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Üchtelhausen: Windkraft in Üchtelhausen: Wenn 10H-Regel fällt, kann der Investor loslegen

Üchtelhausen

Windkraft in Üchtelhausen: Wenn 10H-Regel fällt, kann der Investor loslegen

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    Wenn die 10H-Regel fällt, dürfen Windkraftanlagen mitten in den Ebertshäuser Wald und auf die Freifläche daneben gebaut werden.
    Wenn die 10H-Regel fällt, dürfen Windkraftanlagen mitten in den Ebertshäuser Wald und auf die Freifläche daneben gebaut werden. Foto: Anand Anders

    Wenn die Üchtelhäuser bislang glaubten, sie seien mit ihrem Bürgerentscheid von 2016 sicher vor Windkraftanlagen, dann hat ihnen die "Szenario-Werkstatt" der regionalen Windkümmerer am Freitag in der Aula der Grundschule die Augen geöffnet. Zumindest denen, die da waren. Vom 16-köpfigen Gemeinderatsgremium, für das die Veranstaltung in erster Linie gedacht war, konnte Bürgermeister Johannes Grebner nur neun Räte begrüßen.

    Es fehlten zum Teil gerade die Vertreter, deren Ortsteile an einen künftigen Windpark angrenzen würden. Hesselbach zum Beispiel glänzte mit seinen vier Ratsmitgliedern geschlossen mit Abwesenheit. Die Einladung der Windkümmerer war im Vorfeld als "Propaganda-Veranstaltung" bezeichnet worden.

    Die Gemeinderatsmitglieder sollten sich mit dem Szenario einer konkreten Windpark-Planung zwischen Ebertshausen, Madenhausen, Hoppachshof und Hesselbach auseinandersetzen. Dazu hatten die Windkümmerer als Energiefachmann den Geschäftsführer der Schweinfurter Stadtwerke, Thomas Kästner, als Waldexperten den stellvertreten Bereichsleiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), Stephan Thierfelder, sowie für rechtliche Fragen die Juristin Franziska Benz eingeladen.

    Es ging um mögliche Standorte von Windrädern, ihre Anzahl, den Abstand zur Wohnbebauung und den Einfluss auf die Umwelt, aber auch um die Möglichkeiten der Wertschöpfung, die Beteiligung der Kommune und Bürger und nicht zuletzt um den Beitrag der Gemeinde Üchtelhausen zum Klimaschutz. Denn: "Sie sind eins der Schlusslichter", sagte Windkümmerer Rolf Pfeifer, alle anderen Kommunen im Umfeld seien in Sachen Erneuerbare Energien weiter. 

    Auch wenn es nur ein Szenario war, das die Windkümmerer mit den Gemeinderäten erarbeiteten, mit der neuen Ampel-Koalition im Bund könnte dieses ganz schnell Wirklichkeit werden. Und nicht nur – wie früher mal geplant – mit vier bis fünf Anlagen, sondern mit neun Windrädern im Abstand von 840 Metern zur Wohnbebauung. So viele würden auf die im Regionalplan für Windkraft ausgewiesene Vorrang- und Vorbehaltsfläche passen.

    Investoren sitzen in den Startlöchern

    Aktuell verhindert der 2016 gefällte Bürgerentscheid, dass dieses Gebiet – ein gemeindliches Waldstück und private Ackerflächen – mit Windrädern bebaut wird. Dieser stützt sich auf die seit Februar 2014 für Bayern geltende Sonderregelung, dass der Abstand eines Windrads zu Wohnbebauung mindestens das Zehnfache der Höhe (10H) betragen muss. Bei 200 Meter hohen Anlagen also zwei Kilometer, was hier nicht gewährleistet ist. Mit der neuen Bundesregierung aber könnte die 10H-Regelung fallen und Windräder dann mit geringerem Abstand zur Wohnbebauung errichtet werden. Landauf und landab sitzen Investoren deshalb schon in den Startlöchern, um sofort loszulegen. Auch in Üchtelhausen.

