Die AfD in Bayern bedient sich kostenloser Wahlkampfhilfe eines ominösen Vereins. Konkret geht es um die Gratiszeitung „Deutschland Kurier“, die der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ publiziert. Das Blatt vertritt AfD-Positionen und ruft so zumindest indirekt zur Wahl der Partei auf. So wird unter anderem behauptet, Franz Josef Strauß würde AfD wählen; am Dienstag startete eine bayernweite Plakataktion des „Deutschland Kuriers“ mit dem Motto „Jetzt eine Alternative wählen!“. Medienberichten zufolge belegen E-Mails, dass der AfD-Kreisverband Rosenheim die auf den ersten Blick parteiunabhängige Zeitung geordert hatte. Nun zeigt eine gemeinsame Recherche dieser Redaktion mit dem „Fränkischen Tag“ und dem „Bayerischen Rundfunk“, dass auch die AfD in Unterfranken mit dem Verein zusammenarbeitet.
Der „Kurier“ erscheint neutraler als Parteiflyer
Das legt ein Kommentar von Andrea Klingen, unter anderem Generalsekretärin im Kreisverband Kitzingen-Schweinfurt, in einer parteiinternen Facebook-Gruppe nahe. Dort informierte im Juli ein Münchener AfD-Funktionär: Der Herausgeber des „Deutschland Kuriers“, der im oberfränkischen Lichtenfels lebende David Bendels, „bietet uns wie schon im letzten Jahr Wahlkampfunterstützung an“. Alle Kreisverbände könnten für den Landtagswahlkampf „wöchentlich 1000 (oder mehr)“ Gratisexemplare bestellen. Die Zeitungen ließen sich auch in Briefkästen mit einem „Werbung verboten“-Aufkleber einwerfen.
Klingen antwortete darauf: „Bei uns im KV (Kreisverband, Anm.d.Red.) werden wöchentlich 2500 Exemplare in wechselnden Ortschaften zusammen mit Programmflyern oder Veranstaltungsflyern verteilt.“ Der Parteifreund aus München ergänzte: „Das schöne ist, dass so eine Zeitung neutraler rüberkommt als unsere blauen Zettel.“ Das Chat-Protokoll liegt der Redaktion vor.
Illegale „Strohmann-Spenden“?
Das Problem an der Sache: Kritiker sehen in der Unterstützung des Vereins eine illegale Wahlkampffinanzierung. So sprach die Konstanzer Staatsrechtlerin Prof. Sophie Schönberger von „sehr plausiblen Anhaltspunkten dafür, dass es sich um eine Form von illegaler Parteienfinanzierung handelt“. Die Organisation „Lobbycontrol“ erklärte: „Zumindest im laufenden Wahlkampf in Bayern muss die Wahlkampfaktivität des Vereins der AfD zugerechnet werden und als Parteispende an die AfD verbucht werden.“ Da der Verein nur „eine Briefkasten-Konstruktion“ sei, bestehe der Verdacht, „dass die Zuwendungen als illegale Strohmann-Spenden zu werten sind“. Eine Zusammenarbeit mit der AfD kommentiert Bendels nicht. Auch zur Frage der Geldgeber hält sich der Vereinsvorsitzende bedeckt. „Größter Spender“ sei „ein liberal-konservativer Demokrat“, heißt es lediglich.
Indes bestritt die AfD-Spitze eine Zusammenarbeit. Der bayerische AfD-Chef Martin Sichert erklärte erst in dieser Woche, es handle sich um „keine illegale Wahlkampffinanzierung“, weil die AfD „keine offizielle Zusammenarbeit“ mit dem Verein habe. Mit Blick auf den Rosenheimer Fall erklärte Sichert, es gebe nur „einen einzigen Kreisverband“, der den „Deutschland Kurier“ genutzt habe. Grundsätzlich gelte, dass „nur Werbemittel der Partei“ verteilt werden dürfen. Er gehe davon aus, dass sich jedes Mitglied daran halte.
Klingen hält den „Deutschland Kurier“ in die Kamera
Unsere Recherchen belegen jedoch, dass die AfD in Bayern den „Deutschland Kurier“ bereits im Bundestagswahlkampf 2017 zum Nulltarif nutzte. So schrieb der Vorsitzende eines mittelfränkischen AfD-Ortsverbands im Juli 2017 auf Facebook: „Die 10 000 Gratisexemplare vom ,Deutschlandkurier‘ sind eingetroffen. (...) Wer braucht wie viele?“ Nun kommen die Fälle aus den Kreisverbänden Rosenheim und Kitzingen-Schweinfurt hinzu.
In letzterem ist Andrea Klingens Ehemann Christian Vorsitzender. Anfragen der Redaktion in Sachen „Deutschland Kurier“ ließ der Landtagskandidat unbeantwortet. Fotos zeigen den Sichert-Vertrauten im Sommer an einem AfD-Infostand, auf dem der „Deutschland Kurier“ ausliegt; auf einem Foto vom April hält Christian Klingen, der auch unterfränkischer Bezirkschef ist, ein Exemplar in die Kamera. Unterdessen tauchte der „Deutschland Kurier“ in den vergangenen Wochen auch in Briefkästen im Großraum Würzburg und Schweinfurt sowie in oberfränkischen Orten auf.