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Schweinfurt: Verflucht, verteufelt, vertrieben: Das Leiden der Stadttauben

Schweinfurt

Verflucht, verteufelt, vertrieben: Das Leiden der Stadttauben

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    Auf der Suche nach Nahrung streifen Stadttauben durch Schweinfurts Innenstadt. Sie laufen viel, auch um Energie zu sparen. Das hat fatale Folgen. Fäden oder Haare können sich um die Beine und Füße schnüren, eng und immer enger ziehen, bis Gliedmaßen absterben, wie bei dieser einbeinigen Taube.
    Auf der Suche nach Nahrung streifen Stadttauben durch Schweinfurts Innenstadt. Sie laufen viel, auch um Energie zu sparen. Das hat fatale Folgen. Fäden oder Haare können sich um die Beine und Füße schnüren, eng und immer enger ziehen, bis Gliedmaßen absterben, wie bei dieser einbeinigen Taube. Foto: Katja Beringer

    Sie sind scheinbar überall, auch in Schweinfurt, flattern und trippeln durch die Stadt. Immer auf der Suche nach Nahrung, dem nächsten Brotkrumen, dem nächsten Essensrest, den sie aufpicken können. Allein das zeigt für Tierschützer schon das Elend unserer Stadttauben: denn die Nachkommen von Zuchtrassen sind eigentlich reine Körnerfresser – doch die findet man in Städten nicht. Was den Tieren bleibt, ist im Grunde für sie Gift. Das, was wir Menschen übrig lassen, verschwindet in den Taubenmägen. Füttern ist verboten, nicht nur in Würzburg, auch in Schweinfurt.

    Obwohl es verboten ist, werden Tauben gefüttert, wie hier an der Staustufe in Schweinfurt.
    Obwohl es verboten ist, werden Tauben gefüttert, wie hier an der Staustufe in Schweinfurt. Foto: Horst Breunig

    Für Tierschützer wie Nadine Hoffmann-Voigt aus Oerlenbach der falsche Weg. 2012 hat sie die Stadttauben-Nothilfe Unterfranken gegründet, versucht seitdem mit Unterstützern die Menschen aufzuklären und zeigt in Workshops Interessierten, wie sie verletzte Tiere aufpäppeln können. Ihre Kontakte reichen weit, sagt sie. In ganz Deutschland ist sie mit Initiativen in Kontakt, die sich für die Stadttauben einsetzen, unter anderem mit dem Stadttaubenprojekt Frankfurt, das seit 1983 aktiv ist, oder dem Verein "Ein Haus für Stefan B." aus Nürnberg, der auf Youtube sogar einen Song hochgeladen hat, der das Elend der Stadttauben erklärt.

    Nadine Hoffmann-Voigt unterstützt aber auch in Österreich Gruppen. Und wirbt gebetsmühlenartig bei allen möglichen Stellen dafür, wie und warum Projekte helfen, bei denen Stadttauben gezielt in betreuten Schlägen angesiedelt werden. Gelungene Beispiele gibt es viele, ebenso wie solche, von denen die Tierschützerin nicht wirklich überzeugt ist. Weil diese, wie sie sagt, nicht konsequent umgesetzt werden. Beispiel Würzburg: Dort hat die Stadt nicht nur ein Tauben-Management eingerichtet, sondern auch Taubenhäuser und vier Taubentürme. Gut, sagt die Tierschützerin aus Oerlenbach, kritisiert aber, dass die Tauben ihres Wissens nach nicht mehr täglich gefüttert werden.

    Als Erfolgskonzept nennt sie unter anderem das Augsburger Modell. Auch dort gibt es betreute Schläge, tägliche Futterrationen und – wie in Würzburg auch – werden die meisten Eier durch Attrappen ersetzt. Die Folge: Die Population nimmt ab. Und damit schlägt man der Natur der Stadttauben ein Schnäppchen. Wildtiere brüten ein- bis zweimal im Jahr, Stadttauben als Nachfahren von Zuchttieren tun es vier bis sechsmal. Und je mehr Küken sterben, weil die Eltern zuwenig zu essen finden, desto mehr brüten sie. 

