Kurz nach 8 Uhr verlassen mehrere blau-gelb gestreifte Fahrzeuge den Parkplatz neben dem Zollamt in Schweinfurt. Ihr Ziel: Eine nahegelegene Baustelle. Auf sieben Arbeiter werden die komplett in schwarz gekleideten Beamtinnen und Beamten dort treffen. Woher sie das wissen?
"Wir führen zum Teil vorher Aufklärungsfahrten durch. Das heißt, Beamte in Zivil kundschaften die Baustelle im Vorfeld aus, stellen fest, wie die Gegebenheit vor Ort sind und wie viele Personen arbeiten", erklärt Dominic Schenk. Er ist Arbeitsgebietsleiter für den Bereich Prüfungen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, kurz FKS, in Schweinfurt und Einsatzleiter. Insgesamt wird der Schweinfurter Zoll an diesem Tag 81 Betriebe überprüfen, 237 Arbeitnehmende befragen und rund 50 Hinweise auf mögliche Verstöße feststellen, wie aus einer späteren Pressemitteilung hervorgeht.
Schweinfurter Zoll beteiligt sich an bundesweiter Sonderprüfung zur Einhaltung des Mindestlohns
Nicht nur im Zuständigkeitsbereich des Schweinfurter Zolls in ganz Unter- und in großen Teilen von Oberfranken finden an diesem Tag zahlreiche Kontrollen statt, sondern im gesamten Bundesgebiet. "Immer wieder führen wir koordiniert und zeitgleich bundesweit im Rahmen einer Schwerpunktprüfung Kontrollen durch. Am heutigen Tag steht die Sonderprüfung Mindestlohn an", sagt Schenk. Das heißt, die Beamtinnen und Beamte des Zolls überprüfen die ordnungsgemäße Einhaltung der Mindestarbeitsbedingungen. Im besonderen Fokus steht dabei die Einhaltung des Mindestlohns.

12,82 Euro brutto pro Stunde – so viel müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihren Angestellten mindestens zahlen. Das regelt das seit 1. Januar 2015 geltende Mindestlohngesetz. Neben dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn gelten in mehreren Branchen wie zum Beispiel in der Pflege oder im Dachdeckerhandwerk spezielle Branchenmindestlöhne.
"Der Glasfaserbau, das Baugewerbe allgemein, die Gastronomiebranche, Taxiunternehmen oder das Hotelgewerbe sind besonders anfällig für Verstöße."
Benedikt Danz, Pressesprecher Hauptzollamt Schweinfurt
Dass sich jedoch in manchen Branchen auffällig häufig nicht an die gesetzlichen Vorgaben gehalten wird, weiß Benedikt Danz. Er ist Pressesprecher des Hauptzollamts Schweinfurt und bei der Kontrolle dabei: "Der Glasfaserbau, das Baugewerbe allgemein, die Gastronomiebranche, Taxiunternehmen oder das Hotelgewerbe sind besonders anfällig für Verstöße. Das hat unsere Erfahrung in der Vergangenheit gezeigt."

Ein kurzes Rauschen, danach eine Stimme – im Minutentakt ertönt das Funkgerät im Wagen des Einsatzleiters. Die am Zollamt ausgerückten Beamten nähern sich koordiniert von beiden Seiten einer Baustelle, die in einem Wohngebiet in Schweinfurt liegt. Als Einsatzleiter Schenk eintrifft, haben die sieben Arbeiter der Glasfaserbaustelle bereits ihre Arbeit niedergelegt. Ein kleiner Bagger steht verlassen am Rande des aufgerissenen Gehwegs. Wenige Meter entfernt sind die Zollbeamten, mit Klemmbrettern und Stiften ausgestattet, damit beschäftigt, den Männern Fragen zu stellen.
Moderne Technologie: Dokumentenkoffer hilft bei Überprüfung von Ausweisen
Werden Lohn und Überstunden ausbezahlt? Hält sich der Arbeitgeber an die gesetzlichen Vorgaben? Dürfen sich die Arbeitnehmer in Deutschland aufhalten? Und können sich die Arbeitnehmer ausweisen? Diese und andere Fragen gilt es jetzt zu klären. Zuerst stellen die Zöllnerinnen und Zöllner die Identität der Männer fest und überprüfen die Ausweisdokumente auf ihre Echtheit. Dabei hilft ihnen ein kleiner schwarzer Koffer, der in einem der ausgerückten Wagen hinten neben der Rücksitzbank auf einem Tisch steht.

"Mithilfe dieses Koffers können wir die Echtheit der Ausweise feststellen. Das Gerät überprüft anhand von Parametern, ob der Ausweis gefälscht ist oder nicht. Also der Computer kontrolliert beispielsweise, ob die UV-Licht-Reaktion passt, der Ausweis einen Chip hat und welche Informationen sich darauf befinden", erklärt Schenk. Das Messinstrument schlägt keinen Alarm. Doch schnell stehen die Beamtinnen und Beamten vor einer anderen Herausforderung.
"Ich bin aufgeregt, aber froh, dass wir kontrolliert werden"
Vom Zoll kontrollierter Bauleiter
Fünf der sieben anwesenden Bauarbeiter sprechen kaum Deutsch und kein Englisch. "Eine qualitativ hochwertige Befragung ist unter diesen Umständen nicht möglich. Deswegen haben wir eine Dolmetscherin angefordert und setzen die Befragung fort, sobald sie da ist", sagt Schenk. Die zwei Männer, die Deutsch sprechen, werden währenddessen von jeweils zwei Zollbeamten befragt.

"In meinen 20 Jahren auf dem Bau bin ich vier- oder fünfmal kontrolliert worden", erzählt einer der Männer, der angibt, der für die Baustelle verantwortliche Bauleiter zu sein, während er sich eine Zigarette anzündet. "Ich bin aufgeregt, aber froh, dass wir kontrolliert werden. Dadurch wird sichergestellt, dass ich von meinem Arbeitgeber mein Geld bekomme", führt er fort.
Weitere Ermittlungen im Nachgang klären, ob mögliche Verstöße vorliegen
Nach knapp 30 Minuten trifft die angeforderte Dolmetscherin ein. Die in neonorange gekleideten Arbeiter, die geduldig, aber sichtlich angespannt am Straßenrand warten, werden einer nach dem anderen aufgerufen und zur Dolmetscherin gebeten. Zusammen mit den Zollbeamten gehen sie den Fragebogen erneut durch. Einsatzleiter Schenk verschafft sich einen Überblick.
Schnell wird klar: die Angaben der Männer sind widersprüchlich. "Die Leute wissen zum Teil nicht, wer ihr Arbeitgeber ist. Manche geben an, erst seit einer Woche hier zu sein, obwohl sie schon viel länger hier sind. Und manche sind überhaupt nicht im System gemeldet. Deswegen ist jetzt ein Dolmetscher sehr sinnvoll. Nicht dass die Sprachbarriere der Grund war, warum die Angaben teils unschlüssig sind", erklärt er.
Mit dem Ende der letzten Befragung endet auch der Einsatz der Zollbeamten vor Ort. Gegen Mittag verlassen die blau-gelb gestreiften Wagen das Wohngebiet und die Männer können ihre Arbeit wieder aufnehmen. Ob sich ihr Arbeitgeber strafbar gemacht hat, müssen nun weitere Ermittlungen im Nachgang klären. Die durch die Personalbefragung erlangten Erkenntnisse dienen dafür als Grundlage, wie Schenk erklärt.