezeichnet, hat sich selbst aber überhaupt nicht so gesehen. Er hat den Finger auf die Wunden gelegt und wurde dafür belächelt – sozusagen kleingelächelt. Aber er hat die Dinge beim Namen genannt. Er hat nie etwas mit Politikern anfangen können – und das kriegen wir ja permanent gezeigt, dass man auch da immer nur beschissen und betrogen wird. Menschen, die dieses Gefühl haben, die sind im Konzert genau richtig.
Wie ist Ihr Ansatz als Interpret? Haben Sie eine oder mehrere Bühnenfiguren, aus denen heraus Sie agieren?
Fischer: Ich mache es aus mir heraus. Ich trete nicht mit einer Hornbrille auf. Das hat ihm auch nie gefallen. Er hat immer Interpreten gut gefunden, die ihr Eigenes dazu tun. Natürlich versuche ich das, was er gemeint hat, so gut wie möglich rüberzubringen. Aber natürlich mit einer persönlichen Note. Es ist auch von Abend zu Abend unterschiedlich. Man ist ja keine Maschine. Die Lieder wachsen mit der Zeit. Man gewinnt neue Blickwinkel.
Wie zeitlos ist Kreislers Kunst?
Fischer: Das Erstaunliche ist, dass sich ein Großteil des Repertoires immer wieder auf heute übertragen lässt. Das ist teilweise erschreckend, etwa wenn es um Tagespolitik geht. Da muss man dann nur den Politiker austauschen, und es stimmt wieder und wieder und wieder. Und dann gibt es die Lieder, die sich mit Zwischenmenschlichem befassen. Die sind sowieso vollkommen zeitlos.
Wie haben Sie die Auswahl für den Abend zusammengestellt?
Fischer: Zuerst wollte ich, dass das Publikum sich gut unterhalten fühlt. Ich will ja kein Lehrer sein, der eine Schulstunde über die Schlechtigkeit der Welt hält. Es sind sehr viele komische Lieder drin, auch sehr viele komische Liebeslieder. Und natürlich auch ein paar leise Lieder.
Sie sind ja mit Ihrem Jubiläumsprogramm „Geliebte Lieder“ auf Tour. Ist es da schwer, einfach einen Kreisler-Abend einzuschieben? Sie müssen das ja alles im Kopf haben.
Fischer: Nein, das ist nicht schwer, weil mich die Lieder von Kreisler schon sehr lange begleiten. Natürlich muss ich arbeiten. Die Lieder sind von den Gedankengängen her sehr virtuos, aber auch, was das Artikulieren angeht. Aber das Trainieren mache ich sehr gerne, weil ich es natürlich auch genieße, wenn das Publikum richtig Freude hat. Dafür lohnt sich der Einsatz.
Vorverkauf: Tel. (0 97 21) 51 49 55 oder 51 0 – Internet: www.theater-schweinfurt.de