    "Sie müssen Vorsorge treffen"

    Windkümmerer Rolf Pfeifer zur Aufstellung eines Bebauungsplanes

    Jan Schumacher von der Bamberger Firma Jade Natur-Energie verfolgte aufmerksam aus dem Publikum heraus die vierstündige Veranstaltung. Das Bamberger Unternehmen plant und baut Windparks und hat bereits seit dem ersten Vorstoß der Gemeinde in Richtung Windkraft – noch unter der damaligen Bürgermeisterin Birgit Göbhardt – die Hand auf den Üchtelhäuser Gemeindeflächen. Auch so mancher Landwirt soll damals schon Vorverträge mit Energieunternehmen unterschrieben haben. 

    Das könnte der Korridor für einen Windpark bei Üchtelhausen sein. Alle Anlagen im Vorranggebiet (orange) und im Vorbehaltsgebiet (hellgrün) würden zur Wohnbebauung von Madenhausen, Hoppachshof, Hesselbach und Ebertshausen einen Abstand von 1200 Meter einhalten.
    Das könnte der Korridor für einen Windpark bei Üchtelhausen sein. Alle Anlagen im Vorranggebiet (orange) und im Vorbehaltsgebiet (hellgrün) würden zur Wohnbebauung von Madenhausen, Hoppachshof, Hesselbach und Ebertshausen einen Abstand von 1200 Meter einhalten. Foto: Screenshot

    "Sie müssen Vorsorge treffen", appellierte deshalb Windkümmerer Rolf Pfeifer eindringlich an das Ratsgremium, genau das zu tun, was bislang der Bürgerentscheid verhindert hat: Die Aufstellung eines Bebauungsplan "Windkraft" mit einem "akzeptablen Szenario" für den Ebertshäuser Wald. Akzeptabel wären seiner Meinung nach drei bis vier Anlagen. Die Windräder würden dann 1200 Meter von den umliegenden Ortschaften entfernt stehen.

    Tut die Gemeinde das nicht und 10H fällt, hat sie laut Pfeifer keine Steuerungsmöglichkeit mehr. Und dass ein Windpark auf der Üchtelhäuser Gemarkung möglich ist, sichert der Regionalplan, in dem der Ebertshäuser Wald als Vorrang- und Vorbehaltsfläche für Windkraft ausgewiesen ist. "Das müssen Sie akzeptieren."

    Noch deutlichere Worte richtete Pfeifer an die Herausgeber des Flyers, der im Vorfeld an die  Bevölkerung verteilt worden war: "Darin steht Mist, die Infos sind falsch." Wenn die Bürger sich gegen einen solchen Bebauungsplan entscheiden, habe die Gemeinde nichts mehr in der Hand. Dieses Szenario öffnete den anwesenden Räten sprichwörtlich die Augen. "Es geht nicht ums Ob, sondern ums Wie", erkannte Thomas Stumpf, dass "schnellstmöglichst ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss". Und auch die Ortsvertreterin von Hoppachshof, Bettina Kuhn, stellte ernüchtert fest: "Dann können wir die Bürger eigentlich nur noch entscheiden lassen, ob drei oder vier Anlagen dorthin gebaut werden sollen." Eine Entscheidung zwischen "Pest und Cholera", nannte dies Stumpf.  

    "Wir müssen jetzt das Drei- bis Vierfache zubauen, wenn wir uns weiterhin selbst versorgen wollen."

