Jedes Jahr beginnen an der Fachhochschule in Schweinfurt rund 200 junge Erwachsene den Studiengang Maschinenbau. Professor Dr. Johannes Paulus lehrt sie. Wenn der Dekan der Fakultät von Turbinenschaufeln redet, gerät er ins Schwärmen – auch für die digitalen Möglichkeiten, die Ingenieure heute haben. Im Gespräch erklärt er, warum die Fachhochschule für die Industrie in Schweinfurt eine große Verantwortung trägt und wieso Ethik im Ingenieurwesen wichtiger werden muss.
Hinter Studiengängen wie Mechanical Engineering und Development & Construction steckt oft der klassische Maschinenbau. Warum entschied sich die Fachhochschule Schweinfurt gegen eine Modernisierung des Namens?
Wir haben intern diskutiert, ob wir da mitmachen müssen und sind zu dem Schluss gekommen: Maschinenbau ist Maschinenbau und bleibt auch Maschinenbau. Wir sind ein grundständiger Studiengang. Deshalb wäre es irreführend etwas aus Marketinggründen zu versprechen, das man nicht einhalten kann. Hinzu kommt, dass unsere Absolventen im Bewerbungsgespräch nicht erst eine Viertelstunde erklären müssen, was sie eigentlich studiert haben.

Die Globalisierung ist aus dem Berufsleben nicht mehr wegzudenken. Welche Auswirkungen hat das auf die Lehre?
Wir werden in Zukunft parallel zu unserem deutschen Studiengang einen zusätzlichen englischsprachigen Maschinenbau-Studiengang anbieten. Die Studierenden können dann flexibel zwischen deutschen und englischen Veranstaltungen wechseln und sich schon im Studium auf die globalisierte Arbeitswelt vorbereiten.
Bisher konnten Studenten nur im Wintersemester ein Studium beginnen. Ab diesem Jahr können sie auch im Sommersemester anfangen. Versuchen Sie, den Studiengang in Schweinfurt dadurch attraktiver zu machen?
Wir müssen nicht um Studenten buhlen. Aber in den letzten Jahren ist die Anzahl der Studienanfänger im klassischen Maschinenbau um 30 Prozent zurückgegangen. Dafür haben wir Zuwächse in benachbarten Disziplinen wie Mechatronik. Wir hatten bisher eine so hohe Auslastung, dass wir uns den Luxus nicht leisten konnten, den Studenten diesen individuellen Freiraum zu geben.

Inwiefern individuell?
Wer nach dem Abitur ein halbes Jahr „Work & Travel“ oder ein Freiwilliges Soziales Jahr macht, verliert kein ganzes Jahr, weil er im Sommersemester das Studium anfangen kann. Wer eine Prüfung nicht bestanden hat, musste bisher unter Umständen ein Jahr warten, um eine Lehrveranstaltung erneut zu besuchen. Die Studierenden haben nun auch die Möglichkeit das Tempo ihres Studiums stärker auf Ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Auch das ändert sich jetzt. Und Duale Studenten können nun das erste halbe Jahr ihr Unternehmen kennenlernen, bevor sie an die Hochschule kommen.
Sie unterrichten seit 16 Jahren angehende Ingenieure an der Hochschule in Schweinfurt. Bildungspolitisch hat sich in dieser Zeit viel verändert. Wie wirkt sich das auf die Studienanfänger aus?
Heute sind die Studenten deutlich jünger. Manche sind im ersten Semester noch 17 Jahre alt. Für die Studenten hat das den Nachteil, dass sie einen Teil der persönlichen Reife erst im Laufe des Studiums erlangen. Hinzu kommt, dass durch das achtjährige Gymnasium das Bulimielernen in den Schulen Einzug gehalten hat. Sie haben zwar schon von vielen Themen etwas gehört, aber sie nicht verinnerlicht.
Mit der Bologna-Reform wurden die Diplomstudiengänge auf Bachelor umgestellt. Das Studium ist seither etwa ein halbes Jahr kürzer.
Ein Jahr weniger Schule, ein halbes Jahr weniger Hochschule. Beides sehe ich aus bildungspolitischer Sicht kritisch. Denn nach dem Abschluss sollen dann sogar noch Absolventen rauskommen, die mehr können als früher. Einerseits sollen die Grundlagen des Ingenieurwesens nicht zu kurz kommen, andererseits wollen wir auch moderne Techniken vermitteln. Vor diesem Problem stehen zurzeit viele Hochschulen – auch wir.
