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Bergtheim: Abschiebung trotz Personalmangel? Junge syrische Pflegehelferin aus dem Landkreis Würzburg soll Deutschland verlassen

Bergtheim

Abschiebung trotz Personalmangel? Junge syrische Pflegehelferin aus dem Landkreis Würzburg soll Deutschland verlassen

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    Zwei Schwestern mit Freude am Pflegeberuf: Während Rahaf (links) seit sechs Jahren in Bergtheim (Lkr. Würzburg) lebt und im Seniorenzentrum arbeitet, soll ihre Schwester Amira Kulaib abgeschoben werden.
    Zwei Schwestern mit Freude am Pflegeberuf: Während Rahaf (links) seit sechs Jahren in Bergtheim (Lkr. Würzburg) lebt und im Seniorenzentrum arbeitet, soll ihre Schwester Amira Kulaib abgeschoben werden. Foto: Silvia Gralla

    Die Altenpflege in Unterfranken sucht händeringend nach Personal. Plätze und Betten können teilweise nicht mehr belegt werden. Über bundesweite Programme werden Arbeitskräfte aus aller Welt, etwa von den Philippinen oder aus Mexiko, angeworben. Andere dagegen schiebt man in ihre Herkunftsländer ab – obwohl sie in der Pflege arbeiten möchten und die Heime in der Region sie bestens gebrauchen könnten.

    Absurd? Ein Fall aus Bergtheim im Landkreis Würzburg zeigt, wie das rigide Ausländerrecht den Pflegenotstand verschärft. 

    Fluchtweg aus Syrien über die Türkei und Bulgarien

    Vor elf Monaten ist die 27-jährige Amira Kulaib aus dem vom Krieg zerstörten Syrien nach Deutschland geflohen – zusammen mit ihrem neun Jahre jüngeren Bruder Ahmad und ihren zwei kleinen Kindern. Wochenlang waren sie zu Fuß unterwegs, kamen über die Türkei nach Bulgarien. Hier, so schildern sie, seien sie mit Fingerabdruck zwangsregistriert worden, sonst hätte man alle vier zurückgeschickt.

    Notgedrungen blieben die Geflüchteten einige Zeit, dann flogen sie über Italien weiter nach Deutschland, ihr eigentliches Ziel. In Bergtheim lebt seit sechs Jahren ihre ältere Schwester Rahaf: "Die Flucht war für Amira und unseren Bruder eine schwere Zeit", übersetzt die 29-jährige Syrerin. Sie selbst kam mit dem großen Flüchtlingstross 2015 hierher, spricht mittlerweile ausgezeichnet Deutsch und hat einen festen Arbeitsplatz als Pflegehelferin im Seniorenzentrum Bergtheim. Demnächst will Rahaf ihre Ausbildung zur Pflegefachfrau beginnen.

    Amira Kulaib und ihre Schwester Rahaf begleiten einen Heimbewohner im Seniorenzentrum Bergtheim.
    Amira Kulaib und ihre Schwester Rahaf begleiten einen Heimbewohner im Seniorenzentrum Bergtheim. Foto: Silvia Gralla

    Das Kommunalunternehmen (KU) des Landkreises Würzburg als Heimträger würde sich darüber sehr freuen – und hat vor kurzem auch Amira Kulaib als Pflegehelferin angestellt. Deutsch muss sie zwar noch lernen, doch eines hat die junge Syrerin schon erkannt: Der Pflegeberuf würde ihr Freude machen. Die 27-Jährige würde gerne im Heim arbeiten – ganz im Sinne des Kommunalunternehmens und der Bewohnerinnen und Bewohner dort. Doch jetzt droht Amira Kulaib die Abschiebung nach Bulgarien.

    Pflegehelferin soll in "sicheren Drittstaat" Bulgarien abgeschoben werden

    Die EU-weite "Dublin-III-Verordnung" regelt, dass ein Asylbewerber oder eine Asylbewerberin dort einen Asylantrag stellen muss, wo er oder sie den EU-Raum erstmals betreten hat. Im Falle von Amira Kulaib, ihren beiden Kindern und ihrem Bruder wäre das eben Bulgarien. Das Land gilt als sicherer Drittstaat.

