Geht der Schuss nach hinten los? Die Zukunft des Grabelands von Oberwerrn lässt die Emotionen auf Touren kommen. Den knapp 100 Gärtnern auf Gemeindegrund im Hochwassergebiet am Bartelsgraben (Ortsrand in Richtung Niederwerrn) flatterte im Januar die Kündigung ins Haus. Die Gärten müssen bis Ende September geräumt sein. Dann will die Gemeinde geordnete Parzellen unter Einhaltung der bislang nicht immer beachteten Grundstücksgrenzen schaffen. "Ungezählte" Briefe und "unangenehme" Telefonate hat Bürgermeisterin Bettina Bärmann in den vergangenen Wochen deswegen erhalten.
Gartenland für Gartenfrüchte
Die Redaktion hat mit Betroffenen und der Bürgermeisterin gesprochen und am Bartelsgraben einen Mann mit Hund getroffen. Für den Spaziergänger "sieht es dort aus wie im Kosovo", oder wie in dem Deutschland der Nachkriegsjahre, in denen auf Gartenland Gartenfrüchte angebaut und in Kleingärten noch keine Liegewiesen gestaltet und Grillfeste gefeiert wurden. Artenreich waren diese Gärten, in denen – wie jetzt noch im Grabeland – die Zauneidechse heimisch war, deren Vorkommen das Grabeland jedoch nicht vor Veränderung schützen, sondern dessen gärtnerische Nutzung beschneiden wird. Ob das von jenen so gedacht war, die den Schutz des Schuppenkriechtiers angemahnt hatten, darf bezweifelt werden.

Im Grabeland soll im Herbst alles platt gemacht werden, was zumindest die Eidechsen, Wildbienen, Hummeln und Wespen, die Feldhasen, Fasane, Wildenten und Maulwürfe sowie Falter, Schmetterlinge und die Vogelwelt nicht freuen wird. Erfahren haben dies Daniela Waltinger und Heidrun Hutter sowie alle weiteren Pächter mit dem Kündigungsschreiben der Gemeinde vom 26. Januar. Darin heißt es: "Die Gemeinde wird die Kleingartenanlage 2021/2022 neu strukturieren", um weiterhin die Möglichkeiten des Obst- und Gemüseanbaus in einer "übersichtlichen Kleingartenanlage" bieten zu können. Auch wurde mitgeteilt, dass sämtliche Pflanzen, Sträucher, Blumen und Gartenhäuser zu entfernen sind, damit die Gemeinde ab Oktober das komplette Areal umgraben kann. Noch Vorhandenes werde vernichtet und nicht ersetzt.
Über Jahre hinweg Bodenstruktur aufgebaut
Eine Informationsveranstaltung für die Bürger gab es im Vorfeld nicht – "wegen der Pandemie", hat Heidrun Hutter aus dem Rathaus erfahren. Gegen den Eingriff in ein "intaktes Stück Natur" durch die Gemeinde, die sich mit dem Aufstellen von Bienenhotels und mit dem Anlegen von Blühwiesen als umweltfreundlich vermarkte, führt Hutter ins Feld, dass ihr damit auch die Nutzung der von ihr aufgebauten Bodenstruktur in ihrem bisherigen Garten entzogen werde.

Dass sich Nachbarn, etwa die Bewohner des Schleifwegs, über die ungenutzten und verwilderten Parzellen geärgert hätten, kann auch Daniela Waltinger nachvollziehen. Allerdings habe die Gemeinde auch nichts unternommen – außer einmal im Jahr den Weg zu mähen. Jetzt werde alles radikal geändert, ohne daran zu denken, dass ein mancher von dem Ertrag aus dem Garten lebe, der Garten sein Lebensinhalt sei.
Umweltbüro bestätigt Vorkommen der Zauneidechse
Erneut Post aus dem Rathaus bekamen die Gärtner Ende Juli. Angekündigt wurde, dass drei Container jeweils für Schnittgut, Steine und Holz aufgestellt werden. Außerdem wurde auf einen Hinweis aus den Reihen der Pächter eingegangen. Diese hatten auf zu schützende Tierarten im Grabeland aufmerksam gemacht, weshalb die Gemeinde in Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde ein Gutachten in Auftrag gab. Mittlerweile hat das Umweltbüro Fabion das Vorkommen der streng geschützten Zauneidechse bestätigt.
Bürgermeisterin Bettina Bärmann spricht von einem über Jahre nicht angegangenen Problem, für dessen Lösung es keinen Königsweg gebe. Die Vorgabe, dass alle Aufbauten in dem Hochwassergebiet stets im Oktober (bis März) zu beseitigen sind, sei nicht mehr eingehalten worden und die Nutzung der Parzellen habe sich über die Grundstücksgrenzen hinweg "verselbstständig". Andererseits hätten sich die Anfragen nach Pachtland am Bartelsgraben erhöht, doch die eigentlich freien Grundstücke seien gar nicht frei gewesen.

Bei der Neuordnung werde man die Wünsche der bisherigen Pächter berücksichtigen, so Bärmann. Dazu gab es bei der "frühzeitigen" Kündigung im Januar (hätte auch noch im Juni kommen können) ein Formular, mit dem man sich für die künftige Bewirtschaftung im Grabeland anmelden konnte – auch auf der bisher zugewiesenen Parzelle, so die Bürgermeisterin. Zudem habe die Gemeinde das Angebot gemacht, in Kübel gesetzte Pflanzen zwischenzulagern. "Das alles ist für die Pächter natürlich nicht erfreulich", sei aber notwendig, so die Bürgermeisterin.
Im September im Gemeinderat
Der in diesen Tagen eingegangene Zwischenbericht des Gutachterbüros wird laut Bettina Bärmann vermutlich zur Ausweisung von Schutzflächen für die Zauneidechse führen und Teile des Gartenlands aus der Bewirtschaftung nehmen. Im Gemeinderat wird über die Zukunft im Grabeland diesen Monat diskutiert.