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WÜRZBURG: Abzocke beim Bürger? Der große Strabs-Streit

WÜRZBURG

Abzocke beim Bürger? Der große Strabs-Streit

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    Werden Ortsstraßen saniert, müssen Anlieger oft fünfstellige Summen berappen – aber nicht überall. Ungerecht und ruinös? Die Straßenausbaubeiträge stehen in der Kritik. Es könnte im Landtagswahljahr 2018 zu einem heißen Thema werden. Eines, das die politischen Parteien unter Zugzwang bringt. Denn wenn es um den Straßenausbau geht, flackern im ganzen Freistaat immer mehr Konfliktfeuer auf. Ein politischer Flächenbrand? Nicht mehr ausgeschlossen. Mittlerweile erwägen die Freien Wähler ein Volksbegehren zur Abschaffung der so genannten Straßenausbaubeiträge, auch die bayerische FDP ist für eine Beendigung der teils massiven Belastung von Anliegern. Und zwei Verbände machen Druck mit einer Popularklage. Für Ärger sorgen die so genannten Straßenausbaubeitragssatzungen, kurz „Strabs“, seit vielen Jahren. Es geht dabei nicht um Bundes-, Staats- oder Kreisstraßen, sondern um Ortsstraßen. Sind diese marode oder werden sie – etwa bei Kanalverlegungen – erneuert, wälzen die Kommunen zwischen 20 und 80 Prozent der Sanierungskosten auf die Anlieger ab – je nach Grundstücksgröße und Art der Straße. Oft werden fünfstellige Beträge fällig – Summen, die manchen Rentnern oder auch jungen Familien die Tränen in die Augen treiben. Oder Landwirt Josef Strohmenger aus dem Wernecker Ortsteil Ettleben (Landkreis Schweinfurt), der 25 000 Euro hinblättern soll. In Extremfällen sollten Betroffene schon über 100 000 Euro bezahlen. Da droht schnell der finanzielle Ruin.  Allerdings ist das Leiden nicht überall gleich groß. Denn je nach Regierungsbezirk oder Kommune fällt die Strabs-Praxis sehr unterschiedlich aus: Hier werden die Bürger geschont, dort werden sie für den Straßenausbau abkassiert. Beispiel aus Unterfranken: In Würzburg müssen Anlieger bezahlen, in Aschaffenburg nicht. Dabei hat der Freistaat über das Kommunalabgabengesetz eigentlich klar geregelt: Gemeinden „sollen“ zur Finanzierung ihrer Straßeninfrastruktur entsprechende Beiträge der Anlieger erheben. Erst vor einem Jahr hat der Bayerische Verwaltungsgerichthof in einem Grundsatzurteil die Gemeinde Hohenbrunn (Landkreis München) dazu verdonnert, die vorhandene Satzung anzuwenden und die Hand bei den Anliegern aufzuhalten – was der dortige Gemeinderat eigentlich nicht wollte. Die „Soll“-Vorschrift im Gesetz sei als ein „Muss“ zu verstehen, stellte das Gericht klar. Dies jedoch scheint sich nicht überall im Freistaat herumgesprochen zu haben, oder Gemeinden ignorieren schlicht die Vorgabe – was zu einer starken Ungleichbehandlung der Bürger führt. Während in Niederbayern keine 40 Prozent der Kommunen eine Strabs anwenden, ist der Regierungsbezirk Unterfranken mit 97 Prozent aus Sicht des Innenministeriums der bayerische Musterschüler. Der bayernweite Durchschnitt liegt bei 72,6 Prozent. Die Landeshauptstadt München hat seine Strabs 2015 wieder abgeschafft: Der Verwaltungsaufwand sei zu hoch. Laut Regierungssprecher Johannes Hardenacke verzichten in Unterfranken nach letzter Erhebung vor zwei Jahren lediglich neun von 308 Kommunen auf die Anliegerbeiträge, sechs Gemeinden davon im Landkreis Schweinfurt.   Die Regierung halte grundsätzlich die Landratsämter an, auf die Durchsetzung der Strabs in den Kommunen zu achten, erklärt Hardenacke. Für Aschaffenburg aber hat sie sogar selbst als Rechtsaufsicht den Verzicht erlaubt, als Ausnahmefall „wegen der guten Haushaltssituation“. Heißt im Klartext: Die Bürger Würzburgs und anderer verschuldeter Kommunen müssen den Straßenbau mitbezahlen – Bürger in gut situierten Städten und Gemeinden kommen bisweilen ungeschoren davon. