Alexander Schraml hat das Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg (KU) mit aufgebaut und 25 Jahre lang geleitet. Dass der 58-Jährige promovierte Jurist und Honorarprofessor nun in die zweite Reihe zurücktritt, hat Verwunderung ausgelöst. Er arbeitet künftig in Teilzeit als Vorstandsassistent für seine Nachfolgerin Eva von Vietinghoff-Scheel.
Frage: Wie kam's eigentlich dazu, dass Sie Chef des Kommunalunternehmens wurden?
Alexander Schraml: Ich war zwei Jahre Richter am Verwaltungsgericht, bevor ich zum Landratsamt kam. Nach dem Studium ist das nicht schlecht. Landrat Waldemar Zorn hatte damals die geniale Idee einer Verwaltungsreform. Dafür hat er einen Juristen gebraucht und ich habe offenbar den Eindruck gemacht, dass ich da gerne mitmachen würde. Alles Weitere hat sich ergeben.
Die Fliege ist weg. Die ist doch zu Ihrem Markenzeichen geworden.
Schraml: Ja, ich hab sie meiner Nachfolgerin Eva von Vietinghoff-Scheel übergeben. Zur Fliege kam ich, weil ich keine Krawatten binden konnte und am Gericht etwas um den Hals brauchte. Danach hat sie sich als sehr sinnvoll erwiesen, auch für die Mitarbeiter. Weil jeder sagen konnte: Wenn einer mit der Fliege auftaucht, das ist der Chef. Ich hab es jetzt wirklich als symbolisch empfunden, sie meiner Nachfolgerin zu übergeben. Das ist vielleicht ein Zeichen von mehr Freiheit.
Sie hatten aber genügend Zeit, um zu lernen, wie man eine Krawatte bindet.
Schraml: Nee, wirklich nicht. Ich war kürzlich sogar bei Markus Söder ohne Fliege. Ich hatte sie zwar dabei, hab sie aber nicht angelegt. Wirklich als Zeichen: Ich bin jetzt nicht mehr Vorstand, das macht jetzt jemand anders. Die Fliege, die ich ihr übergeben habe, hängt jetzt an der Schreibtischlampe meiner Kollegin – meiner Chefin.

Sie hatten Verantwortung in unterschiedlichsten Bereichen, von der Main-Klinik über die Seniorenheime bis hin zur Müllabfuhr. Wie kriegt man überhaupt alles unter einen Hut? Was ist das Geheimnis dabei?
Schraml: Mein Vorteil war, dass das Kommunalunternehmen langsam gewachsen ist. Irgendwann fragt man sich natürlich schon, ob man das alles noch im Griff hat. Meiner Meinung nach hat's ganz gut funktioniert. Funktioniert hat es aber vor allem durch unser System, dass wir eine sehr starke zweite Reihe haben. Zum Beispiel in der Main-Klinik. Da haben Kollegen in anderen Landkreisen in der Tiefe viel mehr Ahnung als ich. Aber dazu hatte ich Christian Schell, zunächst als Verwaltungsleiter und jetzt als Geschäftsführer. Ich konnte mich also ganz auf das konzentrieren, was für die Führung des Unternehmens wichtig war. Und das gilt für die anderen Bereiche, Kolleginnen und Kollegen genauso.
"Die Öffentliche Hand kann dann mit Geld umgehen, wenn sie die richtigen Unternehmensformen hat."
Alexander Schraml, Vorstandsassistent
Sie haben sich nie davor gescheut, sich auch mal mit Mitgliedern des Kreistags oder mit Bürgermeistern, Bürgermeisterinnen anzulegen. Ich denke da zum Beispiel an die Übertragung der Müllabfuhr auf den Landkreis 2004. Fällt es Ihnen leicht, als Buhmann dazustehen?
Schraml: Leicht ist das nicht. Ich bin ja kein Masochist. Aber ich habe immer gesagt: Wenn es der Sache dient, dann mache ich das auch. Ich hab das nie gemacht, weil ich irgendwo gewinnen wollte. In der Abfallwirtschaft etwa war ich von Anfang an überzeugt, dass die Zuständigkeit des Landkreises allen was bringt, der Umwelt, den Finanzen und den Bürgern. Ich hab meine Rolle schon so verstanden, dass ich nach vorne gehe, und dem Landrat dadurch den Rücken freihalte, der natürlich politisch ganz anders unter Druck steht. Und die Landräte haben da immer gut mitgespielt.
Ich denke, dazu gehört viel innere Überzeugung. Was hat Sie angetrieben? Was war ihr Mantra?
