„Livemusik seit 1970“ steht auf der kleinen Leuchtreklame über einem unscheinbaren Hauseingang in der Würzburger Theaterstraße 10. Öffnet man die Holztüre, blickt man in einen Flur, der in ein x-beliebiges Mietshaus führen könnte. Wäre da nicht am Ende des Flurs eine weitere Tür, die in einen Keller führt.

Dort befindet sich seit sage und schreibe 50 Jahren der „Omnibus“. Dort wird seit sage und schreibe Januar 1970 handgemachte Musik gespielt. Jazz in all seinen Spielarten: von Swing bis Free, Folklore aus allen Kontinenten, deutsche Liedermacher, Blueslegenden aus den USA, aber auch rockigere Klänge. Es gab so gut nichts, was es im Omnibus nicht gegeben hätte. Der „Omnibus“ war eben – nomen est omen – offen für alles und alle. Und ist es immer noch.
Nicht "Off Limits": Ein Ort für junge US-Soldaten
Das zeigte sich vor allem in den frühen Jahren, als noch tausende US-Soldaten in Würzburg stationiert waren. Da hing nämlich an vielen Würzburger Lokalen und Diskotheken ein Schild mit der Aufschrift „Off Limits“. Es signalisierte den GIs, dass sie hier nicht willkommen waren und draußen bleiben sollten. Nicht so im „Omnibus“. Dort konnten sich die jungen Soldaten abends treffen - und vor allem auch Musik aus ihrer Heimat hören.
Sie blieben nicht unter sich. Es wurden viele Kontakte zu den deutschen Gästen geknüpft, die nicht selten zu langen Freundschaften führten. Zwar seien damals auch Unterschriften dagegen gesammelt worden, dass amerikanische Soldaten im Omnibus verkehrten, berichtet Inhaber Günther Vollkommer 50 Jahre später. Doch man rückte nicht davon ab. Im Gegenteil: Jeden Sonntag spielte die Gruppe „New Breed“, eine Band von hier stationierten US-Soldaten.

Dass alles seine Ordnung hatte - es war die Zeit, in der Drogen auch hierzulande zu kursieren begannen -, darüber wachte mit strengem Regiment hinterm Tresen „der Willi“. Willi Lutz, ein ehemaliger Hotelkellner, war ein herzensguter und überaus freundlicher Mensch - solange die Gäste die Spielregeln einhielten. Wurden die übertreten, dann griff „der Willi“ ein und durch. Und „Bösewichte“ wurden aus dem Keller entfernt. Das indes geschah nicht allzu häufig. Denn im „Bus“ ging - und geht es - es in der Regel friedlich und entspannt zu.
Vom Partykeller zum Musiklokal
Dass im Gewölbekeller aus der Zeit Balthasar Neumanns der „Omnibus“ entstehen konnte, daran ist Günther Vollkommer „schuld“. Seine Eltern betrieben in dem Haus einen Feinkosthandel. Und der Sohn feierte im Keller gerne mal eine Party, über die jene, die dabei waren, noch heute die ein oder andere Anekdote erzählen können. Zweiter „Mitschuldiger“ war ein französischer Hippie namens Philippe Vincent. Der war damals mit einem alten französischen Omnibus in Würzburg unterwegs. Das Gefährt wurde zum Namensgeber für den neuen Musikkeller.
Schnell sprach sich bei den jungen Würzburgern herum, dass es in der Theaterstraße ein neues Lokal gab. Musikinteressierte, Studenten, Schüler, politisch Aktive, auch spätere Bürgermeister – alle trafen sich in der neuen Szenekneipe am oftmals späten Abend.
Musikalisch bestimmten zunächst Straßenmusiker auf Durchreise das Geschehen. Günther Vollkommer hörte sie irgendwo in der Stadt, lud sie in seinen Keller ein, und das Publikum ließ einen Hut kreisen. Für die Musiker durchaus lukrativ. Bald musste Vollkommer nicht mehr suchen, die Musiker kamen von sich aus am Abend in den „Bus“. Es dauerte nicht lange, bis sich auch Profis und Agenturen meldeten. Bald konnte der „Omnibus“ ein prall gefülltes Monatsprogramm mit illustren Künstlern aus aller Welt bieten.
Weltstars, als sie noch keine waren
Zunächst hatte der klassische Jazz im Mittelpunkt gestanden. Dixieland von regionalen Bands wie den Würzburger "Main City Stompers" oder der Schweinfurter "Ball Bearing Jazzband" fand großen Publikumszuspruch. Es dauerte auch nicht lange, bis Oldtime-Jazzbands wie die "Metropolitan Jazz Band" aus Krakau oder die schon sehr bekannte Frankfurter "Barrelhouse Jazzband" vorbeischauten und den Würzburger Keller in einen Ableger der legendären Preservation Hall in New Orleans verwandelten.