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, findet Josef Strohmenger aus Ettleben. Dem Landwirt ist – wie allen anderen 13 Anliegern der Straße – im Sommer ein saftiger Beitragsbescheid der Gemeinde ins Haus geflattert: 25 000 Euro soll er für die Sanierung der „Hinteren Gasse“ bezahlen – und dies, obwohl er die vier Meter breite Ausfahrt aus dem Hof zumindest mit seinen großen Maschinen kaum nutzen kann. Stattdessen nimmt er die rückseitigen Flurwege. Strohmenger ist verzweifelt. Zwar grenzt sein Gehöft nur über 14 laufende Meter an die erneuerte Straße – aber der Hof hat zur hinteren Seite ein großes Gelände. Und das wird für die Beitragshöhe angerechnet.  „Die 25 000 Euro habe ich nicht, ich kann nur einen Kredit dafür aufnehmen“, klagt der Landwirt. Er habe in den letzten Jahren einiges investiert, der Betrieb sei ausgelaugt. Die Gemeinde hat ihm die gesetzlich fixierte Stundung der Summe angeboten – aber auch nur für ein Jahr und zu einem Zinssatz von sechs Prozent. Uninteressant. Was Strohmenger ärgert: Eigentlich sollte nur der Kanal ausgebessert – und die rund 200 Meter lange Straße im Anschluss wieder geflickt werden. Im Zuge der Kanalarbeiten wurde dann aber überraschend die Straße komplett erneuert, sie hatte keinen frostsicheren Unterbau. Und weil sich damit ihr Zustand verbessert hat, konnte die Gemeinde gemäß ihrer Strabs 65 Prozent der Kosten auf die Anlieger abwälzen. Sie sind sauer, denn äußerlich ist der Straße die Verbesserung kaum anzusehen. Für einen Betroffenen hat sich die Zufahrt durch eine entstandene Stufe sogar verschlechtert. Josef Strohmenger hat in seiner Verzweiflung einen Rechtsanwalt eingeschaltet, doch die Aussichten auf einen juristischen Erfolg sind gering. Davon weiß Heinz Amling ein Lied zu singen. Als Mitglied im Landesvorstand des bayerischen Eigenheimerverbandes unterstützt der Wernecker vielerorts Strabs-geplagte Bürger, auch in Ettleben. Das Problem hier wie woanders: Wenn eine Straße älter als 25 Jahre ist, gilt sie als verschlissen und darf runderneuert werden – mit Beiträgen der Anlieger. Dabei werden diese je nach Kommune recht unterschiedlich zur Kasse gebeten. Abweichend von Mustersatzungen und Empfehlungen des Gemeindetages setzen manche Städte und Gemeinden – wie etwa die Stadt Schweinfurt – die Anliegerbeiträge bewusst niedrig an. Sie wollen ihre Bürger nicht schröpfen. Klamme Kommunen nutzen die Strabs dagegen als willkommene Finanzierungsquelle.   Heinz Amling (71), erfahrener Kommunalpolitiker und ehemaliger Betriebsratsvorsitzender, kämpft gemeinsam mit dem Eigenheimerverband für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Man werde mit allen legalen Mitteln bis zur Landtagswahl trommeln, um ein Umdenken in der Politik herbeizuführen, kündigt er im Gespräch mit der Redaktion an. Es gehe nicht um die 90-Prozent-Beteiligung der Anlieger bei echten Ersterschließungen in Neubaugebieten – darauf könne sich jeder Bauherr einstellen.  Kritisch sieht der Verband aber „fiktive Ersterschließungen“: Hier werden teils jahrhundertealte Straße mit Gehwegen und Laternen ertüchtigt und als Erstherstellung eingestuft, weil Anlieger in der Vergangenheit noch nicht herangezogen wurden. Das sorgt für happige Rechnungen und Verdruss bei Bürgern, so geschehen etwa in Würzburg in der Steinbachtalstraße oder in Remlingen (Landkreis Würzburg) in der Kastanienallee.  