    Ganz frisch am Start: Jasmin Jasmin Poyotte hat im März die Initiative Stadttaubenhilfe White Angels ins Leben gerufen, unterstützt wird sie dabei auch von Nadine Hoffmann-Voigt von der Stadttaubenhilfe Unterfranken
    Ganz frisch am Start: Jasmin Jasmin Poyotte hat im März die Initiative Stadttaubenhilfe White Angels ins Leben gerufen, unterstützt wird sie dabei auch von Nadine Hoffmann-Voigt von der Stadttaubenhilfe Unterfranken Foto: Katja Beringer

    Stadttauben ziehen niemals weiter

    Denn obwohl die Stadttauben in ihrem urbanen Umfeld nicht genügend Nahrung finden, würden sie – anders als Wildtauben –  niemals weiterziehen. Sie bleiben dort, wo sie geschlüpft sind, entfernen sich maximal 1,5 Kilometer davon. Im Mittelalter kamen die Tauben in die Stadt, wurden dort wie Hühner gehalten. Die heutigen Schwärme sind Nachfahren von diesen Tieren. Andere, beispielsweise Brieftauben, die gestrandet sind, schlossen sich den Schwärmen an. Und sie tun es bis heute.

    Ein Beispiel dafür sind die beiden Tauben, die Jasmin Poyotte aus Hambach bei sich in der Voliere sitzen hat: Eine weiße Hochzeitstaube und eine Brieftaube. Beide trugen Ringe, beide Besitzer wollten die verletzten Tiere, die in Schweinfurt gestrandet waren, nicht zurück. Die Hambacherin wird sie nun gesund pflegen. Im besten Fall würde sie die Tiere dann wieder freilassen. Doch so einfach ist die Sache nicht. Die weiße Hochzeitstaube mit dem pfauartigen Schwanz ist kein großer Flieger, ein leichtes Opfer für Greifvögel. Dessen, so sagt Nadine Hofmann-Voigt, sollte man sich bewusst sein. Auch, wenn man Hochzeitstauben fliegen lässt. Nur mit Glück und maximal über eine Distanz von 15 Kilometer könnten sie in ihren Heimatschlag zurückfinden.

    "Die gesundheitliche Gefährdung durch die Taube ist nicht höher als durch andere Zier- und Wildvögel oder Haustiere." 

    Passage aus einem Flyer des deutschen Tierschutzbundes

    Es ist das Elend der Tiere, das Menschen wie sie und Jasmin Poyotte bewegt, sich in ihrer Freizeit für die Tiere einzusetzen. Und es werden, so sagen beide, auch in Unterfranken immer mehr Aktive. Im November wurde die Bürgerinitiative Mensch und Taube in Würzburg gegründet; im März hob die Hambacherin die Stadttaubenhilfe White Angels Schweinfurt aus der Taufe, ebenfalls mit einer Facebook-Seite.

    Auch wenn sie, wie Wissenschaftler herausgefunden haben, ganz schön schlau sind – Verkehrsregeln kennen Tauben nicht. So werden auch einige überfahren.
    Auch wenn sie, wie Wissenschaftler herausgefunden haben, ganz schön schlau sind – Verkehrsregeln kennen Tauben nicht. So werden auch einige überfahren. Foto: Katja Beringer

    Schon jetzt hat sich eine kleine Gruppe von Leuten zusammengetan, um zu helfen, verletzte oder kranke Tauben aufzupäppeln. Über weitere Helfer würde sie sich freuen. Ein großes Ziel, sagt Poyotte, wäre es, jemanden zu finden, der einen Platz in Schweinfurt zur Verfügung stellt, wo in Absprache mit den Behörden ein betreuter Schlag aufgebaut werden könnte. Das käme nicht nur den Tieren zugute. Auch der Stadt. Denn: 80 Prozent ihrer Zeit verbringen Tauben in ihrem Schlag, lassen dort auch den meisten Kot. 

    Sieht nicht schön aus, aber ist Taubenkot wirklich so ein großes Problem?