Wie gehen Sie damit um?
Als ich angefangen habe zu lehren, wurden viele Rechnungen noch von Hand gelöst. Das ist heute in den Hintergrund getreten, weil es Computerprogramme dafür gibt. Studenten müssen die Grundlagen beherrschen, um nachvollziehen zu können, was in den Programmen vorgeht. In allen Fächern versuchen wir, Digitalisierung nicht losgelöst zu unterrichten. Statt nur in Vorlesungen etwas über Informatik zu hören, müssen Studenten ab dem ersten Semester programmieren lernen und praktische Aufgaben lösen.
Der Ingenieursberuf ist also im Umbruch, ebenso wie die Ausbildung dazu.
Man kann die Digitalisierung nicht aussitzen. Wenn Hochschulen da zu spät kommen, werden sie abgestraft. Wir werden nicht zu spät kommen. Schließlich tragen wir auch eine Verantwortung für Schweinfurt. Wir haben die Aufgabe, die Zukunft der Region zu gestalten. Wenn Hochschulen nicht die Ressourcen und die Muse dazu haben, vorauszudenken, wie sollen das Firmen leisten, die im Tagesgeschäft eingebunden sind?
Warum sollen junge Erwachsene dann heute noch Maschinenbau studieren – und nicht etwa Informatik, Mechatronik oder Robotik?
Maschinenbauer beherrschen das System. In der Technikgeschichte waren Ingenieure immer Maschinenbauer. Das Auto ist eine Maschine, auch wenn es rollende Entertainmentsysteme geworden sind. Trotzdem muss noch jemand berechnen, welche Kräfte beim Bremsen wirken und wie sich das Drehmoment des Motors auf die Straße überträgt. Früher konnten sich die Disziplinen der Ingenieurswissenschaften stärker voneinander abgrenzen. Das geht heute nicht mehr, weil die Technik verzahnter ist. Die Verantwortung für das gesamte System liegt aber immer noch bei den Maschinenbauern.
Ihr Studiengang bietet aktuell sechs verschiedene Fachrichtungen an. Ab 2020 könnte noch eine dazukommen. Eine Spezialisierung auf Generalisierung. Ist das nicht ein Widerspruch?
Maschinenbauer waren schon immer Generalisten. Durch die Vertiefung können sich Studenten ein noch breiteres Hintergrundwissen aneignen. Auch Ethik im Ingenieursberuf wird dabei ein wichtiger Bestandteil sein. Ethik gehört nicht nur in die Grundlagenforschung, sondern auch in die Ausbildung von Praktikern. Was ein Algorithmus darf und was nicht, entscheidet auch der Ingenieur, der die Daten liefert und ihn programmiert.
In Seminaren diskutieren angehende Ingenieure also vielleicht bald, wie weit Künstliche Intelligenz und waffenfähige Drohnen gehen dürfen?
Auch, aber soweit muss man gar nicht gehen. Dem Diesel-Skandal und unnötigem Verpackungsmüll liegen auch moralische Fragen zugrunde. Als Ingenieur muss man nicht allein entscheiden können, was ethisch vertretbar ist. Aber man muss die Folgen einschätzen können. Es geht nicht darum etwas zu verteufeln, sondern junge Erwachsene für das Thema zu sensibilisieren. Ich war bei der Friedensdemonstration in Bonn 1982 gegen den NATO-Doppelbeschluss dabei. Wir waren gegen Aufrüstung, und die Umwelt war uns schon damals wichtig. Dann habe ich Maschinenbau und Energietechnik studiert. Später war ich für Kernkraftwerke verantwortlich – das hätte ich mit 17 Jahren auch nicht gedacht.
Zur PersonJohannes Paulus wurde 1964 in Morbach im Hunsrück geboren. Nach dem Abitur studierte er von 1983 bis 1989 Maschinenbau an der Ruhr-Universität Bochum, an der er 1995 promovierte. Nach seinem Studium war Paulus zunächst beim Umweltministerium des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. Im Herbst 1990 kehrte er zur Ruhr-Universität Bochum zurück und leitete ein Projekt für den Forschungsreaktor München II. Seit 2003 lehrt und forscht Paulus an der FHWS in Schweinfurt auf den Gebieten Thermodynamik und Energietechnik. Der Professor ist seit 2014 Dekan der Fakultät für Maschinenbau. Paulus wohnt in Poppenhausen, ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern.