Der Berches. In Oberlauringen kennt ihn jeder. Bis heute wird der kunstvoll geflochtene Hefezopf mit Kartoffeln als besondere Zutat vor allem dann gerne gegessen, wenn etwas Besonderes ansteht. Ein Kaffeekränzchen, ein Seniorennachmittag oder das Kartoffelfest alle drei Jahre. Denn: Der Berches passt zu allem. Mit Butter und/oder Marmelade genauso wie statt Brot zur herzhaften Kartoffelsuppe oder einfach pur. Nein, zumindest Butter muss drauf, sagt Friedel Korten bestimmt. Die Oberlauringerin backt Berches wie viele andere hier – und hat es mit dem überlieferten Rezept sogar in ein Kochbuch geschafft. Ein jüdisches. Rezepte aus Deutschland hat eine Amerikanerin darin zusammengetragen. Ihre Wurzeln sind in Deutschland. Und für den Vater, so erinnert sich Friedel Korten an das Gespräch mit der Dame aus New York, waren die deutschen Gerichte so etwas wie "Zuhause".

Der Berches, der ursprünglich vor dem Sabbat gebacken wurde, ist nicht das einzige, aber eines von wenigen Dingen, die von Oberlauringens jüdischen Einwohnern geblieben sind. Die frühere Judengasse heißt heute Friedrich-Rückert-Straße, die Untere Judengasse gibt es noch, den israelitischen Friedhof, einige wenige Dokumente, Fotos von alten Fotografien. Und die Ergebnisse einiger Forschungen über die Bürger, die einmal ein Drittel der Bevölkerung Oberlauringens ausgemacht haben.
Das Ende ist bekannt. Auch von hier flüchteten Menschen, auch von hier aus wurden jüdische Bürger deportiert. 15 in Oberlauringen, zwei in Stadtlauringen, das Ehepaar Simon und Regina Hirschberger, das im Vernichtungslager Sobibor ermordet worden ist. Ihre Töchter konnten sie retten, brachten die drei rechtzeitig bei Angehörigen im Ausland unter. Die Jüngste, Lore, fand in New York ein Zuhause, gründete mit ihrem Mann Fred Gottlieb eine große Familie. Und hier beginnt eine neue, eine schöne Geschichte.
Ein Haus und viele Schicksale
Winfried Krappweis, der gemeinsam mit Friedel Korten und Ferdinand Freudinger die Ausstellung "Vergissmeinnicht" zur jüdischen Geschichte im Rahmen der Untefränkischen Kulturtage ausgearbeitet hat, kann sie erzählen. Denn sie ist auch Teil seiner Familiengeschichte. Sein Elternhaus ist das Haus der Hirschbergers, die von Ober- nach Stadtlauringen gezogen waren und dort einen Kurzwarenladen betrieben. Nach der Deportation des Ehepaars stand das Haus leer, nach dem Krieg waren Flüchtlingsfamilien untergebracht. Der Onkel von Winfried Krappweis, der in New York lebte, hat das Haus später gekauft – von den Nachkommen der ursprünglichen Besitzer.

1000 US-Dollar zahlte der Onkel damals, erzählt Krappweis, der bis heute Kontakt zur Familie der jüngsten Hirschberger-Tochter hat. Er selbst war auch schon einmal bei Familienmitgliedern in Israel, hat Jerusalem besucht. Und einen Gegenbesuch bekommen – von den Enkeln der Gottliebs. Ein Bild der Familie ist auch in der Ausstellung zu finden. Eine Gerettete – der Grundstein für eine große Familie, sagt Krappweis nachdenklich. Die Bilder, die hier liegen, sind keine Originale. Die sind schon lange aus Oberlauringen verschwunden. Nachskizziert wird in der Ausstellung die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Ober- und Stadtlauringen, wobei in Stadtlauringen nur die Hirschbergers lebten.
Als in Oberlauringen das jüdische Viertel entstand
Die Geschichte beginnt im 17. Jahrhundert. Baron von Truchseß holt jüdische Kaufleute in den Ort. Sie bringen Geld und Steuern. So einfach die Rechnung. Dafür hält der Baron die schützende Hand über die Kaufleute, die sich in einem jüdischen Viertel ansiedeln. Bis zu 178 Menschen umfasste die jüdische Gemeinde zu Hochzeiten. Dann kam die erste Auswanderungswelle Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts. Der Bevölkerung in Deutschland ging es schlecht, in Massen strömten die Menschen auf die Schiffe, die sie ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten bringen sollten.
Auch Oberlauringer – Juden und Christen, beide Bevölkerungsteile erhofften sich ein besseres Leben in Amerika. Und einer sorgte dafür, dass der Weg dorthin perfekt organisiert wurde: Emanuel Meyer, der neben seinem Geschäft auch eine Vertretung für die Hamburg-Amerika-Linie eines Logistikunternehmens hatte, das es bis heute gibt. Meyer selbst ist nie ins Schiff gestiegen. Gestorben ist er, wo seine Heimat war, in Oberlauringen. Früh genug, um den Terror des Nazi-Regimes nicht zum Opfer zu fallen.
Ausstellung noch am Dienstag geöffnet
Die Ausstellung, die am Montag eröffnet worden ist, haben die Organisatoren um einen Tag verlängert. Zu sehen ist sie damit auch am Dienstag, 24. September, von 14 bis 18 Uhr in der Kirchenburg (Kaulhügel 3). Zu sehen sind dabei auch die Forschungsergebnisse über Oberlauringen von Cordula Kappner, die 2017 verstorben ist und die über Jahrzehnte hinweg die Schicksale der jüdischen Bevölkerung nachvollzog, dokumentierte und in Erinnerung rief.
Zum Nachbacken: Das Rezept für das Traditionsgebäck aus Oberlauringen
