Bernd Lesch, Director Marketing/Product bei der Winora Group, verbreitet Zuversicht und nennt Gründe: In einem boomenden Markt ist das zur holländischen Accell Group gehörende Unternehmen bestens aufgestellt. Die Sennfelder Fahrradbauer haben heuer 40 neue Leute eingestellt und den Personalstand auf über 300 Mitarbeiter erhöht. Und: „Zum Jahresabschluss werden wir kerngesunde Zahlen schreiben“, sagt Bernd Lesch.
Verarbeiten musste die Winora Group 2017 den Weggang der langjährigen Geschäftsführerin Susanne Puello – „wegen unüberbrückbarer Differenzen mit dem Konzern aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen“, ließ die Urenkelin des Firmengründers im März wissen. Puello hatte in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Winora Group zu einem international führenden Anbieter für (e)Mobilitäts-Konzepte ausgebaut. Als Trendsetter gelten die Sennfelder vor allem beim e-Mountainbike.
Ein starkes Team
Geblieben sei trotz einiger Abgänge ein „starkes Team“, Leute mit jahrzehntelanger Erfahrung, sagt Lesch. Bereits im Herbst hatte Geschäftsführer Michael Kraushaar die neue Organisationsstruktur seines Managementteams präsentiert. Gestärkt ist seither die zweite Reihe, die der Direktoren mit Karl–Heinz Then (Kaufmännische Leitung, Finanzen, HR und IT), Steffen Alberth (Director of Sales, Service & Bike Parts, Vertrieb). Bernd Lesch leitet als Director of Marketing & Product auch die Unternehmenskommunikation und er koordiniert die Zusammenarbeit mit dem HaibikeDesignCenter in München.
„Extrem gut laufende Geschäfte“
Auch weil das Geschäft „extrem gut“ laufe, sei die Umstellung reibungslos über die Bühne gegangen. Positiv dazu beigetragen habe der Blick von außen, denn Geschäftsführer Kraushaar hat schon mehrfach Unternehmen geleitet, nicht jedoch in der Fahrradbranche.
Für den Kunden ist Winora heute übersichtlicher als in früheren Jahren aufgestellt. Es gibt nur noch zwei Marken: Winora- und Haibike. Die Marken Staiger und Sinus sind in Winora aufgegangen. Von Winora gibt es Fahrräder aller Art, – für Kinder und Jugendliche, für den Familienausflug und das Cityrad, alles für das urbane Radeln und die große Tour. Rennfahrräder sind für Winora nur ein Nischenprodukt. Auf dem Spezialmarkt sind den Sennfeldern zu viele spezialisierte Hersteller unterwegs. Spezialisiert hat sich die Winora Group jedoch auch – und zwar mit der Marke Haibike, die Mountain-Bikes produziert.
Ein Pionier
Für Winora und insbesondere für Haibike gilt, dass man früher als die weltweite Konkurrenz auf den Elektroantrieb gesetzt hat. Beim MTB war und ist man Trendsetter. Lesch: „Wir sind als Marktführer und Vorreiter in einer sehr, sehr guten Situation, vor allem bei Haibike, aber auch Winora hat eine starke Position.“
Dass die neue Mobilität auf zwei und nicht auf vier Rädern bereits stattfindet, verkündete Ende August die Eurobike in Friedrichshafen am Bodensee, die weltweit größte Fahrradmesse. Der Besuch der Messe vermittelte den Eindruck, dass das E-Bike Standard, das Fahrrad ohne Motor die Ausnahme ist. Noch stimmt dies nicht. 2017 wird die Branche in Deutschland vier Millionen Räder verkaufen, darunter 700 000 E-Bikes. Trotzdem: für Winora ist das E-Bike die Zukunft, in der es auch Fahrräder ohne Motor geben wird. Und die Entwicklung sei rasant, so Lesch, der für die Eurobike 2018 im Juli „extrem viele Neuigkeiten“ aus Sennfeld ankündigt.
Für ganz Europa
Geliefert wird nach ganz Europa. Ein eigenes Lager hat die Winora Group nicht. Die gesamte Logistik ist an die Spedition Schäflein (Röthlein) vergeben. Produziert wird in Sennfeld nur ein Teil der Räder. Vom Band kommen die allermeisten Bikes in Ungarn und Holland, also aus den Werken der Accell Group, die nicht mehr in Asien produzieren lässt. Auf die Fertigung in Deutschland angesprochen sagt Lesch: „Deutschland ist konkurrenzfähig. Dass man hier wegen der Lohnkosten nicht produzieren kann, stimmt nicht.“
Auch Fahrräder für Amerika kreieren die Entwickler und Designer in der Sennfelder Max-Planck-Straße. Doch dort ist das E-Bike zwar auch auf dem Vormarsch, doch gegenüber Europa um fünf bis sechs Jahre zurück. Für bürokratische Hürden sorgten vor allem die unterschiedlichen Einstufungen des Elektrofahrrades durch die einzelnen Staaten der USA. E-Bikes sind einmal Motorräder, in einem anderen Staat Fahrräder und in einem dritten darf man mit dem E-Bike nur auf Straßen, oder auf vielen Straßen nicht unterwegs sein. Eine nahezu einheitliche Klassifizierung wie in den Staaten der EU gibt es in den Vereinigten Staaten nicht.
Das Lastenfahrrad
Einen Zukunftsmarkt sieht Lesch beim E-Lastenfahrrad. „Wir sind definitiv dabei“, so der Director, für den in diesem Bereich „vieles denkbar ist, viel Neues kommen muss“. Bei der Auslieferung nicht nur von Medikamenten zähle die Schnelligkeit, die in den Städten das Rad, aber nicht mehr das Auto biete. Und für alle Fahrräder gelte, dass das Treten in die Pedale einen nicht nur schnell fortbewege, sondern umweltfreundlich und gesund sei – unabhängig vom Alter.
Innerhalb der Accell Group ist die Winora Group selbstständig unterwegs. In Sennfeld wird entwickelt und designed, der Kontakt zum Kunden (ausschließlich Fachhandel) gehalten und verkauft. Erworben wurde erst heuer ein weiteres Gebäude (Teppich Hetzelt), in dem Platz für 60 Mitarbeiter geschaffen wird. Während die Gestaltung der Fahrradrahmen zu den Kernkompetenzen von Winora und Haibike zählt, arbeitet Winora bei anderen Komponenten häufig mit Partnern zusammen. Die Zeiten, in denen zugekauft wurde, was der Markt anbot, sind vorbei. Neue Antriebe entstehen beispielsweise exakt für ein Modell oder werden für dieses umgebaut.
Ersatzteile
Winora in Sennfeld hat auch einen der größten im Fahrradteilehandel in Europa. Das Hochregallager von Bike Parts bietet 25 000 verschiedene Teile aller namhaften Hersteller (etwa 150), darunter auch die Eigenmarke XLC (Komponenten, Zubehör und Kleidung).