Vor allem aber attackieren die Eigenheimer die Straßenausbaubeiträge – als ungerecht, willkürlich, teils ruinös und absurd. In manchen Fällen müssten Betroffene mehr bezahlen als ihr Anwesen noch wert ist, berichtet Amling. Sein Vorwurf: Gemeinden vernachlässigten bewusst den Straßenunterhalt und ließen sich lieber die spätere Sanierung von den Anliegern bezahlen.  Sein Verband fordert einen Stopp der Anliegerbeiträge, stattdessen eine Finanzierung aus allgemeinen Steuertöpfen – so wie in Baden-Württemberg und Berlin. Schließlich handele es sich um öffentliche Straßen. Die zuletzt 60 Millionen Euro im Jahr an Anliegerbeiträgen seien im 60-Milliarden-Haushalt des Freistaates unterzubringen, argumentiert auch Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger.  Mit einer jüngst beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereichten Popularklage wollen der Eigenheimerverband und der Verband Wohneigentum Druck für eine Änderung machen. Erstellt wurden die 55-seitige Klageschrift und das zugehörige Gutachten von dem Verwaltungsjuristen Prof. Ludwig Gramlich. Dessen Hauptkritik: Die bisherige Praxis ziele ausschließlich auf angebliche Vorteile von Anliegern durch den Straßenausbau ab. Diese „Vorteile“ seien aber nicht näher bestimmt. Außerdem würden sie nicht mit Nachteilen der Anlieger verrechnet, etwa Lärm und Abgase durch den allgemeinen Verkehr. Auch die Ungleichbehandlung ist dem Juristen ein Dorn im Auge: „Es bedarf einer landesweit einheitlichen Regelung, ansonsten entscheiden Kommunen nach eigenem Gusto.“ Ob die Popularklage noch im kommenden Jahr verhandelt wird, ist laut Gramlich fraglich. Der Dorfplatz in Seubrigshausen (Landkreis Bad Kissingen), Trautenauer und Nürnberger Straße in Würzburg, die Engelbert-Fries-Straße in Schweinfurt, die Hartmannstraße in Bad Kissingen oder Dr.Eugen-Schön- und Eichfelder Straße in Volkach (Landkreis Kitzingen): Quer durch Franken sorgen die Straßenausbaubeiträge für Unmut und Proteste. In den vergangenen Jahren haben sie sich gehäuft.  2016 reagierte der Landtag mit einer Änderung im Kommunalabgabengesetz nach dem Muster von Rheinland-Pfalz: Danach kann eine Gemeinde nun – statt einmalige Rechnungen für einzelne Anlieger auszustellen – „wiederkehrende Beiträge“ einziehen: Alle Straßenanlieger eines Gebietes (zum Beispiel ein Ortsteil) bezahlen einen jährlichen Beitrag in einen Fonds, aus dem dann die fälligen Straßen saniert werden. Bloß in welcher Reihenfolge? Und was ist bei einem Umzug? „Das schafft nur neue Unruhe und Unrecht“, glaubt Eigenheimer Amling. Fakt ist: In Unterfranken hat noch keine Kommune auf das neue Modell umgestellt, bayernweit ist dem Innenministerium nur eine einzige Gemeinde bekannt: die Nationalparkgemeinde Mauth im Bayerischen Wald. Während der Bayerische Städtetag weiter auf die Anliegerbeiträge als unerlässliche Finanzierungsquelle setzt, ist man beim Gemeindetag zurückhaltender. „Wir können im Moment nur an unsere Mitglieder appellieren, geltendes Recht einzuhalten“, sagt Sprecher Wilfried Schober. Die kommunale Landschaft in Bayern sei bei dem Thema sehr zerrissen. Dass der Widerstand wächst, wundert ihn nicht. Bei der Einführung der Straßenausbaubeiträge in den 70er Jahren sei man davon ausgegangen, dass der Anwohner eine öffentliche Straße deutlich stärker abnutzt als andere. Heute sei viel mehr Durchgangsverkehr unterwegs. Schober: „Der Landtag wird prüfen müssen, ob die Begründung von damals noch stichhaltig ist.“
    Werden Ortsstraßen saniert, müssen Anlieger oft fünfstellige Summen berappen – aber nicht überall. Ungerecht und ruinös? Die Straßenausbaubeiträge stehen in der Kritik. Es könnte im Landtagswahljahr 2018 zu einem heißen Thema werden. Eines, das die politischen Parteien unter Zugzwang bringt. Denn wenn es um den Straßenausbau geht, flackern im ganzen Freistaat immer mehr Konfliktfeuer auf. Ein politischer Flächenbrand? Nicht mehr ausgeschlossen. Mittlerweile erwägen die Freien Wähler ein Volksbegehren zur Abschaffung der so genannten Straßenausbaubeiträge, auch die bayerische FDP ist für eine Beendigung der teils massiven Belastung von Anliegern. Und zwei Verbände machen Druck mit einer Popularklage. Für Ärger sorgen die so genannten Straßenausbaubeitragssatzungen, kurz „Strabs“, seit vielen Jahren. Es geht dabei nicht um Bundes-, Staats- oder Kreisstraßen, sondern um Ortsstraßen. Sind diese marode oder werden sie – etwa bei Kanalverlegungen – erneuert, wälzen die Kommunen zwischen 20 und 80 Prozent der Sanierungskosten auf die Anlieger ab – je nach Grundstücksgröße und Art der Straße. Oft werden fünfstellige Beträge fällig – Summen, die manchen Rentnern oder auch jungen Familien die Tränen in die Augen treiben. Oder Landwirt Josef Strohmenger aus dem Wernecker Ortsteil Ettleben (Landkreis Schweinfurt), der 25 000 Euro hinblättern soll. In Extremfällen sollten Betroffene schon über 100 000 Euro bezahlen. Da droht schnell der finanzielle Ruin. Allerdings ist das Leiden nicht überall gleich groß. Denn je nach Regierungsbezirk oder Kommune fällt die Strabs-Praxis sehr unterschiedlich aus: Hier werden die Bürger geschont, dort werden sie für den Straßenausbau abkassiert. Beispiel aus Unterfranken: In Würzburg müssen Anlieger bezahlen, in Aschaffenburg nicht. Dabei hat der Freistaat über das Kommunalabgabengesetz eigentlich klar geregelt: Gemeinden „sollen“ zur Finanzierung ihrer Straßeninfrastruktur entsprechende Beiträge der Anlieger erheben. Erst vor einem Jahr hat der Bayerische Verwaltungsgerichthof in einem Grundsatzurteil die Gemeinde Hohenbrunn (Landkreis München) dazu verdonnert, die vorhandene Satzung anzuwenden und die Hand bei den Anliegern aufzuhalten – was der dortige Gemeinderat eigentlich nicht wollte. Die „Soll“-Vorschrift im Gesetz sei als ein „Muss“ zu verstehen, stellte das Gericht klar. Dies jedoch scheint sich nicht überall im Freistaat herumgesprochen zu haben, oder Gemeinden ignorieren schlicht die Vorgabe – was zu einer starken Ungleichbehandlung der Bürger führt. Während in Niederbayern keine 40 Prozent der Kommunen eine Strabs anwenden, ist der Regierungsbezirk Unterfranken mit 97 Prozent aus Sicht des Innenministeriums der bayerische Musterschüler. Der bayernweite Durchschnitt liegt bei 72,6 Prozent. Die Landeshauptstadt München hat seine Strabs 2015 wieder abgeschafft: Der Verwaltungsaufwand sei zu hoch. Laut Regierungssprecher Johannes Hardenacke verzichten in Unterfranken nach letzter Erhebung vor zwei Jahren lediglich neun von 308 Kommunen auf die Anliegerbeiträge, sechs Gemeinden davon im Landkreis Schweinfurt. Die Regierung halte grundsätzlich die Landratsämter an, auf die Durchsetzung der Strabs in den Kommunen zu achten, erklärt Hardenacke. Für Aschaffenburg aber hat sie sogar selbst als Rechtsaufsicht den Verzicht erlaubt, als Ausnahmefall „wegen der guten Haushaltssituation“. Heißt im Klartext: Die Bürger Würzburgs und anderer verschuldeter Kommunen müssen den Straßenbau mitbezahlen – Bürger in gut situierten Städten und Gemeinden kommen bisweilen ungeschoren davon. