Das Defizit von vier Millionen Euro im Jahr 2023 und fehlende Mittel zur Weiterführung des Betriebes gibt die Kongregation der Schwestern des Erlösers als Grund für die Schließung des Krankenhauses St. Josef an. Diese Nachricht ist nicht nur ein Schock für die Mitarbeitenden, die ganze Region ist erschüttert. Geschäftsführer Martin Stapper erklärt im Gespräch mit dieser Redaktion, wie und warum es zu dieser Entscheidung gekommen ist.
Die Nachricht von der Schließung des St. Josef Krankenhauses zum Jahresende hat ein regelrechtes Erdbeben ausgelöst. Haben Sie damit gerechnet?
Martin Stapper: Dass es ein Schock für die Mitarbeiter sein wird, das war uns bewusst. Auch, dass der Zeitpunkt der Schließung vermutlich zu plötzlich kommt. Aus unserer Sicht haben wir die Mitarbeitenden aber nicht im Unklaren gelassen. Die Kongregation hatte bereits im Oktober 2023 erklärt, die Klinik aus wirtschaftlichen Gründen in alleiniger Trägerschaft nicht mehr fortführen zu können.

Eine Mitarbeiterin des Krankenhauses sagte, die Entscheidung sei unchristlich. Lässt die Erlöserschwestern eine solche Reaktion kalt?
Stapper: Überhaupt nicht. Ich war hier selbst acht Jahre Krankenhausdirektor, deswegen ist mir das Haus sehr ans Herz gewachsen. Und wenn ich an die vielen hundert Schwestern denke, die hier tätig waren; ihnen reißt es das Herz aus dem Leib. Nein, das lässt uns nicht kalt, definitiv nicht.

Die Generaloberin, Schwester Monika Edinger, sagte, man habe nicht das Geld für den Weiterbetrieb des Krankenhauses. Ist die Kongregation tatsächlich so knapp bei Kasse, dass man 800 Mitarbeitende und 30.000 Patienten im Jahr über die Klinge springen lässt?
Stapper: Über die Klinge springen lassen, das ist nicht die Wortwahl, die wir gebrauchen. Wir haben uns als Kongregation nie nur als reiner Jobgeber verstanden, sondern als Dienstgemeinschaft. Aber auch wir müssen schauen, welche Möglichkeiten uns zur Verfügung stehen. Aus meiner Sicht haben wir sehr frühzeitig begonnen, uns auf die Rahmenbedingungen einzustellen. Dass diese uns jetzt keine andere Wahl lassen, das war nicht absehbar.

Bis 2022 war das Josef-Krankenhaus im grünen Bereich. 2023 fuhr man erstmals ein Defizit ein. Macht man ein Unternehmen da gleich dicht?
Stapper: Die Rahmenbedingungen haben sich seit 2022 verschlechtert, und die Prognosen sind weiterhin unsicherer geworden. Was wir 2022 auch nicht wussten, in welcher Größenordnung wir das Krankenhaus stützen müssen. Der Verlust 2023 betrug vier Millionen Euro. Hinzu kommt, dass wir ein Mehrfaches des Verlustes als Liquiditätshilfe zur Verfügung stellen müssen, um überhaupt die Löhne bezahlen zu können. Das machen wir seit eineinhalb Jahren. An dieser Defizit-Situation wird sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern. Die verfügbaren Mittel der Kongregation sind aber endlich. Irgendwann wäre die Altersversorgung der Schwestern gefährdet. Das ist eine rote Linie, die wir nicht überschreiten werden.
Die verfügbaren Mittel der Kongregation sind endlich. Irgendwann wäre die Altersversorgung der Schwestern gefährdet. Das ist eine rote Linie, die wir nicht überschreiten werden
Geschäftsführer Martin Stapper
Die viel gescholtene Krankenhausreform ist noch gar nicht gesetzlich beschlossen, wo kommen diese hohen Verluste her?
Stapper: Das sind zum einen gestiegene Personalkosten und inflationsbedingte Kostensteigerungen, zum anderen der Trend zur Ambulantisierung. Von unseren 30.000 Patienten werden 10.000 stationär und 20.000 ambulant behandelt, wofür wir nicht die gleichen Erlöse bekommen. Zusammen mit der Gesundheitspolitik, die nur noch auf große Krankenhäuser setzt, ergibt sich diese Schieflage. Noch bevor dieses Gesetz bekannt wurde, haben wir ja gemeinsam mit dem städtischen Leopoldina-Krankenhaus ein Zukunftskonzept erarbeitet. Aber die Risiken, die aktuell im Betrieb eines Krankenhauses liegen, muss man bereit sein für mehrere Jahre zu tragen. Und da haben sich die Stadt vor einem halben Jahr und am Dienstag nun auch der Bezirk Unterfranken dagegen entschieden. Wir stehen also nicht alleine da mit dieser Prognose.

