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Schweinfurt: Verhandlung am Folgetag oder innerhalb einer Woche: 84 beschleunigte Verfahren am Amtsgericht Schweinfurt in 2022

Schweinfurt

Verhandlung am Folgetag oder innerhalb einer Woche: 84 beschleunigte Verfahren am Amtsgericht Schweinfurt in 2022

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    Heute ertappt und morgen schon vor Gericht: In Schweinfurt gab es im Jahr 2022 insgesamt 84 solcher Turbo-Verfahren, die innerhalb eines Tages beziehungsweise – je nachdem, wann es zur Tat gekommen ist – innerhalb weniger Tage verhandelt und abgeschlossen wurden.
    Heute ertappt und morgen schon vor Gericht: In Schweinfurt gab es im Jahr 2022 insgesamt 84 solcher Turbo-Verfahren, die innerhalb eines Tages beziehungsweise – je nachdem, wann es zur Tat gekommen ist – innerhalb weniger Tage verhandelt und abgeschlossen wurden. Foto: Martina Müller

    Der Mann kommt durch den Getränkemarkt, der mit dem eigentlichen Supermarkt verbunden ist. Den Einkaufswagen packt er sich voll mit Lebensmitteln und Getränken im Wert von etwa 184 Euro. Über den Getränkemarkt schiebt er die erbeutete Ware nach draußen. Die Kameras zeichnen alles auf. Einen Tag später sitzt er vor dem Amtsgericht in Schweinfurt und muss sich wegen Diebstahls verantworten.

    Für Michael Roth, Richter am Amtsgericht in Schweinfurt, ist der Fall "der Klassiker" für ein beschleunigtes Verfahren, bei dem die Strafe der Tat quasi auf dem Fuße folgt. Denn die Voraussetzungen sind erfüllt: Es braucht einen einfachen Sachverhalt und eine klare Beweislage. So steht es in Paragraf 417 der Strafprozessordnung.

    Eine klare Sache bei dem Supermarkt-Dieb: Es gibt eine Videoaufzeichnung und zwei Zeugen. "Bei einem nicht geständigen Täter und keinen Zeugen am nächsten Tag kann ich es nicht machen", erklärt Roth. Hinzu komme noch, dass die Straferwartung nicht über ein Jahr betragen dürfe und bei einer zu erwartende Haftstrafe von mehr als sechs Monaten der Angeklagte einen Verteidiger haben müsse.

    Beschleunigte Verfahren sind "nichts Neues"

    Beschleunigte Verfahren an sich, sagt der Amtsrichter, der in Schweinfurt für die Verfahren zuständig ist, seien nichts Neues. "Die Beschleunigung ist ein Grundgedanke, der schon seit 20 Jahren besteht", erklärt Roth. Zur Besonderheit wird es, wenn die Verfahren bereits am Folgetag oder innerhalb einer Woche nach der Tat verhandelt und abgeschlossen werden. Roth spricht dann ganz unjuristisch von der "Turbo-Variante". 

    Im Jahr 2022 kam es nach Angaben der Schweinfurter Staatsanwaltschaft zu 103 beschleunigten Verfahren, davon 84 "Turbo"-Verfahren. Bei 19 Verfahren seien letztlich zwischen der Tatzeit und dem "Antrag auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren" mehr als eine Woche vergangen.

    Staatsanwaltschaft entscheidet, ob ein Verfahren beschleunigt sein soll

    Ob es sich um ein beschleunigtes Verfahren handeln wird, ist Sache der Staatsanwaltschaft. Denn die Strafverfolgungsbehörde muss sich letztlich um die Vorbereitung kümmern: einen Termin (wenn möglich) am Folgetag mit dem Amtsrichter abklären, Zeugen vorladen, gegebenenfalls einen Dolmetscher organisieren. 

    Gedacht sei das beschleunigte Verfahren für Tatverdächtige, die "örtlich sehr mobil sind", erläutert Roth, wie etwa Mitglieder von reisenden Diebesbanden, die man vielleicht gar nicht mehr erreichen würde, wenn man sie Monate später zur Hauptverhandlung würde laden wollen, oder Personen, die keinen festen Wohnsitz haben. 

    Warum das Prozedere in Schweinfurt gut funktioniert? "Ich habe feste Termine", erklärt Richter Roth. "Immer dienstags und mittwochs ab 15.30 Uhr kann die Staatsanwaltschaft beschleunigte Verfahren anmelden." So müsse man nicht jedes Mal, wenn jemand festgenommen wurde und sich ein beschleunigtes Verfahren seitens der Staatsanwaltschaft anbiete, nachfragen, ob es gehe. "Wenn jemand am Donnerstag, Freitag oder am Wochenende erwischt wird, muss man gegebenenfalls mit einer Hauptverhandlungshaft arbeiten", sagt der Amtsrichter.

    Auf Straftat sollen umgehend Konsequenzen folgen

    Sogenannte Hauptverhandlungshaft von maximal einer Woche kann angeordnet werden, "wenn eine unverzügliche Aburteilung im beschleunigten Verfahren zu erwarten ist", erklärt der Leitende Oberstaatsanwalt Axel Weihprecht dazu. Diese Haft werde dann vom Bereitschaftsrichter angeordnet.

    Seitens der Staatsanwaltschaft ist das Ziel der beschleunigten Verfahren in erster Linie, "dass auf strafrechtlich relevantes Fehlverhalten möglichst rasch eine Konsequenz erfolgen soll, um auf den Täter einzuwirken", erklärt Weihprecht. So war es etwa Ende 2021 auch, als zwei Männer zu sechs und acht Monaten Haft auf Bewährung sowie 1500 und 3500 Euro Geldauflage verurteilt wurden, nachdem sie am Vortag bei einem der "Corona-Spaziergänge" in Körperverletzungen mit Polizisten verwickelt waren.

    Beschleunigtes Verfahren kann jederzeit zum "Normalverfahren" werden

    Grundsätzlich ist der Richter aber nicht dazu verpflichtet, ein als beschleunigtes Verfahren begonnenes Verfahren auch als solches abzuschließen. Es könne jederzeit in ein "normales" Verfahren gewechselt werden, erklärt Richter Roth. "Wenn sich im Verlauf der Verhandlung herausstellt, ich brauche noch zwei Zeugen mehr, dann hört man an der Stelle auf und geht ins Normalverfahren über." Roth betont auch: "Beschleunigt heißt nicht, dass auf die Qualität einer Hauptverhandlung verzichtet wird."

    Im Falle des Supermarkt-Diebstahles sind zur vereinbarten Zeit die zwei Zeugen im Gericht anwesend, der Angeklagte wird aus dem Polizeigewahrsam vorgeführt. Er räumt die Tat ein und das Verfahren endet mit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten. Das Gericht setzt die Strafe zur Bewährung aus. Als Auflage sind Arbeitsstunden zu leisten. Das Urteil ist rechtskräftig.

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