Die Zahl der Arbeitslosen in Unterfranken steigt weiter: Im Februar 2025 waren 30.660 Menschen ohne Arbeit, vor einem Jahr waren es im Februar 27.270 Menschen gewesen. Damit ist der Stand der Arbeitslosigkeit in der Region so hoch wie in den vergangenen zehn Jahren nicht: "Wir stecken in einer konjunkturellen und strukturellen Krise, dies lässt die Arbeitslosigkeit kontinuierlich steigen", sagt Stefan Beil, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Würzburg.
Der Stellenabbau in der Industrie trifft die gesamte Region. Parallel kämpfen viele Unternehmen mit Fachkräftemangel, der sich durch den demografischen Wandel weiter verschärfen wird. "Die Fachkräfteprobleme von heute lösen wir nicht mit den Methoden von gestern", sagt Daniel Terzenbach von der Bundesagentur für Arbeit.

Bei der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt, bei der ein Positionspapier unter dem Titel "Arbeitskräfte gewinnen – Arbeitsmarkt deregulieren verabschiedet wurde, forderte Terzenbach: "Wir brauchen neue Wege, pragmatische Lösungen und Mut zur Veränderung."
Welche Auswege gibt es aus der Krise? Wie lässt sich Arbeitslosigkeit vermeiden? Vier Experten nennen ihre Ansätze.
1. Stefan Beil, Chef der Arbeitsagentur Würzburg: Arbeitsmarktdrehscheiben nutzen

Werksschließungen, Jobabbau und Produktionsverlagerungen ins Ausland prägen derzeit die regionale Wirtschaft. Gleichzeitig wachsen manche Branchen und suchen dringend gut ausgebildete Arbeitskräfte. Gesucht wird aktuell zum Beispiel im Bereich IT, aber auch in der Pflege. Stefan Beil, Geschäftsführer der Arbeitsagentur in Würzburg, setzt auf Arbeitsmarktdrehscheiben: "Sie sind ein wichtiges Instrument, damit Beschäftigte bei Entlassungen nahtlos von einem Betrieb A in Betrieb B wechseln."
Für einen solchen Wechsel brauche es allerdings zwei Betriebe aus verwandten Branchen. Die Arbeitsmarktdrehscheibe könne beispielsweise helfen, wenn Unternehmen Personal im Automobilsektor aufgrund schwacher Nachfrage abbauen und gleichzeitig im Rüstungsbereich zusätzliche Beschäftigte einstellen. "Der Arbeitsmarkt ist durchaus noch aufnahmefähig", sagt Beil.

2. Sascha Genders, Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt: Auf Rüstungsindustrie umstellen

Als Autozulieferer im Rüstungsbereich tätig zu werden - ist das die Lösung für die regionale Industrie? Geschäftsmodelle könnten sich durchaus verändern, sagt Sascha Genders, Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt. Die Industrie in Mainfranken müsse und könne sich anpassen und Potenziale neu entfalten: "Rüstung stellt ein Geschäftsfeld der Zukunft dar", so Genders. "Wir müssen uns letztlich auch fragen, welchen Beitrag die regionale Wirtschaft für die Landesverteidigung leisten kann."

3. Richard Paul, Geschäftsführer der Arbeitsagentur Schweinfurt: Besser ausbilden und qualifizieren

Im Jahr 2023 hatten 56 Prozent der Arbeitslosen in Deutschland laut Arbeitsagentur keinen Berufsabschluss. Bei den Langzeitarbeitslosen lag der Anteil bei 60,8 Prozent. Ohne Berufsqualifikation können Beschäftigte meist nur Hilfstätigkeiten ausüben, sagt Richard Paul, Chef der Arbeitsagentur in Schweinfurt. "Gesucht werden aber Fachkräfte und Spezialisten", sagt Paul. Er sieht deshalb eine abgeschlossene Berufsausbildung "auch künftig als wirksamen Schutz vor Arbeitslosigkeit".
Auch der Anteil der Teilzeitkräfte steige in der Region weiter, sagt Paul. Darin stecke Potenzial für Fachkräfte: "Arbeitgeber mit familienfreundlichen Arbeitsplätzen werden künftig punkten: Dazu zählen flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Unterstützung bei der Kinderbetreuung", sagt der Schweinfurter Arbeitsagentur-Leiter.
4. Daniel Terzenbach, Regionen-Vorstand der Bundesagentur für Arbeit: Abwanderung vermeiden

Das Thema Abwanderung sei bundesweit ein Problem, sagt Daniel Terzenbach, Vorstand Regionen bei der Bundesagentur für Arbeit: "Jährlich verlassen 800.000 Menschen Deutschland. Die meisten sind gut ausgebildet." Die Bürokratie sei dafür ein Hauptgrund.
Terzenbach fordert pragmatische Ansätze, um ausländische Arbeits- und Fachkräfte besser zu integrieren und neue zu gewinnen. Dazu zählten auch beschleunigte Verfahren und weniger Bürokratie. "Es darf nicht passieren, dass wir unsere Fachkräfte an Österreich und die Schweiz verlieren."
