Lautes Stimmengewirr liegt über dem riesigen Saal des Freizeitzentrums in Waigolshausen. Etwa 400 Landfrauen, junge und alte, einige in Tracht, einige im schicken Kostüm, und einige wenige auch in Schürzenkleidern, sitzen hier beisammen – wie jedes Jahr. Sie essen Schweinekammbraten mit Klößen und Sauerkraut, tauschen Neuigkeiten aus, genießen das Essen – den Tag.
Globalisierung in der Kritik
Gerade hat Brigitte Scherb, die Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbands, zu den Frauen gesprochen. Ihr Thema: Die Globalisierung und ihre Auswirkungen. Ihr Anliegen ist es klarzumachen, dass es so mit der Weltwirtschaft nicht weitergehen kann, dass die Welt zugrunde gerichtet wird, wenn die Menschen in den westlichen Ländern nicht ihre Bedürfnisse zurückschrauben. Viel Applaus gibt es für ihre Ausführungen, immer wieder nicken die Frauen, wenn es darum geht, sich auch bei uns gegen die Maßlosigkeit des Konsums zu wenden.
Es folgen die Grußworte, Verweise auf lokalpolitische Themen von Landrat Harald Leitherer und Bürgermeister Bruno Strobel – man merkt, es ist Wahlkampf –, Ausführungen zur Landwirtschaft von Herbert Lang, Direktor vom Amt für Landwirtschaft und Forsten und von Bezirksbäuerin Astrid Baum. Höhepunkt der Ansprachen: Bernhard Weiler, Präsident des Unterfränkischen Bauernverbands und Kreisobmann, lehnt sich weit aus dem Fenster. „Heute am unsinnigen Donnerstag haben ausnahmsweise die Frauen mal etwas zu sagen“, verkündet er. Lauter Protest schallt ihm entgegen. Eine Frau stürmt auf die Bühne, will ihm die Krawatte abschneiden. Weiler sieht fast so aus, als hätte er Angst um seinen Schlips, verweist darauf, dass er erst noch seine Rede halten will. Und kurz vor Schluss steckt er seine Krawatte feige in die Tasche. 400 Frauen lachen aus voller Kehle.
Sicher, Politik ist ihnen wichtig, und die politischen Themen werden an den Tischen auch diskutiert, ebenso wie die Wahlwerbung einer jungen Politikerin, die den Tag für den Stimmenfang nutzt.
Aber eigentlich geht es den vielen Frauen hier auch um etwas anderes. Kaum sind die Reden vorbei, verwandelt sich der Saal in ein Restaurant und dann in einen riesigen Kaffeeklatsch. Viele der Frauen sind weit über 60, und einigen von ihnen sieht man auch an, dass sie ihr Leben lang hart gearbeitet haben. Auf den Schweinebraten folgen Kuchen und Torten, es gibt Käsekuchen, Himbeer- und Weinsahne, Nusstorte, insgesamt bestimmt 30 unterschiedliche Sorten. Die meisten Frauen haben ein Kännchen Kaffee vor sich stehen, zelebrieren das Kaffeetrinken regelrecht, lachen und scherzen, sprechen über ihre Kinder, über ihre Enkel.
Ein kleiner Luxus
Viele haben zwei Stücke Sahnetorte auf ihrem Teller. „So etwas wie hier können wir uns nicht jeden Tag leisten“, erklärt eine Frau. Es komme nicht so oft vor, dass man so viel Zeit habe. Und ihre Nachbarin, eine fast 80-jährige Frau, erzählt: „ Ich komme schon seit vielen Jahren. Hier erfährt man immer viele Neuigkeiten.“
Dann tritt die Waigolshäuser Kindergarde auf, in Kostümen von Tieren aus dem Dschungel. Die Frauen klatschen begeistert, so begeistert, dass die Kinder ihren Showtanz noch einmal aufführen. Später folgen noch ein Showtanz und das Männerballett.
Aber der Schwerpunkt liegt auf der Geschichte: Gerda Paul hat ihr Leben lang Schürzen aufgehoben, ihre eigenen, die ihrer Nachbarin und die der Mutter ihrer Nachbarin. Teilweise aus dem Anfangsjahren des letzten Jahrhunderts stammen die alten „Schörzn“, wie sie im Dialekt heißen. „Es gibt unzählige Arten, ich habe 42 verschiedene gezählt“, erklärt sie. Die Schürzen waren für sie schon in ihrer Kindheit ein ständiger Begleiter: „Erst ziagst die Schörzn a“, hat ihre Mutter immer zu ihr gesagt.
Ihre gesammelten Schürzen führen die Ortsbäuerinnen auf der Bühne vor, erst noch etwas schüchtern, dann aber durchaus kokett, manchmal sogar mit einem gekonnten Knicks. Paul hat Mantelschürzen, Gummischürzen, Bauernschürzen, Schürzen von Serviermädchen und alle mögliche weiteren Schürzen aufgehoben. Einige davon hat sie sogar selbst genäht: „Im Krieg habe ich einmal einen Stoff geschenkt bekommen, der war so hart, da ist fast die Nadel gebrochen“, erinnert sie sich. Und dass sie früher manchmal die Schürzen aufgerollt haben und dann Äpfel, Birnen oder Nüsse hineingelegt bekamen. Und auch so manche Bäuerin im Publikum erinnert sich.