    Die großen weißen Flatschen sind ein Punkt, an dem Menschen, die keine Taubenfreunde sind, Rot sehen. Auch wenn sie eigentlich untypisch sind und vom Durchfall herrühren, wie Hoffmann-Voigt erklärt. Aber: So aggressiv wie behauptet, sei Taubenkot nicht, schon gar nicht, wenn er von gesunden Tieren kommt. Studien, beispielsweise von der TU Darmstadt, kommen zu dem Schluss, dass der Kot wie jeder andere Vogelkot Blech angreift, aber nicht Gebäude.  Eine Meinung, die nicht jeder teilt. Und schön sehen die weißen Flecken natürlich in jedem Fall nicht aus.

    Zugegeben: Taubenkot ist kein schöner Anblick.
    Zugegeben: Taubenkot ist kein schöner Anblick. Foto: Katja Beringer

    Wer sich mit dem Thema beschäftigt, dem wird schnell klar, dass betreute Schläge der richtige Weg sein könnten. Besser als Vergrämungsmaßnahmen wie Netze oder Stachel-Leisten. Hätten die Stadttauben eine Heimat in der Stadt, würden sie hauptsächlich dort leben. Und nicht auf Hausvorsprüngen, sagen Tierschützer.

    Doch woher kommen die Ablehnung, der Hass und die Angst? Der Kot, der stört, ist nicht die einzige Ursache, sagen sie. Die Taube sei ein Opfer vieler Vorurteile und Mythen, die meisten davon hätten die in die Welt gesetzt, die mit der Vergrämung der Tiere ihr Geld machen. Auch das klingt nach einiger Recherche im Internet nachvollziehbar. Von einer Gefahr, die von den Stadttauben ausgehen soll, ist hauptsächlich auf Seiten solcher Anbieter die Rede.

    Andere rücken die Behauptungen zurecht. Darunter der deutsche Tierschutzbund. Die gesundheitliche Gefährdung durch die Taube sei nicht höher als durch andere Zier- und Wildvögel oder Haustiere, heißt es in einem Flyer. Eine Aussage, die das Bundesministerium für Gesundheit schon 1989 getroffen hat. Auch die Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz stellt sich auf ihren Seiten detailliert gegen das Märchen der besonderen Gesundheitsgefährdung.

    500 bis 600 Stadttauben leben nach Schätzungen von Tierschützern in Schweinfurt

    Und Schweinfurt, gibt es hier ein Tauben-Problem? Ein großes Thema ist es in der Öffentlichkeit zumindest nicht. 500 bis 600 Tiere wird es hier geben, schätzt Hoffmann-Voigt. In Würzburg gehe man von rund 2000 aus. Den Tauben allerdings geht es auch in Schweinfurt nicht gut, sagen die  Tierschützer. Auch in Schweinfurt seien die Stadttauben unterernährt. Und es gebe ein weiteres, großes Leiden. Fäden oder Haare können sich dann, wenn die Tiere umherlaufen, um die Füße schnüren, immer enger, bis Gliedmaßen absterben. Warum sie überhaupt laufen? Um Energie zu sparen, erklärt Nadine Hoffmann-Voigt. Fliegen kostet mehr Energie. Und die ist kostbar auf der stundenlangen Futtersuche. 

    Wer helfen mag oder ein verletztes Tier findet, kann die Stadttaubenhilfe White Angels kontaktieren. Aktuell geht das über die Facebook-Seite, via Mail über stadttaubenhilfe-unterfranken@web.de oder bei Susanne Zirkel vom Vogelschutzverein Schweinfurt, Tel.: (0160) 98333299.

    Stadttauben sind bei den meisten nicht beliebt. Früher wurden sie sogar getötet, vergiftet. Nach dem Tierschutzgesetz ist das zwar nicht mehr erlaubt, doch viele wollen die wildlebenden Haustiere aus der Stadt vertreiben.
    Stadttauben sind bei den meisten nicht beliebt. Früher wurden sie sogar getötet, vergiftet. Nach dem Tierschutzgesetz ist das zwar nicht mehr erlaubt, doch viele wollen die wildlebenden Haustiere aus der Stadt vertreiben. Foto: Andrea Warnecke/DPA
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