Leuchtend rote Sticker auf den Scheiben und große Plakate im Schaufenster machen schon darauf aufmerksam: "Total Räumungsverkauf" und "Alles muss raus" steht darauf geschrieben. Schuh Kolb in der Augustinerstraße ist das älteste Schuhhaus in Würzburg. Doch Ende November schließt der Laden für immer die Türen. Damit gehen über 160 Jahre Firmengeschichte zu Ende.

Gründe gibt es dafür mehrere, erzählt Inhaberin Andrea Seubert im Gespräch mit dieser Redaktion. Seit 1978 arbeitet sie im elterlichen Laden, seit 2007 ist sie alleine für das Familienunternehmen verantwortlich. "Ich habe keine Nachfolge", sei der eine Grund. Doch auch die schwierigen Zeiten und die Corona-Pandemie spielten ihr nicht in die Karten. "Das Kaufverhalten verändert sich, der innerstädtische Einkaufsbummel hat nicht mehr so viel Wert wie früher", erklärt die 59-Jährige.
Monatelange Ladenschließungen haben die Situation nicht besser gemacht. Im Gegenteil: "In dieser Zeit haben die Menschen gelernt, mit weniger auszukommen. Vor allem viele ältere Kunden kommen einfach nicht mehr in die Stadt."
Zur Firmengeschichte: Wie alles begann
1860 legte der Schweinfurter Schuhmacher Nikolaus Keller den Grundstein für das heutige Unternehmen. Er stellte Schuhe in Schweinfurt her und verkaufte sie auf dem Würzburger Markt. Das Geschäft ging gut und so entstand ein eigener Laden.

Schon 1908 kam die Familie Kolb ins Spiel und Jakob Kolb übernahm das "Schweinfurter Schuhlager" in der Augustinerstraße 3, gegenüber der jetzigen Lage. Bald zieht das Schuhgeschäft auf die andere Straßenseite. 1919 übernimmt Ferdinand Kolb das Unternehmen und vergrößert die Verkaufsfläche zweimal.
1927 wird dann aus dem "Schweinfurter Schuhlager" das "Mercedes-Schuhhaus Kolb". Diese Schuhmarke hatte man lange im Sortiment, erinnert sich Andrea Seubert. Von 1934 bis 1945 wird der Laden geteilt und es gibt in der Augustinerstraße außerdem auch Sportartikel.

Nach der Zerstörung des Hauses ziehen die Kolbs an den Dominikanerplatz und bieten dort Schuhe an. Erst 1954 können die Geschäftsleute wieder an ihren angestammten Platz ziehen. In der Zwischenzeit – im Jahr 1950 – war Andrea Seuberts Vater Erhard in das Geschäft eingestiegen. Bis zu seinem Tod im Jahr 2011 war er fast täglich im Laden anzutreffen, erzählt seine Tochter. "Das Geschäft war sein Leben", sagt sie. Bis zuletzt habe er sich um Kleinigkeiten im Laden gekümmert. Nach wie vor steht sein Schreibtisch im Büro.
Intensive Beratung als Steckenpferd
Doch was war das Geheimnis des über 160 Jahre lang erfolgreich inhabergeführten Geschäftes? "Die ganz tolle Stammkundschaft", kommt bei Seubert fast wie aus der Pistole geschossen. Ein konzentriertes Angebot für eine gewisse Zielgruppe sowie eine intensive Beratung seien ebenfalls das Steckenpferd des Ladens gewesen. "Wir bedienen noch mit Hocker, helfen beim An- und Ausziehen und kennen unsere Ware im Detail", erklärt Seubert. "Das persönliche Gespräch zählt!" Dies habe man in vielen großen Häusern nicht mehr.
Seubert ist traurig, dass sie den Laden nun aufgeben muss. Denn gearbeitet habe sie immer gern, macht sie während des Gesprächs mehrmals klar. Zudem tue es ihr für die Kundschaft leid, denn die Mischung aus Mode- und orthopädischem Schuhgeschäft sei eine Nische und nicht leicht zu finden.
Dennoch freue sie sich auch auf die kommende Zeit: "Ich habe seit Jahren keinen vernünftigen Urlaub mehr gemacht." Den möchte sie nun aufholen und sich Freizeit gönnen. Doch bis dahin sei sie noch eine Weile beschäftigt, denn der Laden muss ausgeräumt, sortiert und gesichtet werden. "Und dann schau ich mir an, was das Leben für mich bereithält."