Lange Zeit interessierte sich in Schweinfurt niemand für die Bunker, jene Trutzburgen aus Kriegszeiten, die nach dem so genannten LS-Führerprogramm ab 1940 gebaut wurden, um die Bevölkerung bei Luftangriffen zu schützen. Die Bunker am Bergl und in der Gartenstadt kennen viele Schweinfurter gar nicht, an den anderen fährt man ständig vorbei, ohne sich Gedanken zu machen. Nun hat der Immobilienmarkt bundesweit die ungenutzten Gebäude entdeckt und auch in Schweinfurt gibt es Kaufinteressenten für den Spitalsee- und den Gartenstadt-Bunker. Nähere Details zu den Plänen will die Stadt noch nicht bekannt geben, aber sie muss jetzt klären, ob ein Verkauf grundsätzlich in Frage kommt und welcher der drei Bunker, die im städtischen Besitz sind, auf jeden Fall der Nachwelt erhalten bleiben sollte. Nach einer Besichtigung sprach sich der Schul- und Kulturausschuss einstimmig für den Goethe-Bunker aus.
94 deutsche Städte galten im Zweiten Weltkrieg als besonders gefährdete Ziele für Bombenangriffe, natürlich auch Schweinfurt mit seiner kriegswichtigen Schwerindustrie. Während das „Luftschutz-Führerprogramm“ in 38 Städten nicht umgesetzt wurde, weil es an Material fehlte, wurden in Schweinfurt 13 oberirdische Schutzräume gebaut, davon drei von der Großindustrie. Zwölf sind erhalten, der 13. wurde vor ein paar Jahren zusammen mit der SKF-Halle 149 gesprengt.
Sechs Bunker sind heute im Besitz der Bundesrepublik, einer im Privatbesitz. Dieses Gebäude am Wasserturm beherbergt eine Pizzeria und ist kaum noch als Schutzraum zu erkennen. Im Schul- und Kulturausschuss ging es aber nur um die drei im Besitz der Stadt: Goethe-Bunker in der St. Kilianstraße, Blaue Leite in der Gartenstadtstraße und Spitalseebunker, Innenstadt.
Der Goethebunker ist zweifelsohne der historisch und architektonisch interessanteste. Erbaut 1941/42 sollte er 966 Menschen Schutz bieten. Es gab durchaus einigen Komfort. Aus der benachbarten Goethe-Schule wurde beispielsweise ein Heizungsrohr verlegt. Das war wohl der Grund, dass 1943 wichtige Dienststellen in den Bunker einzogen: das Büro von Oberbürgermeister Pösl, das Hauptquartier der Luftschutzleitung, ein Offiziers-Büro des Flak-Gefechtstandes Niederwerrn und der Kommandant der von Hitler ausgerufenen „Festung Schweinfurt“.
Bei der Führung erzählte Kulturamtsleiter Erich Schneider die Geschichte von den Amerikanern, die beim Einmarsch am 10. April 1945 mit Gewehrkolben an die Türe klopften, worauf die wichtigsten Männer der Stadt herauskamen und ihre Pistolen abgaben. Bis 1957 diente der Bunker als Notgefängnis, denn das Gefängnis in der Hadergasse war bei einem Bombenangriff zerstört worden. Später lagerte die Feuerwehr Material in den Räumen. 1985, im „kalten Krieg“, wurde der Bunker noch einmal in einen „wehrfähigen Zustand“ versetzt, was den erstaunlich guten Erhalt erklärt: Weiß gestrichene Wände, in einigen Halterungen hängen blaue Müllsäcke, in jeder Toilette hängt noch einer Rolle graues Klopapier. Überall funktioniert das Licht und die Lüftung sieht aus, als könne man sie jeden Moment einschalten.
Der Goethe-Bunker hat einige architektonische Besonderheiten, die sich heute niemand erklären kann. Warum, fragte Erich Schneider, gibt es im Keller einen Raum mit einem Kreuzgewölbe? Noch mehr staunte er, als er vor wenigen Wochen das erste Mal das Dachgeschoss besichtigte. Nach mehreren Räumen mit Wohnungscharakter öffnet sich ein hoher Raum, der fast die Dimensionen einer Kirche hat. Kleine Dachfenster mit völlig verdreckten Vorhängen lassen nur spärliches Licht in den Saal, dessen Funktion völlig ungeklärt ist. Ein gemauerter Kubus mitten im Raum könnte als Sandspeicher gedient haben. Denn die Luft wurde mit Hilfe von Sand gefiltert.
Innen ist gut zu erkennen, dass das gesamte Gebäude, samt Dach, aus Beton ist. Außen orientiert sich die Architektur mit dem hohen Spitzdach und dem hellen Verputz an der Umgebungsbebauung. Das hatte einen Grund: Aus der Luft sollten die Bunker wie große Wohnhäuser aussehen. Das gilt auch für den Bunker Blaue Leite in der Gartenstadtstraße, der 829 Menschen Schutz bieten sollte. Beim Bau des Spitalseebunkers 1943/44 fehlte für solche „Feinheiten“ Material und Geld. Er hat ein Flachdach, die Außenwände sind unverputzt und im Inneren gibt es statt der vielen kleinen Räume auf jedem Stockwerk nur einen großen. Es ging einfach nur noch darum, möglichst viele Menschen unterzubringen. Im Keller befand sich allerdings eine hochmoderne Telefonanlage, die die Amerikaner ausbauen und nach Bad Kissingen bringen ließen.
Von allen drei Bunkern im städtischen Besitz schätzt das Landesamt für Denkmalpflege die Bedeutung des Goethe-Bunkers am höchsten ein. Der Schul-und Kulturausschuss schloss sich dieser Meinung an und unterstützt das Vorhaben der Stadt, ihn für die Nachwelt zu erhalten. Über einen grundsätzlichen Verkauf der beiden anderen Schutzräume wollte der Ausschuss nicht entscheiden. Das sei Sache der zuständigen Ausschüsse und des Stadtrates.
Die Schweinfurter Bunker
Zur Geschichte: Nach dem so genannten „LS-Führerprogramm“ von 1940 sollten für 9000 Schweinfurter Bürger Luftschutz-Bunker mit vier Meter dicken Betonwänden gebaut werden – vor allem am Stadtrand, wo kleine Häuschen standen. Deswegen wurden in der Gartenstadt und am heutigen Bergl jeweils drei Bunker errichtet. Die Großindustrie ließ 1943 auf ihren Werksgeländen drei weitere bauen. Hauseigentümer in der Innenstadt wurden verpflichtet, ihre Keller bombensicher auszubauen. Manche Gartenbesitzer gruben auf ihren Grundstücken Erdbunker. Aber nicht alle Keller hielten den Bomben Stand, Menschen starben. In den Hochbunkern dagegen überlebten alle Schutzsuchenden. Wer sich für das Thema interessiert, findet viele spannende Informationen und Fotografien zu allen Schweinfurter Bunkern auf der Website von Peter Hofmann www.schweinfurtfuehrer.de. Auch das nebenstehende historische Foto, aufgenommen vor dem Goethe-Bunker 1946, hat Peter Hofmann zur Verfügung gestellt. Der Fotograf ist unbekannt.