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, findet Josef Strohmenger aus Ettleben. Dem Landwirt ist – wie allen anderen 13 Anliegern der Straße – im Sommer ein saftiger Beitragsbescheid der Gemeinde ins Haus geflattert: 25 000 Euro soll er für die Sanierung der „Hinteren Gasse“ bezahlen – und dies, obwohl er die vier Meter breite Ausfahrt aus dem Hof zumindest mit seinen großen Maschinen kaum nutzen kann. Stattdessen nimmt er die rückseitigen Flurwege. Strohmenger ist verzweifelt. Zwar grenzt sein Gehöft nur über 14 laufende Meter an die erneuerte Straße – aber der Hof hat zur hinteren Seite ein großes Gelände. Und das wird für die Beitragshöhe angerechnet. „Die 25 000 Euro habe ich nicht, ich kann nur einen Kredit dafür aufnehmen“, klagt der Landwirt. Er habe in den letzten Jahren einiges investiert, der Betrieb sei ausgelaugt. Die Gemeinde hat ihm die gesetzlich fixierte Stundung der Summe angeboten – aber auch nur für ein Jahr und zu einem Zinssatz von sechs Prozent. Uninteressant. Was Strohmenger ärgert: Eigentlich sollte nur der Kanal ausgebessert – und die rund 200 Meter lange Straße im Anschluss wieder geflickt werden. Im Zuge der Kanalarbeiten wurde dann aber überraschend die Straße komplett erneuert, sie hatte keinen frostsicheren Unterbau. Und weil sich damit ihr Zustand verbessert hat, konnte die Gemeinde gemäß ihrer Strabs 65 Prozent der Kosten auf die Anlieger abwälzen. Sie sind sauer, denn äußerlich ist der Straße die Verbesserung kaum anzusehen. Für einen Betroffenen hat sich die Zufahrt durch eine entstandene Stufe sogar verschlechtert. Josef Strohmenger hat in seiner Verzweiflung einen Rechtsanwalt eingeschaltet, doch die Aussichten auf einen juristischen Erfolg sind gering. Davon weiß Heinz Amling ein Lied zu singen. Als Mitglied im Landesvorstand des bayerischen Eigenheimerverbandes unterstützt der Wernecker vielerorts Strabs-geplagte Bürger, auch in Ettleben. Das Problem hier wie woanders: Wenn eine Straße älter als 25 Jahre ist, gilt sie als verschlissen und darf runderneuert werden – mit Beiträgen der Anlieger. Dabei werden diese je nach Kommune recht unterschiedlich zur Kasse gebeten. Abweichend von Mustersatzungen und Empfehlungen des Gemeindetages setzen manche Städte und Gemeinden – wie etwa die Stadt Schweinfurt – die Anliegerbeiträge bewusst niedrig an. Sie wollen ihre Bürger nicht schröpfen. Klamme Kommunen nutzen die Strabs dagegen als willkommene Finanzierungsquelle. Heinz Amling (71), erfahrener Kommunalpolitiker und ehemaliger Betriebsratsvorsitzender, kämpft gemeinsam mit dem Eigenheimerverband für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Man werde mit allen legalen Mitteln bis zur Landtagswahl trommeln, um ein Umdenken in der Politik herbeizuführen, kündigt er im Gespräch mit der Redaktion an. Es gehe nicht um die 90-Prozent-Beteiligung der Anlieger bei echten Ersterschließungen in Neubaugebieten – darauf könne sich jeder Bauherr einstellen. Kritisch sieht der Verband aber „fiktive Ersterschließungen“: Hier werden teils jahrhundertealte Straße mit Gehwegen und Laternen ertüchtigt und als Erstherstellung eingestuft, weil Anlieger in der Vergangenheit noch nicht herangezogen wurden. Das sorgt für happige Rechnungen und Verdruss bei Bürgern, so geschehen etwa in Würzburg in der Steinbachtalstraße oder in Remlingen (Landkreis Würzburg) in der Kastanienallee. Vor allem aber attackieren die Eigenheimer die Straßenausbaubeiträge – als ungerecht, willkürlich, teils ruinös und absurd. In manchen Fällen müssten Betroffene mehr bezahlen als ihr Anwesen noch wert ist, berichtet Amling. Sein Vorwurf: