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Ochsenfurt: 80 Jahre nach Auschwitz: Erinnerungen an Konrad Schwesers mutige Taten

Ochsenfurt

80 Jahre nach Auschwitz: Erinnerungen an Konrad Schwesers mutige Taten

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    Kreisbaumeister Konrad Schweser (Mitte) einem Foto aus dem Jahr 1963, zusammen mit dem damaligen Landrat und späteren Ochsenfurter Bürgermeister Karl Remling (rechts).
    Kreisbaumeister Konrad Schweser (Mitte) einem Foto aus dem Jahr 1963, zusammen mit dem damaligen Landrat und späteren Ochsenfurter Bürgermeister Karl Remling (rechts). Foto: Kretschmer (Archivbild)

    80 Jahre sind vergangen seit der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945. Es war der Anfang vom Ende der nationalsozialistischen Verbrechen. Im jüdischen Gemeindezentrum Shalom Europa in Würzburg erinnerte die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Würzburg und Unterfranken an fünf Menschen aus unserer Region, die mutig und unter Einsatz ihres Lebens Jüdinnen und Juden vor dem sicheren Tod bewahrt haben und dafür von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem nahe Jerusalem als "Gerechte unter den Völkern" geehrt wurden: Ilse Totzke, Claire Barwitzky, Anastasia und Severin Gerschütz sowie der Ochsenfurter Bauingenieur Konrad Schweser

    Im Ghetto erstmals mit den Gräueltaten der Nazis konfrontiert

    Die Geschichte von Konrad Schweser zeichnete Annette Taigel detailliert nach. Schweser wurde 1899 in Sulzfeld geboren. 1940 wurde er zur "Organisation Todt" eingezogen, einer paramilitärischen Bautruppe, die dem Reichsministerium für Bewaffnung und Munition unterstand und unter anderem die Aufgabe hatte, mithilfe von Zwangsarbeitern und KZ-Insassen Straßen und Schienenwege in den besetzten Gebieten in Polen und der Ukraine sowie zu den Vernichtungslagern zu bauen. Konrad Schweser war zu diesem Zeitpunkt bereits Stadtbaumeister in Ochsenfurt und erlebte im Juni 1940 im Ghetto von Łódź zum ersten Mal das Ausmaß der nationalsozialistischen Gräueltaten. 250.000 der dort eingepferchten Jüdinnen und Juden starben während des Krieges, nur 800 überlebten.

    80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zeichnete Annette Taigel von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit das Leben des Ochsenfurter Bauingenieurs Konrad Schweser nach.
    80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zeichnete Annette Taigel von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit das Leben des Ochsenfurter Bauingenieurs Konrad Schweser nach. Foto: Thomas Obermeier

    Ab November 1941 wurde Schweser als leitender Ingenieur in der heutigen Ukraine eingesetzt und war verantwortlich für die Erschließung des Landes durch die Transitstraße IV und den Eisenbahnbau. Dabei wurden russische Kriegsgefangene eingesetzt und Juden, die nur ein Minimum an Nahrung erhielten und zu schwerster körperlicher Arbeit gezwungen wurden. Von Zeit zu Zeit führte die SS sogenannte "Selektionen" durch. Kranke und Arbeitsunfähige wurden verschleppt und ermordet.

    Ein Kriegsgericht sprach Konrad Schweser aus Mangel an Beweisen frei

    Schweser protestierte heftig gegen die Verschleppung und erreichte, dass einige Juden verschont wurden, indem er behauptete, dass man ihm die Arbeitskräfte fortschleppe, die er dringend für die Erledigung seiner Aufgaben brauche. In einem Fall verhalf er einer Familie zur Flucht, indem er sie von seinem privaten Fahrer über den Fluss Bug bringen ließ. Die SS schöpfte Verdacht und klagte Schweser vor dem Kriegsgericht an, das ihn aber aus Mangel an Beweisen freisprach.

    Eine Tafel neben dem von ihm gepflanzten Baum in der Gedenkstätte Yad Vashem erinnert an Konrad Schweser als "Gerechten unter den Völkern". (Archivbild)
    Eine Tafel neben dem von ihm gepflanzten Baum in der Gedenkstätte Yad Vashem erinnert an Konrad Schweser als "Gerechten unter den Völkern". (Archivbild) Foto: Gerhard Meißner

    Als im Januar 1943 im Lager Teplik der Typhus ausbrach, der den sicheren Tod für die Erkrankten bedeutet hätte, schaffte es Konrad Schweser gemeinsam mit Lagerarzt Dr. Saiowitz, die Epidemie als schwere Grippe darzustellen. Kinder ließ er während einer Inspektion durch das SS-Kommando unter einer Theaterbühne verstecken und organisierte über einen befreundeten Ingenieur die Lieferung zusätzlicher Nahrungsmittel. Bei Auflösung des Lagers im Juni 1943 versteckte er sechs Kinder in einem Heuwagen und ließ sie später von einem Ukrainer in ein Waisenhaus im Hinterland bringen.  Mindestens 44 Menschen verdanken Konrad Schweser ihr Leben.

    Ein Baum in der Gedenkstätte Yad Vashem erinnert an Konrad Schweser

    Im Juni 1945 kehrte Schweser nach Ochsenfurt zurück und wurde 1946 Kreisbaumeister im Landkreis Ochsenfurt. Viele der von ihm geretteten Juden wandten sich ab 1965 an die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und berichteten von ihrer eigenen Rettung durch Konrad Schweser. Annette Taigel las aus einigen dieser bewegenden Briefe und Dokumente. Am 7. November 1967 erkannte Yad Vashem Konrad Schweser als "Gerechten unter den Völkern" an. Trotz schwerer Krankheit reiste er 1968 nach Jerusalem und nahm die Auszeichnung in Yad Vashem im Kreise der von ihm geretteten Jüdinnen und Juden entgegen. Der von ihm gepflanzte Baum steht dort noch heute in der "Allee der Gerechten".

    Emotional umrahmt wurde der Abend im Shalom Europa von Cornelius Wünsch am Saxophon. Wer der Musik lauschte, spürte die Sehnsucht nach Befreiung, hörte die Klagen der Menschen, die in Auschwitz und so vielen anderen Konzentrationslagern unendliches Leid erfahren mussten. Der katholische Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Burkhard Hose, schloss den Abend mit den eindringlichen Worten: "Der Jahrestag der Befreiung von Auschwitz konfrontiert uns mit der in uns liegenden Möglichkeit, uns für grausame Verbrechen und Unmenschlichkeit zu entscheiden, aber auch mit der Möglichkeit, uns für Menschlichkeit zu entscheiden". Am 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz sei es wichtig, sich zu erinnern. Noch wichtiger sei es, nicht zu schweigen vor Rassismus und Antisemitismus in der jetzigen Zeit.

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