Die Stadt hat den Kauf des Krankenhauses abgelehnt, nicht aber eine Kooperation. Diese haben die Erlöserschwestern verweigert, mit dem Verweis auf ihre christlichen Werte. Heißt das, am Leopoldina gibt es keine christlichen Werte?
Stapper: Nein, natürlich nicht. Doch wenn christliche Werte sich in Handlungen konkretisieren, gibt es da Grenzen, die wir nicht überschreiten können.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Stapper: Bei der Personalauswahl von Führungskräften setzen wir neben der Fachlichkeit eine charakterliche Vereinbarkeit mit den christlichen Werten voraus. Dies als Kriterium festzulegen, ist einem kommunalen Träger nicht möglich.

Ist es dann mit dem christlichen Leitbild vereinbar, dass durch die eilige Schließung des St. Josef Krankenhauses eine Versorgungslücke entstehen wird?
Stapper: Dass wir in eine schwierige Versorgungssituation hineinlaufen, ist bekannt. Das ist nicht überraschend. Alle bisherigen Bemühungen sollten darum die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung gewährleisten. Wir können versuchen, Personal und Knowhow am Leopoldina-Krankenhaus zu bündeln, zum Beispiel in der Notaufnahme, die räumlich dafür ausgestattet ist. Für die anderen Leistungsbereiche muss man Lösungen suchen, eventuell Provisorien finden.
Der Ärztliche Direktor des St. Josef Krankenhauses erfuhr die Nachricht von der Schließung im Zug von Berlin nach Schweinfurt. Ist das eine wertschätzende Vorgehensweise?
Stapper: Die Entscheidung, die Schließung zum Jahresende vorbereiten zu müssen, ist erst in der vergangenen Woche getroffen worden, als uns gegenüber seitens des Bezirks Bedenken geäußert wurden, dass es weitere Gespräche geben wird. Wir hatten entschieden, die Mitarbeitenden zu informieren, sobald das Signal vom Bezirk da ist. Das war am Dienstag. Weniger Vorlauf gibt es kaum.
Die Reaktionen in der Bevölkerung zeigen den hohen Grad an Wertschätzung unseren Mitarbeitenden gegenüber.
Geschäftsführer Martin Stapper
Die Generaloberin sagt, man habe alles versucht, das Krankenhaus zu retten. Wurden auch die Mitarbeitenden um Hilfe gebeten, zum Beispiel durch Lohnverzicht zur Rettung beizutragen?
Stapper: Es gibt Tarifverträge mit Öffnungsklauseln. Das bietet unser Tarifvertrag nicht. Natürlich könnten Mitarbeitende freiwillige Leistungen erbringen. Es würde aber nur etwas nützen, wenn es eine signifikante Reduzierung wäre und diese über die nächsten Jahre erfolgen würde. Das würde keiner mitmachen.
Können Solidaritätsaktionen und Spenden das "Josefs" noch retten?
Stapper: Ich freue mich über die hohe Anteilnahme der Bevölkerung. Die Reaktionen zeigen den hohen Grad an Wertschätzung unseren Mitarbeitenden gegenüber. Allerdings gilt auch hier, wir brauchen eine dauerhafte, nachhaltige Sicherung, nicht einen einmaligen Spendenaufruf.
Was ist mit der Kirchensteuer, lässt sich da nicht etwas fürs "Josefs" abzwacken?
Stapper: Die Kongregation ist zwar Teil der katholischen Kirche, aber kein organischer Teil der Diözese. Uns stehen deshalb keine Kirchensteuermittel zur Verfügung. Wir bekommen natürlich alle Förderungen, die ein öffentliches Krankenhaus auch erhält, aber dieses Netz und doppelten Boden, den die Kommunen bieten können, das haben wir nicht.
Warum melden die Erlöserschwestern keine Insolvenz an?
Stapper: Das Insolvenzrecht gilt nicht für uns, weil die Kongregation eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Und diese ist nicht insolvenzfähig. Eine Möglichkeit wäre, das Krankenhaus umzuwandeln in eine GmbH, die dann Insolvenz anmelden könnte. Aber welcher Mitarbeitende würde in eine neue Gesellschaft wechseln, die dann insolvent geht.
Das Klinikgebäude soll verkauft werden. Was passiert mit der Krankenpflegeschule?
Stapper: Die Krankenpflegeschule ist von der Schließung mitbetroffen. Wir überlegen gerade Lösungsmöglichkeiten, um Kurse weiterführen zu können, in Verbindung mit anderen Krankenpflegeschulen der Region.
Wie geht es mit den Kooperationspartnern weiter?
Stapper: Die Kooperationen, die an den Krankenhausbetrieb gebunden sind, müssen natürlich enden, wenn der Krankenhausbetrieb eingestellt wird. Es sei denn, es findet sich ein anderer Partner. Davon betroffen sind das Dialyse- und ambulante Herz-Zentrum, die Gynäkologie, die HNO-Belegärzte, die Kinderarztpraxis, das OP-Zentrum sowie die MVZs für die Innere, Onkologie und Orthopädie. Was die Mietverhältnisse dieser Einrichtungen angeht, gehe ich davon aus, dass wir sie weiterführen können. Vielleicht ist der neue Eigentümer ja froh über die Mieteinnahmen.
Gibt es schon Kaufinteressenten?
Stapper: Seit Dienstagnachmittag gab es zwei Anfragen.