Neben Tiepolos Deckengemälde in der Residenz sind die beiden Riemenschneider-Figuren Adam und Eva wohl das weltweit bekannteste Würzburger Kunstwerk. Jetzt hebt das Mainfränkische Museum sie noch einmal besonders heraus, indem es sie als „Leuchtturm-Objekt“ seiner Sammlung präsentiert. Das erste „Leuchtturm-Objekt“, das das Museum vorstellte, war ein Sekretär des Würzburger Hofschreiners Carl Maximilian Mattern gewesen, den er 1745 für Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn anfertigte. Der fristete zuvor im Museum ein Schattendasein und wurde als „Leuchtturm-Objekt“ in den Blickpunkt gerückt.
Das hätten Adam und Eva von Tilman Riemenschneider eigentlich nicht nötig gehabt, denn sie sind ohnehin die Hauptattraktion der weltweit größten Riemenschneider-Sammlung. Aber gerade als solche haben sie eine Leuchttum-Funktion, so wie sie Museumsdirektorin Claudia Lichte und ihr Team verstehen. Denn in der Präsentation der vielschichtigen Sammlung des Museums wurden bislang die jeweils vorhandenen Meisterwerke der einzelnen Abteilungen nicht für den Besucher erkennbar herausgehoben. Bis es zu einer kompletten Neukonzeption des Museums kommt, in der die Sammlung dann neu geordnet präsentiert werden kann, sollen die „Leuchttürme“ als Orientierungshilfe für die Besucher dienen, erklärt die Museumsleiterin.
Jetzt also Adam und Eva: Was als erstes auffällt, ist der neue Hintergrund vor dem die beiden Figuren nun stehen. Der dunkelrote Originalfarbton der Marienkapelle ersetzt hinter den beiden Figuren die bisherige helle Wand des Riemenschneider-Saales und erinnert an die Nischenpfeiler des Original-Standortes. Im Zusammenspiel mit einer intensiveren Beleuchtung führt dies zu einem stärkeren Schattenwurf und erweckt den Eindruck, dass die Figuren dem Besucher entgegentreten.
Neben neuen Wandbeschriftungen hält bei den Leuchtturm-Objekten auch die neueste Technik Einzug ins Museum. Über ein I-Pad können Besucher Informationen in Bild und Ton über die beiden Figuren auswählen. Dabei lässt sich viel Wissenswertes erfahren. Beispielsweise, dass Adam und Eva heute nur noch in den Köpfen und einigen Teilen des Oberkörpers Originale aus der Hand Riemenschneiders sind. Im Lauf der Jahrhunderte (sie entstanden zwischen 1491 und 1493) haben sie durch Verwitterungen, Überarbeitungen, Schäden bei der Abnahme und unsachgemäße Ergänzungen viel von ihrem ursprünglichen Aussehen eingebüßt, erklärt Museumsleiterin Lichte in der Beschreibung der Figuren.
Außerdem im Angebot: Erklärungen über den Bildschnitzer und Bildhauer Riemenschneider in Würzburg, die Geschichte von Adam und Eva von ihrem ursprünglichen Aufstellungsort an der Marienkapelle bis zu ihrem heutigen Platz im Mainfränkischen Museum oder Erläuterungen zur Rolle von Aktfiguren zwischen Spätgotik und Renaissance.
Besonders interessant ist der Abschnitt „Kunst für die Bürger“. Hier eklärt Claudia Lichte die Rivalität zwischen Stadtrat und Fürstbischof zur Zeit Riemenschneiders. Die Marienkapelle, so meint sie, habe als Bürgerkirche einen bewussten Gegenpol zum nahe gelegenen Dom des Fürstbischofs gebildet. Adam und Eva seien das erste Menschenpaar im Alten Testament und somit gleichermaßen „Stammeltern“ von Juden und Christen.
An der Marienkapelle werden sie im Bildprogramm jedoch christlich vereinnahmt. Denn über dem Marktportal der Kirche, also über Adam und Eva, steht eine Figur der gekrönten Maria. Nach christlicher Lehre hat sie den Gottessohn geboren, der die Menschheit vom Sündenfall Adams und Evas erlöste und den Weg ins Paradies erneut öffnete. Lichte weiter: „Vor dem Hintergrund, dass in dem 1349 in Würzburg wütenden Judenpogrom die blühende jüdische Gemeinde ausgerottet und an der Stelle des Judenviertels der Marktplatz und auf den Fundamenten der Synagoge die Marienkapelle errichtet wurde, erhält die christliche Vereinnahmung von Adam und Eva im Bildprogramm der Marienkapelle ihre besondere Brisanz“.
Ergänzt wird die virtuelle Erklärung durch die Kurzvorstellung von Kunstwerken aus dem Museum, die im gleichen Zeitraum entstanden sind. Außerdem wird die Kunst um 1490 den geschichtlichen Ereignissen jener Zeit gegenübergestellt, damit sie der Besucher besser einordnen kann.
Diese Präsentation (in deutscher und englischer Sprache) können sich Besucher aus dem App-Store auch auf ihren persönlichen iPad herunterladen – zur Vor- oder Nachbereitung eines Museumsbesuchs. Sie ist aber auch ganz konventionell in einer 48-seitigen gedruckten Broschüre erhältlich. Diese enthält aber nicht das Ratespiel für Kinder, ein Memory, in dem jeweils zwei zusammengehörende Bilder kombiniert werden müssen. Künftig soll in jedem Jahr mindestens ein weiteres „Leuchtturm-Objekt“ vorgestellt werden.
Mainfränkisches Museum auf der Festung Marienberg: Die stadtgeschichtliche Abteilung und die Riemenschneider-Dauerausstellung sind außer montags täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Bis 27. Oktober ist in der Reihe „Kunst geht fremd“ auch der Krönungspokal (Böhmen, um 1711) aus dem Schlossmuseum Aschaffenburg zu sehen.