Der monatelange Ärger um gekündigte Prämiensparverträge vor allem mit bayerischen Sparkassen geht weiter: Zum Jahresende verjährt bei einigen Ex-Verträgen der Anspruch auf Zinsnachzahlung. Verbraucherschützer raten Betroffenen, unverzüglich zu handeln. Andernfalls gehe Geld verloren.
2019 hatten Sparkassen im Freistaat damit begonnen, Prämiensparverträge einseitig aufzulösen. Sie waren wegen ihrer Prämien bei der Kundschaft populär, für die Geldhäuser aufgrund der vergleichsweise großzügigen Verzinsung zuletzt aber zu teuer geworden. Die Kündigungen hatten landesweit für Schlagzeilen gesorgt.

Mittlerweile ist ein Streit im Streit entflammt: Es geht um die Höhe des Zinssatzes beim Prämiensparen, der üblicherweise variabel ist. Der BGH pfiff im Oktober 2021 exemplarisch eine Sparkasse zurück, die nach Ansicht des Gerichts die Zinsen willkürlich an die allgemeine Marktlage angepasst hatte.
Bis auf Weiteres ist offen, welchen Zinssatz die Sparkassen denn nun für ihre Prämiensparverträge zugrunde legen dürfen. Das wiederum wirft die Frage auf, wie viele Zinsen Betroffenen nun nachgezahlt werden müssen.
Zinsnachzahlung bei gekündigten Prämiensparverträgen verjährt: Wer ist betroffen?
Laut Verbraucherzentrale Bayern geht es um lang laufende Prämiensparverträge, die von bayerischen Sparkassen 2019 gekündigt wurden. Denn nach drei vollen Kalenderjahren ab Kündigung trete die Verjährung der Zinsnachzahlung ein. Wessen Vertrag noch besteht, müsse keine Verjährung befürchten.
Was können Betroffene jetzt tun?
Es gibt der Verbraucherzentrale zufolge vier Möglichkeiten, die Verjährung Ende 2022 auszubremsen: selbst vors Gericht ziehen, sich einer Art Sammelklage anschließen, eine Schlichtungsstelle konsultieren oder die Sparkasse dazu bringen, auf die Verjährung zu verzichten.
Wer selbst vor Gericht gehen will, muss die dadurch entstehenden Kosten unter Umständen selber zahlen. Deswegen sei dieser Weg nur jenen zu empfehlen, die eine Rechtschutzversicherung haben, so die Verbraucherschützer.
Wer sich mit einer Art Sammelklage anderen Betroffenen anschließen will, trete einer sogenannten Streitgenossenschaft bei, erklärt Sibylle Miller-Trach von der Verbraucherzentrale Bayern. Die Münchener Rechtsanwaltskanzleien WMP Wotsch Mahler und RT & Partner haben sich nach eigenen Angaben zur bundesweit ersten Kooperation dieser Art zusammengetan, um Prämiensparkundschaft die Möglichkeit zu geben, gemeinsam gegen die Verjährung von Zinsnachzahlungen vorzugehen.
Dieses Konzept sei "recht überzeugend", meint Miller-Trach. Es biete sich vor allem für Betroffene ohne Rechtschutzversicherung an. Unter www.sammelklage-sparvertrag.de gibt es weitere Informationen. Nach Darstellung der beiden Kanzleien sind allein in Bayern Kundinnen und Kunden von 35 Sparkassen von der Verjährung rund um gekündigte Prämiensparverträge betroffen.
Wer indes sein Anliegen der Schlichtungsstelle des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes in Berlin vorlegen will, findet unter www.dsgv.de weitere Infos sowie einen Antrag zum Herunterladen.
Bleibt für Betroffene laut Verbraucherzentrale Bayern noch die Möglichkeit, ihre Sparkasse aufzufordern, auf die Einrede der Verjährung Ende 2022 zu verzichten, bis offene Fragen zur Berechnung der Zinsen höchstrichterlich geklärt seien. Diesen Verzicht sollte die Bank schriftlich erklären.
Was ist insbesondere bei einer "Sammelklage" zu beachten?
Wenn sich mehrere Betroffene beim Gang vors Gericht zusammentun, "kann das Kostenrisiko minimiert werden", lautet der Hinweis der Verbraucherzentrale Bayern. Dennoch sei es wichtig, sich vorher über Für und Wider einer Streitgenossenschaft beraten zu lassen.
Die Sparkasse Mainfranken war beim Prämiensparen zuletzt in den Schlagzeilen. Wie reagiert sie jetzt?
Die Sparkasse Mainfranken in Würzburg als eine der größten ihrer Art in Bayern hatte allein 2019 etwa 8800 Prämiensparverträge gekündigt. Seither seien weitere 8000 solcher Konten beendet worden, teilt das Institut auf Anfrage dieser Redaktion jetzt mit. "Diese Kündigungen erfolgten jeweils nach Ablauf der vereinbarten Prämienstaffel" oder nachdem die Prämien die höchste Stufe erreicht hatten und ausbezahlt worden seien.
Bei wie vielen Kündigungen es jetzt Streit wegen der Zinsnachzahlung gibt, lässt Sprecher Stefan Hebig offen. Die Sparkasse Mainfranken sei "stets bereit, uns gegenüber erhobene Ansprüche zu prüfen". Je nachdem erhalte der Kunde oder die Kundin dann eine Nachzahlung. Ergebe sich hingegen ein Saldo zugunsten seines Hauses, "verzichten wir auf eine Rückerstattung", so der Sprecher.
Ob die Sparkasse Mainfranken bereits Geld zurückgelegt hat, um im Fall der Fälle Zinsen von Prämiensparverträgen nachzuzahlen, weiß Hebig nicht. Ihm sei hierüber "nichts bekannt". Vielmehr ergebe sich bei den gekündigten Sparverträgen heuer keine Verjährung. Denn die Kündigungen von 2019 seien erst 2020 wirksam geworden.
Und was ist Stand der Dinge bei den drei anderen Sparkassen in der Region?
Die Sparkasse Schweinfurt-Haßberge verweist auf Anfrage dieser Redaktion darauf, dass sie 2019 keine Prämiensparverträge gekündigt habe und dass deshalb eine Verjährung der Zinsnachzahlung zum Jahresende ebenfalls kein Thema sei.
Anders bei der Sparkasse Bad Neustadt: Dort habe es Kündigungen von Prämiensparverträgen gegeben, antwortet Vorstandsvorsitzender Georg Straub – ohne allerdings Einzelheiten zu nennen. Im Zuge der Kündigungen seien Betroffenen Alternativen der Geldanlage angeboten worden. Eine ähnlich vage Antwort kommt von der Sparkasse Bad Kissingen.
In Bad Neustadt gab es "bei einer geringen Anzahl von Kunden" Streit wegen der Zinsberechnung aus gekündigten Sparverträgen. Man sei im Kontakt mit den Betroffenen und suche nach "einvernehmlichen Lösungen", so Vorstandschef Straub. Bei der Sparkasse Bad Kissingen gehe es bei den wenigen Prämienspar-Streitfällen nicht um die Verjährung Ende 2022, ergänzt Sprecher Frank Lohmüller.