Schraml: Was mich auch weiterhin antreibt, und warum ich auch jetzt noch in den ganzen Verbänden tätig bin, ist die Gemeinwohlorientierung. Ich sage: Wir müssen aufhören damit, dass Einzelne Geld machen mit Aufgaben, die eigentlich der Allgemeinheit dienen. Das betrifft die Abfallwirtschaft, Stichwort DSD, wo ich unermüdlich dafür kämpfe, dass ein sinnvolles System kommt. Das betrifft zurzeit den ganzen Bereich der Pflege, wo private Heimbetreiber dicht machen, nachdem sie sich vorher die Kohle abgegriffen haben. Das kann so nicht sein.
Die Unterstellung dabei war ja immer, dass die Öffentliche Hand nicht mit Geld umgehen kann.
Schraml: Genau, und das ist falsch. Drum sage ich auch jedem: Die Öffentliche Hand kann dann mit Geld umgehen, wenn sie die richtigen Unternehmensformen hat. Wenn ich ein Pflegeheim betreibe, dann muss ich es auch wie ein Unternehmen betreiben und den Führungskräften genügend Freiheit geben.
Sie sagen, Sie wollten nie gewinnen. Von ihnen ist aber auch das Zitat überliefert: Wir haben noch nie verloren. Ist das Arroganz oder Selbstüberschätzung?
Schraml: Nein! Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann darf ich nicht verlieren. Ich werde nicht fürs Verlieren bezahlt. Man muss natürlich prüfen, ob das Ziel richtig ist. Als wir die Konzessionen im ÖPNV damals an uns gezogen haben, als uns die privaten Omnibusunternehmer verteufelt haben und wir sogar Gegenstand des Petitionsausschusses im Landtag waren, war ich überzeugt, dass es das beste System ist, wenn der Landkreis den ÖPNV selbst gestalten kann. Und dann verliere ich nicht. Das geht einfach nicht.
Hand aufs Herz: Wann haben Sie trotzdem einmal verloren?
Schraml: Fällt Ihnen etwas ein? Man muss natürlich manchmal die Ziele korrigieren, etwa wenn man im laufenden Prozess merkt, dass man übers Ziel hinausgeschossen ist. Aber ansonsten? Nee.
Kann man es als Teil ihrer Strategie ansehen, die Pflöcke immer ganz weit vorne einzuschlagen, um gegebenenfalls zurückrudern zu können und doch noch am Ziel anzukommen?
Schraml: Das ist manchmal durchaus sinnvoll.
Sie sind jetzt in die zweite Reihe zurückgetreten, firmieren als Vorstandsreferent und Prokurist in Teilzeit. Machen Sie es Ihrer Nachfolgerin damit nicht unnötig schwer, weil immer noch der große Schatten des Alexander Schraml hinter ihr steht?
Schraml: Das kapiert eigentlich keiner. Wir sind so gute Kollegen, das ist unglaublich. Ich sitze ja weiterhin am gleichen Schreibtisch, bin nur nicht mehr so häufig da. Der Schatten wäre ja auch da, wenn ich nicht mehr da wäre. Auch dann würde verglichen werden. Deshalb war es mir so wichtig, dass wir diese drei Jahre doppelte Vorstandsarbeit gemacht haben. Und das hat Frau von Vietinghoff-Scheel genial genutzt.
Was machen Sie dann eigentlich jetzt?
Schraml: Ich habe Sonderthemen, die nichts mit Führung zu tun haben. Ich hab von der Geschäftsführung der Altenheime das Thema Katastrophenschutz bekommen. Dann mache ich das Thema Hausärzte-MVZ im westlichen Landkreis. Die Verbandsarbeit für die Altenpflege obliegt mir weiterhin komplett auf Bundes- und Landesebene. Und alles andere auf Zuruf. Das heißt, ich bin wirklich ganztags beschäftigt, arbeite aber formal halbtags. Das ist auch okay so - und Verbandsarbeit für die Pflege ist für mich keine Arbeit, das macht Spaß. Da spiele ich lieber hier mit, statt Golf.
Sie haben in Ihrem Leben schon viele Interviews gegeben. Gibt es eine Frage, die Ihnen niemand gestellt hat, die Sie aber gerne beantwortet hätten?
Schraml: Mmhh. Was ich in einem Job wie dem meinen wirklich vermisse, ist die emotionale Anteilnahme. Ich will jetzt nicht von Dankbarkeit sprechen. Wir sind zwar Manager, aber wir sind natürlich auch Menschen. Und etwas mehr Empathie wäre manchmal wirklich hilfreich. Es ist so angenehm, wenn jemand merkt, worum es mir eigentlich geht, nämlich nicht um Eitelkeit, persönlichen Erfolg oder ums Geld geht, sondern darum, meinen Job wirklich gut zu machen. So etwas tut gut.
Wie müsste die Frage jetzt lauten?
Schraml: Das dürfen Sie sich überlegen.