Gaststätten ohne Servicepersonal, Kindergärten ohne Erzieherinnen, Altenheime ohne Pflegerinnen und Pfleger: In Unterfranken wächst die Sorge um den Fachkräftemangel. Aktuell fehlen in der Region etwa 18.000 qualifizierte Arbeitskräfte. Dies entspricht fast der Einwohnerzahl einer Kleinstadt wie Kitzingen. Wenn nun die geburtenstarken Baby-Boomer-Jahrgänge 1955 bis 1969 in Rente gehen, wird es für die Unternehmen eng.
Laut dem IHK-Arbeitsmarktradar Bayern werden bis zum Jahr 2027 voraussichtlich 22.500 Fachkräfte in den unterfränkischen Betrieben fehlen. Die aktuelle Erhebung, die das Institut der deutschen Wirtschaft im Auftrag des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags erstellt hat, zeigt detailliert die Entwicklung in einzelnen Branchen und Berufsgruppen auf. Und sie gibt Prognosen für die kommenden Jahre.
Wie ist die Situation in Unterfranken im Detail? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick.
Was ist der Fachkräftemangel?
Fachkräftemangel heißt: viele offene Stellen, deutlich geringere Anzahl verfügbarer Arbeitskräfte. Das bremse die regionale Wirtschaft immer mehr aus, sagt Benedikt Pfeuffer, Referent für Standortentwicklung an der IHK Würzburg-Schweinfurt. Konkret bedeutet das: weniger Öffnungstage in der Gastronomie, ausgedünnte Fahrpläne bei Bus und Bahn, längere Wartezeiten bei Handwerksbetrieben und Werkstätten, in Praxen und Kliniken oder auch Lücken bei der Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen.

Welche Art der Fachkräfte fehlen in Unterfranken?
Laut IHK-Arbeitsmarktradar fehlen in der Region bis 2027 voraussichtlich 13.200 Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung. Für das Qualifikationsniveau "Spezialist", zu dem Meister, Fachwirte und Bachelor-Absolventen gehören, geht die Prognose von etwa 3400 fehlenden Arbeitskräften aus. Bei "Experten" mit akademischem Abschluss wie Master oder Staatsexamen wird mit rund 4100 fehlenden Arbeitskräften gerechnet. Und zunehmend fehlen auch Helferinnen und Helfer.

Was sind die Ursachen für den Fachkräftemangel?
Der demografische Wandel gilt als Hauptursache für den Fachkräftemangel. Die Bevölkerung altert, das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Ruheständlern verschiebt sich. Derzeit stehen einem Altersrentner 1,8 Beitragszahler gegenüber. Anfang der 1960er Jahre war das Verhältnis noch solider: hier kamen auf einen Altersrentner sechs aktiv versicherte Erwerbspersonen. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Wenn nun die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, führt die Entwicklung zu einem Engpass an Arbeitskräften.
Ein weiterer Faktor ist laut IHK die Bildungslücke. Trotz der qualitativ hochwertigen Ausbildung in Deutschland bestehen Diskrepanzen zwischen den erworbenen Fähigkeiten und den Anforderungen des Arbeitsmarktes. Jedes Jahr verlassen 25.000 Kinder die Schule ohne Abschluss, so die Gewerkschaft Verdi. Ein Fünftel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verfügt über keinen beruflichen Bildungsabschluss.
Welche Branchen sind in Unterfranken besonders betroffen?
Der Fachkräftemangel trifft mehrere Bereiche: Im Verkauf fehlen in Unterfranken laut IHK-Arbeitsmarktradar etwa 1000 Personen, in der Lagerwirtschaft 600 Arbeitskräfte. Auch in der Kinderbetreuung und Erziehung fehlen aktuell 560 Fachkräfte, sagt IHK-Referent Benedikt Pfeuffer. Unterfranken verzeichne zudem einen Mangel an Pflegekräften: "Der demografische Wandel wird den Bedarf an Pflegepersonal in Zukunft noch weiter erhöhen." Zudem werden vor allem Servicekräfte in der Gastronomie, Berufskraftfahrer und Helfer in der Landwirtschaft gesucht.

Wie kann man dem Fachkräftemangel entgegenwirken?
Um die Fachkräftelücke zu verringern, brauche es gut qualifizierte Zuwanderer. "Viele Unternehmen werben gezielt Arbeitskräfte aus dem Ausland an", sagt Elena Fürst, IHK-Referentin für Konjunktur und Statistik. Von den rund 250 Beschäftigten der Trips Group aus Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) beispielsweise hätten bereits 20 Prozent Wurzeln im Ausland. Das Unternehmen der Familie von IHK-Präsidentin Caroline Trips unterstütze die neuen Mitarbeiter mit Sprachkursen, helfe bei der Wohnungssuche und bei Fragen rund um die Eingewöhnung im neuen Land.
"Eine weitere Idee ist, mehr Frauen für Vollzeitarbeit zu gewinnen", erläutert die IHK-Referentin. Derzeit seien mehr als 50 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Bayern in Teilzeit beschäftigt, bei den Männern seien es nur 10 Prozent.

Wie kann man Frauen in Vollzeitarbeit zurückholen?
"Die Arbeitgeber können mit familienfreundlichen Arbeitsplätzen punkten", sagt Elena Fürst. Dazu zählen alle Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice oder Unterstützung bei der Kinderbetreuung. "Flexibles Arbeiten in Bezug auf Zeit und Ort ist entscheidend für die Work-Life-Balance", sagt die IHK-Referentin. Durch Gleitzeit, Homeoffice oder Vertrauensarbeitszeit seien individuelle Modelle möglich. Durch Jobsharing könnten sich zwei Beschäftigte auch eine Vollzeitstelle teilen. Einige Unternehmen in der Region würden sogar eigene Betriebskindergärten bieten, sagt Fürst.
Wie kann es gelingen, ältere Mitarbeiter im Betrieb zu halten?
"Besonders effektiv wäre es, wenn ältere Beschäftigte länger arbeiten würden", meint Benedikt Pfeuffer. Entscheidend sei dabei, mit Blick auf die Gesundheit die Arbeitsplätze an die Bedürfnisse älterer Mitarbeiter anzupassen. Attraktiv seien auch flexible Arbeitszeitmodelle wie Teilzeit, Gleitzeit oder Homeoffice.
Die IHK empfiehlt Unternehmen, frühzeitig auf ältere Beschäftigte zuzugehen und Möglichkeiten zu besprechen. Und: Würden ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgeschult, könnten Betriebe rechtzeitig auf Veränderungen am Arbeitsmarkt reagieren.