Die Schweinfurter Großindustrie bangt nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine um ihre Mitarbeitenden vor Ort. "Wir sorgen uns sehr um unsere 1400 ukrainischen Kolleginnen und Kollegen in Lutzk", sagt SKF-Pressesprecher Holger Laschka. "Unsere Gedanken sind bei ihnen und ihren Familien." Man befinde sich mit der Werkleitung vor Ort im ständigen Kontakt und suche nach Möglichkeiten, die Belegschaft und die Bevölkerung vor Ort zu unterstützen.
SKF unterhält Handelsbeziehungen mit Unternehmen in beiden Ländern. In der Ukraine hat der schwedische Wälzlagerhersteller eine Verkaufsniederlassung in Kiew und ein Produktionswerk in Luzk, das zum Produktcluster des Deutschland-Chefs Martin Johannsmann gehört. Von dort werden Vorprodukte für die deutsche Fertigung in Lüchow und Schweinfurt bezogen.
In Russland gibt es ein kleines Werk in Twer und eine Verkaufsniederlassung in Moskau. Auch Rohstoffe wurden bislang aus Russland bezogen.
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am Donnerstagmorgen steht die Produktion im SKF-Werk in Lutzk still. Das Gros der Beschäftigten befinde sich zuhause, einige Mitarbeiter seien zum Militärdienst eingezogen worden, so SKF-Sprecher Laschka.
ZF: Täglicher Kontakt mit der Belegschaft in der Ukraine
"Mit großer Sorge" beobachtet auch Autozulieferer ZF die Lage in der Ukraine, so Konzern-Sprecherin Fabiola Wagner. Das knappe Dutzend Mitarbeiter dort gehört zu der auf Ersatzteile spezialisierten Division ZF Aftermarket mit Sitz in Schweinfurt und ist für die ZF-Kunden vor Ort der direkte Ansprechpartner, wenn es um Vertriebs- und Servicethemen geht. "Wir stehen mit ihnen täglich im Kontakt", sagt Wagner.
In Russland gibt es ebenfalls einen Aftermarket-Standort. Zudem ist ZF in zwei Joint Ventures engagiert. Die Mitarbeiterzahl in Russland gibt ZF mit knapp 600 an, von denen rund 450 bei ZF Kama Getriebe für die "ausschließlich zivile Nutzung in Lkw" fertigen.
"Wir bereiten uns selbstverständlich auf mögliche Auswirkungen internationaler Maßnahmen vor", erklärt Wagner. Eine konkrete Bewertung wirtschaftlicher Konsequenzen sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings noch nicht möglich. Der Umsatz in beiden Ländern machte 2020 mit insgesamt rund 400 Millionen Euro etwa ein Prozent des Konzernumsatzes aus.
Schaeffler: In Russland wird weiter produziert
Auch Schaeffler unterhält als global tätiger Automobil- und Industriezulieferer geschäftliche Beziehungen in beide Länder. In der Ukraine selbst produziert das Unternehmen nicht, sondern hat nur ein Vertriebsbüro in Kiew, das momentan geschlossen ist. "Der Schutz der sechs Mitarbeitenden dort ist sichergestellt und hat für uns oberste Priorität", betont Pressesprecher Marco Bosch.
In Russland hingegen wird weiter produziert. Schaeffler hat ein Produktionswerk in Uljanowsk, einer russischen Großstadt an der Wolga, und ein Vertriebsbüro in Moskau mit insgesamt 174 Beschäftigten. Das Werk in Russland produziere maßgeblich für den russischen Markt, heißt es.
Bosch Rexroth: Umsatz mit Russland minimal
Mit großer Sorge verfolgt ebenso Bosch-Rexroth die jüngsten Entwicklungen. In der Ukraine leisten neun Mitarbeitende Vertriebsarbeit für die auf Hydraulik und Fabrikautomation spezialisierte Tochter des schwäbischen Bosch-Konzerns, die mit 7350 Beschäftigten in Mainfranken nach ZF in Schweinfurt der größte industrielle Arbeitgeber der Region ist. "Wir treffen alle erforderlichen Vorkehrungen für den Schutz unserer Mitarbeiter", teilt Unternehmenssprecherin Judith Muehlich mit.
Wie aus der Firmenzentrale in Lohr (Lkr. Main-Spessart) weiter zu erfahren war, sind in russischen Niederlassungen von Bosch Rexroth 95 Menschen beschäftigt. Es gebe dort aber keine eigene Produktion. Der Umsatz in Russland sei minimal, die Folgen der Sanktionen könnten noch nicht eingeschätzt werden.
Wirtschaftliche Folgen für die Großindustrie: Vieles unklar
Auf den jetzt erfolgten Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift sei man vorbereitet gewesen, meint Schaeffler-Sprecher Bosch. Welche Auswirkungen Sanktionen allerdings genau haben werden, lasse sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht näher beurteilen. Der Umsatzanteil von Russland und der Ukraine am Gesamtumsatz der Schaeffler Gruppe betrug für das Jahr 2021 rund ein Prozent.
"Grenzüberschreitende Geschäfte mit Russland können ohne ein internationales Zahlungssystem nicht abgewickelt werden", so SKF-Sprecher Laschka zum Ausschluss russischer Banken von Swift. Vom Erdöl und Erdgas aus Russland sei die deutsche SKF GmbH zwar weitgehend unabhängig, doch "die Auswirkungen des russischen Überfalls auf die Ukraine werden in den nächsten Wochen spürbar werden".
Auch dem Gipskonzern Knauf sind die Folgen des Swift-Ausschlusses russischer Banken offenbar noch nicht klar, wie aus der Zentrale in Iphofen bei Kitzingen zu erfahren war. Abzuwarten sei zudem, welche Sanktionen gegen Russland noch kommen und wie das Putin-Regime wiederum reagiert, lautet der Hinweis von Unternehmenssprecher Jörg Schanow.

Knauf hat in Russland 14 Werke und ist seit den 1990er Jahren intensiv in dem Land aktiv. Der Konzern hat ebenso wie der fränkische Kabelhersteller Leoni Beschäftigte in der Ukraine sicherheitshalber nach Hause geschickt.
Die börsennotierte va-Q-tec AG in Würzburg erwartet nach Auskunft von Sprecher Felix Rau, dass die Folgen des Ukraine-Krieges und der Sanktionen wohl hauptsächlich an steigenden Energiepreisen zu erkennen sein werden. Werke oder Vermögen habe der Dämmstoffspezialist in Russland oder der Ukraine nicht.
IHK und Hydraulik-Hunger: Verständnis für Sanktionen
Die Folgen des Ukraine-Krieges "sind in ihrer Gesamtheit noch gar nicht zu überblicken, aber sie werden fundamental sein", meint Ralf Jahn. Der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt sieht in der mainfränkischen Wirtschaft Verständnis für die Sanktionen gegen Russland.
Dieses Verständnis hatte Geschäftsführerin Ingrid Hunger vom gleichnamigen Hydraulikbetrieb in Lohr schon am Freitag signalisiert. Ihr Unternehmen habe Aufträge mit Russland und der Ukraine gestoppt. Hunger rechnet mit gravierenden finanziellen Folgen für ihr Werk.