Edgar Kolb, der alles über den Stadtteil Deutschhof und mit gleicher Intensivität Postkartenmotive aus Schweinfurt sammelt, hat zu Beginn des Jahres aus privater Hand zwei Postkarten erworben, deren Textteil anschaulicher noch als die Ansichtsseiten über das Hochwasser am Samstag, 6. Februar 1909 informiert.
"Überaus spannend" war für Kolb die Entschlüsselung der in altdeutscher Schrift verfassten Zeilen. Auf der ersten der zwei am gleichen abgeschickten Karten (abgestempelt am 24. Februar 1909) wird dem "lieben Schwager" berichtet, dass Sennfeld durch das Hochwasser völlig abgeschnitten war und der Verkehr zwei Tage lang mit Kähnen aufrecht erhalten wurde. Berichtet wird weiter von der "vollständig vernichteten" Allee zwischen Schweinfurt und Sennfeld und dem unterspülten Bahndamm der Zugverbindung nach Gerolzhofen. Auch war das Holz eines Sägewerks (Name nicht zu entziffern) "fast alles weggeschwemmt". Diese erste Postkarte endet mit: "...weggeschwemmt mit einem Schaden von etwa"

Die Fortsetzung folgt auf der zweiten Karte: "10 000 Mark." Über den Tiergarten in der Wehr heißt es anschließend, dass die "Hirsche bis zum Halse im Wasser standen, desgleichen die Bären." Und: "Der Wärter und ebenso der Besitzer des Parkes wurden früh 3 Uhr gerettet. Das Wasser kam ungemein schnell und stieg bei Eintreffen der Flutwelle in 1 Stunde um circa 2 Meter."
Der Postkartengruß endet mit: "Wir waren nachts 2 Uhr draußen und sahen uns die Katastrophe an. Sonst sind wir munter und fidel und grüßen Dich herzlichst."
Ein einziger See
Vor 110 Jahren stand über das Jahrhundert-Hochwasser im Schweinfurter Tagblatt, dass dieses gegen zwei Uhr eine Ausdehnung erreicht hatte, "wie seit dem Jahre 1882 nicht mehr". Bei Heimatforscher Paul Ultsch ist in seinem Band Damals in Schweinfurt nachzulesen: "Am Morgen des 6. Februar um 8 Uhr hatte das Wasser mit 6,20 Meter am Hauptpegel in Schweinfurt seinen Höchststand erreicht. Folge war, dass Wehranlagen, Felder und Wiesen links des Mains einem einzigen See glichen."

Auch bei Ultsch ist zu erfahren, dass der Tiergarten in der Wehr von den Folgen des Tauwetters besonders betroffen war. Kleinere Tiere, ein Waschbär und Fasane seien umgekommen. Die zottigen Braunbären aus Ungarn hätten das Wasserbad jedoch ganz gut überstanden.
Gegen 3 Uhr, so Ultsch, hätten Fischer mit ihren Kähnen die Bewohner der Gaststätte Stadtpark in der Wehr, den Tierwärter Firsching und einen Müller der Bleiweißmühle Gademann aus bedrohlicher Lage in Sicherheit gebracht. Ähnlich sei es den Bewohnern der Schmalzfabrik am Sennfelder Bahnhof ergangen.
Laut Tagblatt reichte das schmutzig gelbe Wasser an der Ludwigsbrücke bis zur Fahrbahn. Die Straßen nach Sennfeld, Gochsheim und Schwebheim waren unpassierbar. Im Wasser trieben nicht nur entwurzelte Bäume, sondern auch Fässer, Balken, Stroh, Hausrat und Tierkadaver. Der Fischerrain meldete vollgelaufene Keller.

Der Zoo in den Wehranlagen existierte dann noch bis in das Jahr 1944. Entstanden war der gärtnerische Teil des Parks bereits in den Jahren 1869 bis 1890. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts war der Bereich der Wehranlagen als Überschwemmungsgebiet und Auwald ausgewiesen. Kurz danach war das Areal Flaniermeile und Exerzierplatz, ehe es zum Park wurde. Noch heute stehen etliche Bäume aus dieser Zeit, darunter Geweihbäume, Zerreiche, Roteiche, Ungarische Eiche und Hickorynuss. Der Gademann'sche Hügel wurden in den 1860-er Jahren vorwiegend mit Pflanzen aus China, Japan und Korea bestückt.
Der Tiergarten in der Wehr
Vom ehemaligen Hochreservoir der Wasserleitung im Osten der Stadt, wovon heute noch die Straßenbezeichnung An der Wasserleitung kündet, war der Tiergarten 1880 mit seinem Bestand an seltenen Hühnern, Tauben, Stallhasen, Meerschweinchen und Affen in das Erste Wehr übersiedelt worden. Als einer der ersten Privat-Tiergärten Süddeutschland fand damals die Einrichtung des Vereins der Tierfreunde viel Beachtung. Bunte Papageien und auch ein Pelikan begrüßten die Besucher. Es gab das Raubtierhaus mit Löwen, Tigern, Leoparden, Puma, Kragenbären und Hyäne sowie mit den den zwei Braunbären. In Freigehegen lebten Hirsche, Lamas, Esel, ein Helmkasuar (flugunfähiger Großvogel) und Stachelschweine – und ein Zebra und ein Kamel, auf denen die Kinder reiten konnten.