Sind Städtepartnerschaften heutzutage noch sinnvoll und wenn ja, mit wem? Auf den ersten Blick erscheint die Antwort auf diese Frage in diesen Zeiten mit russischem Angriffskrieg in der Ukraine, Corona-Pandemie, den Herausforderungen des Klimawandels und der Energiekrise klar: Es braucht eher mehr als weniger Städtepartnerschaften. Die Stadt Schweinfurt ist nun zwei ungewöhnliche Verbindungen eingegangen: eine Klimapartnerschaft mit Tarija in Bolivien und eine Solidar-Partnerschaft mit Luzk in der Ukraine. Im Stadtrat gab es dafür nicht nur Beifall, sondern deutliche Kritik.
Partnerschaften hat Schweinfurt seit Jahrzehnten mit dem schottischen Motherwell, dem französischen Châteaudun und der Stadt Seinäjoki in Finnland. "In Krisenzeiten wie diesen können wir es uns nicht leisten, nur auf unseren kleinen Orbit zu schauen, uns nicht mit anderen auszutauschen", hatte Bürgermeisterin Sorya Lippert vor einigen Wochen erklärt, als sie von ihrer Reise nach Frankreich und Schottland berichtete. Sie ist auch eine Verfechterin der Partnerschaft mit Tarija, was ihr insbesondere von Ulrike Schneider (Zukunft./ödp) Kritik einbrachte.
Schneider hinterfragte, welchen Nutzen Schweinfurt davon haben solle, mit einer Stadt in Bolivien in Südamerika sich darüber auszutauschen, wie man die jeweiligen Herausforderungen in Sachen Klimaschutz für immer heißer werdende Städte meistern kann. Eines der wichtigsten Argumente von Schneider ist dabei der durch die Partnerschaft mit einer 10.806 Kilometer von der Wälzlagerstadt entfernten Stadt erzeugte CO2-Fußabdruck der Schweinfurter Verantwortlichen: "Wieso sollen wir über 10.000 Kilometer in der Welt herumdüsen? Wir sollten unsere Hausaufgaben vor Ort endlich machen."

Welchen Sinn hat eine Partnerschaft zwischen Schweinfurt und Bolivien?
Auch Richard Graupner (AfD) war bezüglich der Klima-Partnerschaft skeptisch, bezweifelte, dass die beiden Städte auf "gleicher Ebene" agieren "und etwas Sinnvolles dabei herauskommt." Man dürfe nicht vergessen, dass Bolivien als Land auf Atomkraft setze. "Die städtischen Angestellten haben hier genug zu tun anstatt in der Welt herumzureisen", befand Graupner.
"Klimawandel ist ein globales Problem, bei dem Kirchturmpolitik nicht hilft."
Kathi Petersen, (SPD-Stadträtin).
Es gab aber auch Stimmen, die die Klimapartnerschaft befürworteten, was sich auch in der Abstimmung widerspiegelte: Mit nur acht Gegenstimmen beschloss der Stadtrat die vorgeschlagene Vereinbarung und das Projekt, das auch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gefördert wird. Frank Firsching (Linke) findet die interkontinentale Kooperation sinnvoll, "es liegt an uns, was wir daraus machen." Das sahen auch Kathi Petersen (SPD) und Sorya Lippert (CSU) so. "Klimawandel ist ein globales Problem, bei dem Kirchturmpolitik nicht hilft", war Kathi Petersen für einen Erfahrungsaustausch, von dessen Sinn auch Lippert überzeugt ist.
Kritik an Kosten für Solidarpartnerschaft mit ukrainischem Luzk
Ein weiteres Thema bei der Stadtratssitzung war die Partnerschaft mit dem ukrainischen Luzk, wo auch SKF ein Werk hat. Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) setzt sich persönlich für diese Partnerschaft ein und befürwortet wie Sozialreferent Jürgen Montag, dass die Stadt die ukrainischen Partner mit Hilfsgütern im Wert von 250.000 Euro unterstützt und auch ein von der Schweinfurter Feuerwehr ausrangiertes, aber voll funktionsfähiges Feuerwehrauto in die Ukraine bringen lässt.
Richard Graupner steht auch dieser Partnerschaft kritisch gegenüber. Er findet, der Ukraine als Staat, aber auch Städten dort zu helfen sei keine kommunale, sondern eine staatliche Aufgabe. Schweinfurt habe sich gerade bei der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge im Frühjahr vorbildlich verhalten, Hilfsgüter für Luzk im Wert von 250.000 Euro zu kaufen, belaste den eigenen Haushalt, der aufgrund der vielen Projekte und sinkender Gewerbesteuer angespannt sei.
"Wir wollen diese Partnerschaft nicht nur symbolisch ausfüllen."
Jürgen Montag, Sozialreferent.
Adi Schön (Freie Wähler) kritisierte Graupner für diese Einschätzung, "das kann ich nicht nachvollziehen." Sozialreferent Montag betonte, es gehe der Stadt auch darum, die Solidaritäts-Partnerschaft "nicht nur symbolisch auszufüllen." Der OB gestand zu, dass die Hilfslieferungen sicher keine kommunale Pflichtaufgabe, aber dennoch notwendig seien.
"Diesen Krieg mitten in Europa hätten wir nicht für möglich gehalten. Wenn wir dem russischen Aggressor Putin nicht in den Arm fallen, wird es nicht der letzte Krieg gewesen sein", so Remelé. Aus seiner Sicht habe "Schweinfurt eine Mitverantwortung im übergeordneten Interesse." Außerdem, so der OB, plane man im Spätsommer einen Besuch in der Ukraine auf Einladung des dortigen Bürgermeisters. Bei der Abstimmung über die Hilfslieferungen stimmte nur die AfD-Fraktion komplett dagegen.