Umsatz gestiegen, Belegschaft gewachsen: Der schwäbische Automobilzulieferer ZF scheint in einer guten Spur zu sein. Dennoch bleibt die Unruhe im Zusammenhang mit einem befürchteten Stellenabbau am Konzernstandort Schweinfurt, dem größten kommerziellen Arbeitgeber in Mainfranken.
Das wurde am Donnerstag deutlich, als die ZF Friedrichshafen AG ihre Bilanz für 2023 vorstellte. Im Vorfeld hatte die IG Metall in Schweinfurt mit zwei Brandbriefen für Aufmerksamkeit gesorgt, in denen von einem geplanten Abbau von 2000 der gut 9000 ZF-Arbeitsplätze in der Industriestadt am Main die Rede ist.

Nachdem schon Schweinfurts Werksleiter Manfred Süß vor wenigen Tagen in einem Interview mit dieser Redaktion versucht hatte, solche Befürchtungen vom Tisch zu wischen, betonte am Donnerstag auch ZF-Vorstandsvorsitzender Holger Klein die Standfestigkeit des von einer kommunalen Stiftung getragenen Konzerns.
Klein erwähnte Schweinfurt nicht ausdrücklich, doch betonte er mit Blick auf alle ZF-Werke in Deutschland, dass sie unter einem hohen Kostendruck stünden. Hinzu komme die Wende hin zur Elektromobilität, die die gesamte Autobranche massiv herausfordere. Insofern werde ZF in Deutschland langfristig mit weniger als den aktuell 54.000 Beschäftigten auskommen müssen, so Klein. Dennoch gehe es ZF momentan "um Kosten, nicht um Köpfe".
Schweinfurts ZF-Betriebsratschef Moll spricht von "geistigem Spagat"
Eine Aussicht, die auch Werksleiter Süß kürzlich skizziert hatte. Der Bau von Elektrofahrzeugen brauche "weniger Mitarbeiter, da die Fertigungstiefe im Vergleich zum Verbrenner niedriger ist". Auf der anderen Seite habe ZF in Schweinfurt so viel Produktionsfläche wie noch nie.
Gute Zahlen und viel Produktion auf der einen Seite, Kostendruck und befürchteter Stellenabbau auf der anderen: Das sei momentan für die ZF-Belegschaft "ein geistiger Spagat, der kaum auszuhalten ist", sagte Schweinfurts Betriebsratsvorsitzender Oliver Moll am Donnerstag gegenüber dieser Redaktion. Die IG Metall habe mit ihren Brandbriefen Recht. Moll geht deshalb davon aus, dass bis 2030 in Schweinfurt 2000 ZF-Jobs wegfallen werden.
In Zahlen: Was die ZF Friedrichshafen AG ausmacht
Der Konzern mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee ist global einer der größten Zulieferer der Autoindustrie. Er beschäftigte Ende 2023 knapp 169.000 Menschen in aller Welt, etwa 4000 mehr als im Jahr davor. Der Umsatz stieg in dieser Zeit von 43,8 auf 46,6 Milliarden Euro, das operative Ergebnis (Ebit) von 2,0 auf 2,4 Milliarden Euro, legte ZF-Finanzchef Michael Frick bei der Bilanzpräsentation dar. Demnach fiel allerdings das Ergebnis nach Steuern um fast 67 Prozent auf 126 Millionen Euro.
Das meiste Geschäft macht ZF nach eigenen Angaben weiterhin in Europa, wo im vergangenen Jahr 44 Prozent des Gesamtumsatzes erzielt wurden. Auf Nordamerika entfallen 28 und auf den Asien/Pazifik-Raum 24 Prozent. Diese Quoten passen zur Aussage von Vorstandschef Klein am Donnerstag, wonach Deutschland "eine wichtige Säule" des Unternehmens bleibe.

Andererseits waren in den vergangenen Wochen immer wieder Befürchtungen laut geworden, ZF könnte Teile seiner Produktion ins Ausland verlagern. Dem widersprach Klein: Es gehe in erster Linie an allen deutschen Standorten darum, die Kosten zu senken und die Produktivität zu steigern. Außerdem müsse überall die Produktpalette unter die Lupe genommen werden.
Betriebsratschef Moll sieht darin "ein Rattenrennen" der ZF-Standorte. Dieser angefeuerte Konkurrenzkampf werde dafür sorgen, dass die Belegschaften gegeneinander ausgespielt würden, wenn es um die Vergabe von großen Aufträgen an ZF-Werke geht.

Klein betonte am Donnerstag indes, "dass Standorte wie Schweinfurt für die E-Mobilität fitgemacht werden". Was gut klingt, bezeichnete Moll als "Quatsch", denn das Thema Elektromobilität sei bei ZF ja in Schweinfurt entstanden und habe dort schon immer eine feste Verankerung.
Dennoch wolle ZF bis 2026 weltweit 18 Milliarden Euro investieren, davon 10,6 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Bis zu 30 Prozent dieses Geldes könnten in die deutschen Werke fließen – "wenn es die Wettbewerbsfähigkeit dieser Standorte erlaubt", ergänzte Klein.
ZF-Chef Klein macht mit politischer Stellungnahme auf sich aufmerksam
Für deren Beschäftigte gab es am Donnerstag immerhin eine gute Nachricht: Mit einer betrieblichen Erfolgsbeteiligung in Höhe von jeweils 1000 Euro brutto honoriere ZF die Leistungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im vergangenen Jahr, heißt es in einer Mitteilung.
Ähnlich wie jüngst Ex-Trigema-Chef Wolfgang Grupp oder der Milliardär und "Schraubenkönig" Reinhold Würth machte auch ZF-Lenker Klein am Donnerstag mit einer politischen Stellungnahme auf sich aufmerksam. Er appellierte an die 95.000 ZF-Beschäftigten in Europa, im Juni ihre Stimmen bei der Wahl zum europäischen Parlament abzugeben. "Wir brauchen ein starkes, demokratisches Europa", meinte Klein und erteilte damit indirekt populistischen oder rechtsextremen Strömungen eine Absage.
Anmerkung der Redaktion: Ursprünglich war in diesem Absatz von einem operativen Ergebnis in Höhe von 2,4 Millionen Euro zu lesen. Das ist falsch. Es sind 2,4 Milliarden Euro. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.