Gemeinden vernachlässigten bewusst den Straßenunterhalt und ließen sich lieber die spätere Sanierung von den Anliegern bezahlen. Sein Verband fordert einen Stopp der Anliegerbeiträge, stattdessen eine Finanzierung aus allgemeinen Steuertöpfen – so wie in Baden-Württemberg und Berlin. Schließlich handele es sich um öffentliche Straßen. Die zuletzt 60 Millionen Euro im Jahr an Anliegerbeiträgen seien im 60-Milliarden-Haushalt des Freistaates unterzubringen, argumentiert auch Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Mit einer jüngst beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereichten Popularklage wollen der Eigenheimerverband und der Verband Wohneigentum Druck für eine Änderung machen. Erstellt wurden die 55-seitige Klageschrift und das zugehörige Gutachten von dem Verwaltungsjuristen Prof. Ludwig Gramlich. Dessen Hauptkritik: Die bisherige Praxis ziele ausschließlich auf angebliche Vorteile von Anliegern durch den Straßenausbau ab. Diese „Vorteile“ seien aber nicht näher bestimmt. Außerdem würden sie nicht mit Nachteilen der Anlieger verrechnet, etwa Lärm und Abgase durch den allgemeinen Verkehr. Auch die Ungleichbehandlung ist dem Juristen ein Dorn im Auge: „Es bedarf einer landesweit einheitlichen Regelung, ansonsten entscheiden Kommunen nach eigenem Gusto.“ Ob die Popularklage noch im kommenden Jahr verhandelt wird, ist laut Gramlich fraglich. Der Dorfplatz in Seubrigshausen (Landkreis Bad Kissingen), Trautenauer und Nürnberger Straße in Würzburg, die Engelbert-Fries-Straße in Schweinfurt, die Hartmannstraße in Bad Kissingen oder Dr.Eugen-Schön- und Eichfelder Straße in Volkach (Landkreis Kitzingen): Quer durch Franken sorgen die Straßenausbaubeiträge für Unmut und Proteste. In den vergangenen Jahren haben sie sich gehäuft. 2016 reagierte der Landtag mit einer Änderung im Kommunalabgabengesetz nach dem Muster von Rheinland-Pfalz: Danach kann eine Gemeinde nun – statt einmalige Rechnungen für einzelne Anlieger auszustellen – „wiederkehrende Beiträge“ einziehen: Alle Straßenanlieger eines Gebietes (zum Beispiel ein Ortsteil) bezahlen einen jährlichen Beitrag in einen Fonds, aus dem dann die fälligen Straßen saniert werden. Bloß in welcher Reihenfolge? Und was ist bei einem Umzug? „Das schafft nur neue Unruhe und Unrecht“, glaubt Eigenheimer Amling. Fakt ist: In Unterfranken hat noch keine Kommune auf das neue Modell umgestellt, bayernweit ist dem Innenministerium nur eine einzige Gemeinde bekannt: die Nationalparkgemeinde Mauth im Bayerischen Wald. Während der Bayerische Städtetag weiter auf die Anliegerbeiträge als unerlässliche Finanzierungsquelle setzt, ist man beim Gemeindetag zurückhaltender. „Wir können im Moment nur an unsere Mitglieder appellieren, geltendes Recht einzuhalten“, sagt Sprecher Wilfried Schober. Die kommunale Landschaft in Bayern sei bei dem Thema sehr zerrissen. Dass der Widerstand wächst, wundert ihn nicht. Bei der Einführung der Straßenausbaubeiträge in den 70er Jahren sei man davon ausgegangen, dass der Anwohner eine öffentliche Straße deutlich stärker abnutzt als andere. Heute sei viel mehr Durchgangsverkehr unterwegs. Schober: „Der Landtag wird prüfen müssen, ob die Begründung von damals noch stichhaltig ist.“

    Es könnte im Landtagswahljahr 2018 zu einem heißen Thema werden. Eines, das die politischen Parteien unter Zugzwang bringt. Denn wenn es um den Straßenausbau geht, flackern im ganzen Freistaat immer mehr Konfliktfeuer auf. Ein politischer Flächenbrand? Nicht mehr ausgeschlossen.

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