Als einer der ersten deutschen Jazzclubs präsentierte der „Omnibus“ zeitgenössischen Jazz aus Polen. Ehe sie in Amerika und dem Rest der Welt zu Stars wurden, gastierten Geiger Michal Urbaniak und Sängerin Urszula Dudziak sowie ihr polnischer Landsmann, Trompeter Tomasz Stanko, im Keller in der Theaterstraße. Und Abdullah Ibrahim, der noch heute in den großen Konzertsälen der Welt spielt. Im "Omnibus" konnte man den südafrikanischen Pianisten schon in den 1970er Jahren erleben. Damals noch unter dem Namen Dollar Brand, kämpfte er in der Musikkneipe tapfer gegen die Tücken des nicht ganz astrein gestimmten Klaviers.
"Howie" und die Großen des Blues im "Omnibus"
Etliche Musiker waren bereits Stars, als sie im „Omnibus“ zu Gast waren: der Frankfurter Posaunist Albert Mangelsdorff, die Hammondorgel-Virtuosin Barbara Dennerlein, die Mannheimer Sängerin Joy Fleming, der Meister-Schlagzeuger Charly Antolini, der holländische Gitarrist Jan Akkerman . . . und, und, und.
Im November 2003, es war schon spät in der Nacht, kam auch mal Howard Carpendale vorbei. Die Musiker seiner Band hatten ihm von dem Musikkeller, den sie nach einem früheren Konzert in Würzburg besucht hatten, so vorgeschwärmt, dass er sich das auch mal anschauen wollte. Nach einem Konzert in Nürnberg fuhren "Howie" und Band nach Würzburg zum "Musikerstammtisch" im "Omnibus". Bis weit nach Mitternacht gab der Popstar ein paar Songs zum Besten.

Auch für Bluesfreunde wurde der „Omnibus“ zu einem Eldorado: Unvergessen sind die Abende mit den Pianisten Champion Jack Dupree, Blind John Davis oder Sunnyland Slim. Offiziell firmierte der „Omnibus“ in seiner Frühzeit als „Folkcenter Omnibus e.V.“ Folklore gab es also reichlich - und in allen möglichen Spielarten. Folk-Blues-Gitarristen wie Wizz Jones oder Stefan Grossman zeigten, wie virtuos eine Gitarre gespielt werden kann, Guy und Candy Caravan oder der „Banjoman“ Derroll Adams demonstrierten die aktuelle US-Folklore. Und auch deutsches Kabarett hatte seinen Platz mit Ulrich Rosky oder Jürgen von der Lippe. Immer voll war, wenn die irischen Brüder Eddie und Finbar Furey auftraten. „Da reichte die Warteschlange bis zum Barbarossaplatz“, erinnert sich Günther Vollkommer.

50 Jahre später hat sich vieles verändert
„Dass es den Omnibus 50 Jahre später immer noch geben würde, daran haben wir damals im Traum nicht gedacht“, sagt Vollkommer, der sich mit seiner Frau Gerlinde heute noch um das Musiklokal kümmert. Die Zeiten freilich haben sich geändert: „Heute können wir uns keine Musiker und Bands mehr leisten, denen wir eine Übernachtung bezahlen müssten.“ Bei etwas über 100 Plätzen seien Gagen und andere Kosten nicht mehr finanzierbar, sagt der ehemalige Banker.
Sein Beruf sei übrigens auch der Grund gewesen, warum er sich früher selbst nur selten im Keller sehen ließ: „Ich war damals der Bankmann und kein 68er.“ Heute engagieren Vollkommer und Thomas Lutze, der sich um das Programm kümmert, überwiegend Musiker aus der Region. „Es gibt hier ein Superangebot an Musikern“, sagt Vollkommer. Und verweist beispielsweise auf die seit vielen Jahren monatlich auftretenden „Bus Messengers“, die exzellente Musiker seien. Nächstes Konzert:4. Februar.
Deshalb werden Günther und Gerlinde Vollkommer auch nicht müde ihren "Bus" weiter zu betreiben. Schluss nach 50 Jahren? Keine Spur. "Wir machen es weiter, solange wir Lust dazu haben!"
Happy Birthday, Omnibus: Gefeiert wird in der Theaterstraße 10 in Würzburg am Samstag, 8. Februar, um 21 Uhr mit der „Jets Revival Band“. Es verspricht mal wieder rappelvoll zu werden. Wer mitfeiern möchte, sollte sehr rechtzeitig vor Ort sein. Wer es nicht mehr schafft, findet vielleicht im aktuellen Programm noch was Passendes: www.omnibus-wuerzburg.de