    Der 18-jährige Ahmad besucht derzeit die Franz-Oberthür-Schule in Würzburg, Amira hat ein Wohnheimzimmer in Güntersleben, eine Arbeitsstelle und ihre Schwester als Stütze an ihrer Seite. Die Geschwister jetzt auseinanderreißen? Und vor allem: Mit welcher Zukunft in Bulgarien? "Dort gibt es nichts", sagt die 27-Jährige. Keine Unterkunft, keine Hilfe, keine Arbeit.

    Das Seniorenzentrum in Bergtheim ist eines von acht Pflegeheimen des Landkreises Würzburg.
    Das Seniorenzentrum in Bergtheim ist eines von acht Pflegeheimen des Landkreises Würzburg. Foto: Silvia Gralla

    Eva von Vietinghoff-Scheel, eine von zwei KU-Vorständen, möchte die Syrerin unbedingt für das Seniorenzentrum in Bergtheim und für den Pflegeberuf behalten. Auch Bruder Ahmad, erzählt seine älteste Schwester, kann sich eine Zukunft als Kranken- oder Altenpfleger vorstellen. Aktuell aber schwebt das Damoklesschwert der Abschiebung über den Geschwistern.

    Hoffen auf die Klage beim Verwaltungsgericht

    Gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, den sie Ende Juli erhielt, hat die junge Frau Klage beim Verwaltungsgericht Würzburg eingereicht. Sie hofft, dass ihre besondere Situation berücksichtigt wird – und dass sie zusammen mit ihrem Bruder hier im Landkreis, im Seniorenzentrum und in der Nähe ihrer Schwester bleiben kann. Sollte ihre Klage abgewiesen werden, würde die befristete Arbeitserlaubnis von Amira Kulaib sofort erlöschen. Sie hat Angst, lebt in großer Ungewissheit – und sorgt sich auch noch um die Eltern, die vor dem Krieg in den Libanon geflohen sind.

    Eva Vietinghoff-Scheel versucht alles, um die motivierte junge Frau zu halten. Hat eine Petition über den Landtag auf den Weg gebracht, sucht Gespräche mit Bundestagsabgeordneten. Auch Pflegdienstleiter Irhad Hodzic ist froh über die beiden Pflegehelferinnen aus Syrien und andere ausländische Kräfte – und muss doch zittern, "ob sie nächsten Monat noch da sind".

    Eva von Vietinghoff-Scheel, Geschäftsführerin der Alteneinrichtungen des Landkreises Würzburg, und der Bergtheimer Pflegedienstleiter Irhad Hodzic kämpfen um die syrischen Pflegekräfte.
    Eva von Vietinghoff-Scheel, Geschäftsführerin der Alteneinrichtungen des Landkreises Würzburg, und der Bergtheimer Pflegedienstleiter Irhad Hodzic kämpfen um die syrischen Pflegekräfte. Foto: Silvia Gralla

    Der Kampf um Pflegekräfte aus dem Ausland ist belastend für alle Beteiligten. "Wir müssen uns richtig Mühe geben, dass die Leute bleiben und arbeiten dürfen", sagt Hodzic. Die Aufenthaltserlaubnis werde meist nur für wenige Monate verlängert. Und oftmals so kurzfristig, dass kaum ein Dienstplan zu schreiben sei. Das ärgert auch Vietinghoff-Scheel. Die Geschäftsführerin dre Senioreneinrichtungen im Landkreis Würzburg könnte eine ganze Reihe von Fällen aufzählen - auch Fälle, bei denen nicht nur die Pflege direkt betroffen ist.

    Denn kaum anders ist die Situation bei den Reinigungskräften: Die vom Kommunalunternehmen beauftragte Firma beschäftigt derzeit 18 Mitarbeitende mit befristeten Aufenthaltstiteln und Arbeitsgenehmigungen. Dass die Behörden sie bis zur Verlängerung lange zappeln lassen, sei auch psychisch für die Betreffenden eine große Belastung, heißt es dort. KU-Chefin Vietinghoff-Scheel fehlt für diese Praxis jedes Verständnis: "Es sind Leute, die Freude und Motivation für den Beruf mitbringen. Leute, die wir dringend brauchen. Was will man denn mehr?"

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