Den alten Hunnen sagte man nach, ihr Fleisch unterm Sattel mürbe geritten zu haben. Das Wort Sommelier wiederum leitet sich vom griechischen „Sagma“ ab, dem Packsattel. Der heutige Weinkellner war ursprünglich ein Säumer: Einer, der gewusst hat, was sich lohnt, den Saumtieren an den Sattel zu packen, auf dem Weg durch die Wildnis. Waren die asiatischen Steppenreiter damit schon Fleischsommeliers?
Dafür braucht es doch ein bisschen mehr Finesse. Der vornehme Begriff „Sommelier“ ist längst nicht mehr auf Weinkundler beschränkt. Auch Bäcker, Brauer, Käse- oder Mineralwasser-Produzenten schicken diese „Botschafter des guten Geschmacks“ ins Rennen um die Kundengunst. Seit Juni 2016 dürfen nun auch im Augsburger Berufsbildungszentrum des Fleischerhandwerks Meister oder Verkaufsleiter den Titel „Fleischsommelier“ erwerben – mit vierzehntätigem Kurs, Theorie und Praxisteil, abschließender Prüfung und Zertifikat.
Vom Grillkönig zum Fleischsommelier
Derzeit halten nur 40 Experten in Deutschland die begehrte Urkunde in Händen. Seit Februar zählt dazu Metzgermeister Christian Feiler. Ein Mann, der sich in der Fleischveredelungsbranche eigentlich nichts mehr beweisen müsste: 2015 siegte der Geldersheimer mit den „Frankengrillern“ bei den Deutschen Grillmeisterschaften in Hennef (bei Köln), und darf sich seither Grillkönig nennen.
Lust, sich zurückzulehnen und den Steaks beim Brutzeln zuzuschauen, hat der Juniorchef dennoch nicht. Seit vier Generationen ist seine Familie nun schon im Metzgerhandwerk tätig, der Großvater stammt aus der Bratwurst-Hochburg Thüringen. Aber selbst wenn man, wie Feiler sagt, „neben dem Wurstkessel aufgewachsen ist“, lässt sich immer was dazulernen: „Stillstand ist Rückschritt“, meint der frischgebackene Fleischsommelier.
Ansprüche der Kunden wachsen
„Genauso wenig wie es nur Wein gibt, gibt es nur Rindfleisch.“ Anspruchsvoll seien die Kunden geworden, Wissensdurst habe ihn nach Augsburg geführt: „Der Trend geht weg von Bratwurst und Schweinesteak.“ Was auch an dem Sparerips-, Beef-, Brisket- und Pulled-Pork-Kult liegen könnte, der mit den Food Trucks in Deutschland ausschwärmt. Wenn heute ein Kunde in den Laden kommt und sich nach Cuscino, Kachelfleisch, Boston Butt, Rib Tips, Secreto und Presa (vom Schwein) oder Skirt Steak, Inside Skirt, Hanging Tander, Picanha, Petit Tender, Tri Tip und Flat Iron (vom Rind) erkundet – da möchte sich ein Grillmeister nicht plötzlich selbst wie auf glühenden Kohlen fühlen.
Ein Secreto etwa wäre ein „geheimes“ Filet. „Das sitzt auf dem Kotelett oben drauf und kam früher in die Wurst“, erklärt Feiler und schwärmt: „Wenn man so was medium grillt, wird's butterzart.“
Nein zur Massentierhaltung
Vieles ist eine Frage des Zuschnitts, des unterschiedlich gemaserten Fleischs. Aber auch die Haltung der Tiere, in Weide, Stall oder Intensivmast, habe Einfluss. Schon aus Qualitätsgründen ist der Landmetzger kein Freund von Massentierhaltung: „Die Leute sollen lieber weniger Fleisch essen, aber dafür bessere Qualität.“
Auch den Unterschied von Rasse, Alter und Geschlecht schmecke man am Ende auf dem Teller, je nachdem ob Färsen, Kühe, Bullen oder Ochsen zubereitet worden sind. Kaum eine Weide gleiche der anderen, egal ob darauf nun Angus-, Charolais-, Herford-, Galloway- oder Fleckvieh-Rinder kauen. Auch auf das richtige Abhängen komme es an: Nach sechs Wochen in der Kühlhalle habe sich der Geschmack oft erst richtig konzentriert, sagt der Berater. Man kann Fleisch trocken lagern, im Vakuum, „skinverpackt“ in der Schale, sogar in Asche.
24 Teilnehmer in Augsburg
In Augsburg ging es um aktuelle „Cuts“, um die lange Kultur- und Produktionsgeschichte des Fleischs, oder die Sensorik in allen Garstufen, sprich: „Riechen, Fühlen, Schmecken.“ Um mikrobiologische Feinheiten, die richtige Präsentation an der Verkaufstheke, Ernährungspsychologie, Zubereitung, Lagerhaltung.
Professor Manfred Gareis, Fachtierarzt für Fleischhygiene, übernahm den wissenschaftlichen Part. 24 Teilnehmer aus ganz Deutschland, bis hinauf nach Hamburg, waren am Start, mit „unglaublichem Zusammenhalt“, schwärmt Feiler. Darunter Sven Tholius, ein Motivationstrainer für Metzger, der das Branchenbild ans 21. Jahrhundert anpassen will, weg vom Hackebeil-Image. Dass man zartes Fleisch durchaus appetitanregend präsentieren kann, bewies der Fotograf mit einem Hochglanz-Kalender, für den er Agnes, Nadine und andere Fleischereifachverkäuferinnen modeln ließ. Motto: „Wir sind anders.“
Während der Weinberater indes über eine eigene Sprache verfügt und beim Rebensaft vollmundig über Ansatz, Abgang, Acidität, Struktur und Tanine fachsimpeln kann, hat's der Fleischsommelier schwer: „Es gibt für Fleisch bislang noch keine Bezeichnung, wie es schmeckt“, sagt Metzgermeister Feiler. „Wir müssen uns die Aromapalette erst noch erschließen.“
Plädoyer für artgerechte Tierhaltung
Nur dem liebe Vieh mag die Gesamtsituation nicht so ganz schmecken. Ohne jahrtausendealten Fleischkonsum würde es die entsprechenden Haustierrassen gar nicht geben, sagt der Metzger. Ansonsten plädiert Feiler aber für eine artgerechte Behandlung der Vierbeiner. Der große Haken am Ende eines millionenfachen Daseins ist für Schwein und Rind der Preis dafür, nicht mehr in freier Wildbahn ums Überleben kämpfen zu müssen.