    Thomas Kästner, Geschäftsführer der Stadtwerke Schweinfurt

    Alle Möglichkeiten an Zubau von Erneuerbaren Energien ausschöpfen

    Zuvor hatte Stadtwerke-Geschäftsführer Thomas Kästner über die Herausforderungen der Energiewende vor Ort referiert. Ziel sei es, die Region autark zu machen. Das heißt: "Wir müssen jetzt das Drei- bis Vierfache zubauen, wenn wir uns weiterhin selbst versorgen wollen." Man sollte daher alle Möglichkeiten an Zubau von Erneuerbaren Energien in der Region ausschöpfen. Üchtelhausen wäre als Windkraftstandort für die Schweinfurter Stadtwerke attraktiv, sagte Kästner. Er räumte aber ein, dass es auch eine Akzeptanz vor Ort brauche. "Gegen die Gemeinde machen wir nichts."

    Welche Auswirkungen Windräder für den Ebertshäuser Wald haben, das erläuterte der stellvertretende AELF-Leiter Stephan Thierfelder. Grundsätzlich sei der Bau solcher Anlagen auf Freiflächen zu bevorzugen. Geht das nicht, sollte man als Standort möglichst nadelbaumreiche und jüngere Waldbestände von geringerer Qualität auswählen. Und grundsätzlich gelte: So wenig wie möglich roden, so nah wie möglich an Forstwege bauen und so gering wie möglich den Eingriff in die Natur halten. Ersatzaufforstungen müssen natürlich erfolgen.

    Dass Üchtelhausen mit einem solchen Beitrag zur Energiewende auch einen monetären Nutzen hätte, rechnete Juristin Franziska Benz vor: Ein Windpark mit drei Anlagen würde der Gemeinde inklusive der EEG-Beteiligung für Kommunen 274 000 Euro Pachteinnahmen im Jahr bringen. Ab dem 17. Betriebsjahr fließt auch Gewerbesteuer von jährlich 2,1 Millionen Euro in den Gemeindesäckel. Und wenn sich die Kommune mit 50 Prozent an der Betreibergesellschaft beteiligt, biete sich ein Potenzial von zusätzlich sieben  Millionen Euro.  

    "Wir können nicht so weitermachen."

    Bürgermeister Johannes Grebner zum Klimawandel

    In den Statements der Ratsmitglieder kristallisierte sich ein klares Ja zur Aufstellung eines Bebauungsplans heraus. Denn wichtig ist den Räten, dass die Kommune die Lenkung übernimmt und nicht ein Investor. "Es ist unverantwortlich, wenn wir nichts tun und uns weiter streiten", brachte es Peter Heß auf den Punkt. Bettina Kuhn ist ein finanzieller Ausgleich für die betroffenen Ortsteile wichtig: "Wenn wir es den Bürgern schon zumuten, sollten 100 Prozent des Ertrags auch in die Dörfer fließen." Einig sind sich alle, dass die Bürger über ein Ratsbegehren in die Entscheidung über die Aufstellung eines Bebauungsplans einbezogen werden sollen.   

    Bürgermeister Johannes Grebner nutzte sein Schlusswort zu einer Klarstellung der Vorwürfe, das Projekt sei in seinem Eigeninteresse und wirtschaftlich getrieben: "Ich habe persönlich nichts davon, ich säge allenfalls an meinem eigenen Stuhl." Für Grebner steht die Verantwortung für die Erde im Vordergrund. "Wir können nicht so weitermachen."

    WindkümmererDas Projekt Windkümmerer wurde Ende vergangenen Jahres von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ins Leben gerufen und agiert als Teil der Windenergieoffensive "Aufwind" des Bayerischen Wirtschaftsministeriums. Die Windkümmerer, die in allen sieben Regierungsbezirken Bayerns vertreten sind, sollen Kommunen zum Thema Windenergie kostenfrei beraten und als neutraler "Mitspieler" zur Seite stehen. Die Gemeinde Üchtelhausen ist eine von drei unterfränkischen Kommunen, in denen Windkümmerer tätig sind. Im nächsten Schritt sollen nun die in der Werkstatt vom Freitag mit den Gemeinderäten entwickelten Szenarien und Erkenntnisse den Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen einer Dialogveranstaltung vorgestellt werden.Quelle: MP

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