Flaute, Kostendruck, Stellenabbau: Die Nervosität in der mainfränkischen Industrie ist seit Monaten groß. Das ist derzeit unter anderem beim Autozulieferer ZF zu erkennen, dessen Werke in Schweinfurt mit zusammen 9000 Beschäftigten die größten kommerziellen Arbeitgeber in der Region sind. Nun hat ZF-Konzernchef Holger Klein weiteres Öl ins Feuer gegossen.
In einem Interview mit dem "Manager Magazin" redete Klein vor wenigen Tagen Tacheles: "Die Situation ist sehr ernst." Es ist die Rede davon, dass ZF bis 2030 in Deutschland 12.000 Arbeitsplätze streicht, 2000 davon in Schweinfurt. Vorerst geht es dort erst einmal um knapp 400 Stellen, die wegen der aktuellen Flaute bis Ende 2024 wegfallen sollen.

ZF muss wegen der Mobilitätswende hin zu E-Autos einen Kraftakt hinlegen, ist hoch verschuldet und steht unter großem Kostendruck. In Schweinfurt arbeiten zwei Drittel der ZF-Belegschaft im Bereich Elektromobilität, der Rest ist anderen Sparten zugeordnet, darunter dem als Aftermarket bezeichneten Bereich für Ersatzteile.
Auch Schweinfurts Betriebsratsvorsitzender Oliver Moll sieht dunkle Wolken am ZF-Himmel. Vielen Beschäftigten sei der Ernst der Lage nicht klar, sagte er dieser Redaktion. Sie würden geblendet von der Tatsache, dass in manchen Abteilungen momentan Sonderschichten liefen und generell "viel Arbeit" zu leisten sei. Doch das könne sich im nächsten halben Jahr "sehr schnell ändern".

Wie energisch die Konzernzentrale in Friedrichshafen offenbar den Rotstift ansetzt, zeige die Tatsache, dass derzeit die Agentur McKinsey als international renommierte Unternehmensberatung die Schweinfurter Werke unter die Lupe nehme, sagte Moll. Nach seinen Worten sollen die Fachleute unter anderem herausfinden, an welchen Produktionslinien Personal verringert werden kann.

Vorstandsvorsitzender Klein machte in dem Interview mit dem "Manager Magazin" klar, dass er den Sparkurs im Konzern an mehreren Stellen vorantreiben will. Mitunter werde "es auch Aufhebungsverträge geben". In Schweinfurt sei dieses Mittel des Job-Abbaus aber "noch kein Thema", sagte Moll.
Indes sei im Konzern vor wenigen Tagen ein Altersteilzeit-Modell aufgelegt worden, mit dem der Stellenabbau ebenfalls vorangetrieben werden soll. Seit Anfang des Monats können sich laut Moll Beschäftigte zu dieser Altersteilzeit beraten lassen. Entsprechende Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber "müssen noch in diesem Jahr unterschrieben werden". Die Ansparphase beginne dann Ende 2025.
Hohes Interesse an Altersteilzeit bei ZF in Schweinfurt
Der Betriebsratsvorsitzende hält das Modell "für eine gute Regelung", die in der Schweinfurter Belegschaft bereits auf positive Resonanz gestoßen sei. Zahlen darüber, wie viele Mitarbeitende von dem Angebot Gebrauch machen, liegen laut Moll nicht vor. Nur so viel: "Das Interesse daran ist hoch." Die bearbeitenden Kollegen würden von Anfragen überhäuft.

Auch wenn Moll das Angebot des Arbeitgebers grundsätzlich für gut befände, kritisierte er, dass derartige Modelle den Druck auf die verbliebene Belegschaft erhöhen würden. "Dadurch wird die Arbeit nicht weniger." Die Gewinnansprüche des Konzerns blieben gleich. Demnach strebe ZF einen jährlichen Produktivitätszuwachs von fünf Prozent an. "Solange wir eine Wachstumsphase haben, kann man das daran abbilden. Aktuell haben wir aber keine Wachstumsphase." So fielen die fünf Prozent direkt auf die verbliebenen Beschäftigten zurück.
Stellenabbau überschattet Betriebsversammlung
Am Montag, 8. Juli, hatte ZF in Schweinfurt eine reguläre Betriebsversammlung angesetzt. Darin wurden die Beschäftigten auch über die aktuelle Lage des Konzerns unterrichtet. Die Gesprächsthemen seien trotz entspannter Stimmung von den Meldungen der vergangenen Wochen überschattet gewesen, sagte Moll. Für Erleichterung sorgte eine Aussage des Unternehmens, dass kein Beschäftigter gegen seinen Willen ZF verlassen müsse – auch nicht am Standort Schweinfurt, zitierte Moll.

Für den Betriebsratsvorsitzenden sind diese Neuigkeiten allerdings noch kein Grund zur Erleichterung. Bei den 380 Stellen, die ZF bis Ende des Jahres abbauen will, handle es sich um einen rein umsatzbedingten Stellenabbau zur Rettung der Bilanz. "Der transformative Wandel zum Elektromotor ist da noch nicht inbegriffen." Aktuell hingen noch bis zu 2000 Stellen am Verbrennermotor.
ZF will sechs Milliarden Euro einsparen
Laut dem Schweinfurter ZF-Standortleiter Manfred Süß befinde sich die Automobilindustrie in der größten Transformation seit ihrem Bestehen. Eine schwache Konjunktur, instabile politische Rahmenbedingungen, hoher Preisdruck und ein schleppender Hochlauf der Elektromobilität zwinge die Unternehmen dazu, "besonders sorgsam mit ihren finanziellen Ressourcen umzugehen", antwortete Süß auf eine Anfrage dieser Redaktion.
Ziel sei es, die Kosten des Konzerns in 2024 und 2025 um rund sechs Milliarden Euro zu verbessern. "Dabei geht es nicht allein ums Sparen, sondern zum Beispiel auch um eine höhere Produktivität der Werke", so Süß. Die Branche und der Standort Schweinfurt würden weiterhin unter sinkenden Verkaufszahlen bei E-Autos leiden. Befristete Stellen und Verträge von Zeitarbeitern würden daher in der Division E-Mobilität aktuell nicht verlängert. "Über die Art und Weise, wie das Effizienzprogramm und die sozialverträgliche Stellenreduzierung ein Erfolg werden, wollen wir jetzt mit der Arbeitnehmervertretung sprechen", sagte Süß.