"Das erste Mal, dass Würzburg es mit den nordeuropäischen Nachbarn, den Schweden, zu tun bekam, war nicht etwa die Ansiedlung des Möbelhauses IKEA am Rande Würzburgs, sondern die Begegnung mit dem wohl bekanntesten schwedischen König Gustav Adolf“, schmunzelt Würzburgs Stadtheimatpfleger Dr. Hans Steidle. Dieses Treffen am 15. Oktober 1631 verläuft so gar nicht nach dem Geschmack der katholischen Würzburger, weil es mit einer Kapitulation endet.
„Seit 13 Jahren bekämpften sich protestantische und katholische Fürsten in Deutschland, gegen Ende der 1620er Jahre allerdings sehr zum Nachteil der Protestanten, die sich schon als Verlierer glaubten“, fasst der Historiker den Verlauf des Dreißigjährigen Krieges in wenigen Sätzen zusammen. „Inzwischen hatte man in Würzburg bei einer Hexenverfolgung über 300 Menschen verbrannt, was dem Ruf der Stadt nicht unbedingt förderlich war. Nun riefen die Protestanten den schwedischen König Gustav Adolf zu Hilfe.“
Gustav Adolf war schneller als erwartet in Franken
Der lässt sich weder lumpen noch lange bitten, eilt mit 12.000 bis 13.000 schwedischen Recken nach Deutschland und marschiert von Norden nach Süden durch, scheinbar unbesiegbar. „Und schneller, als man ihn erwartet hatte, war er in Franken“, sagt Hans Steidle. Die evangelische Reichsstadt Schweinfurt öffnet Gustav höchst begeistert die Tore, der Würzburger Fürstbischof Franz von Hertzfeld, der sich vorher noch überlegt hatte, ob er seine Stadt verteidigen wollte, hastet in eiligster Flucht ins sichere Köln davon. „So stand die Stadt nun am 14. Oktober mit ihren kaum zu verteidigenden Mauern einem schwedischen Heer gegenüber, das man kampflos in den nordöstlichen Vorstädten einlassen musste, weil die verteidigbare Mauer sich über den Straßenverlauf der heutigen Juliuspromenade, Theaterstraße und Balthasar-Neumann-Promenade erstreckte und die Vorstädte damit nicht einschloss“, schildert Steidle das Problem.

Die Schweden erkennen die verzweifelte Situation der Würzburger und fordern sie auf, die Stadt kampflos zu übergeben. Stadtrat und Bürgermeister bitten um einen Tag Aufschub, erst wollen sie sich bei der Obrigkeit die Erlaubnis zur Kapitulation holen. Doch der Fürstbischof ist gar nicht mehr da, seine Domherren auch nicht! „Sie waren durchaus der Meinung, dass es sich nicht lohnt, die Stadt zu verteidigen“, erklärt Hans Steidle. „So ergab man sich noch am gleichen Tag.“ Zumal der König aller Schweden es aufs Beste versteht, die Würzburger einzuschüchtern! Als Warnung lässt er 20 Häuser plündern und anzünden und droht, aus Würzburg ein zweites Magdeburg zu machen. Dort wütete der Dreißigjährige Krieg so grausam, dass man gar kein Wort dafür hatte und somit der Begriff „Magdeburgisieren“ geprägt wurde.
Die Bücher der Echter-Bibliothek gelangten nach Schweden
Also ergibt man sich und der schwedische König zieht in der Stadt ein – wo er sich sofort auf den Weg zum Main macht, denn sein Kriegerherz ist noch nicht befriedigt, die Festung hat er ja noch nicht erobert! Und die gilt auch als uneinnehmbar, welch Herausforderung für einen König auf dem Siegeszug. Die Würzburger zerstören zwar noch zwei Bögen der Mainbrücke, um dem Feind das Überqueren des Flusses zu erschweren, aber die Schweden hält das freilich nicht ab. „Sie setzten mit Floßen, Booten und bei Furten über“, erzählt Hans Steidle. „Am 17. Oktober befand sich Gustav Adolf bei der Deutschhauskirche im alten Mainviertel und befahl von dort den Angriff auf die Burg.“
Die schwedischen Truppen sind in guter Kondition und erklimmen die Burganhöhe schneller, als man es dort erwartet hatte. Ein heftiger Kampf bricht aus, Mann um Mann fällt auf der Zugbrücke. „Die schwedischen Eroberer müssen einen ganzen Leichenberg überwinden, um in die Burg zu gelangen. Derlei angeregt durch ihren Erfolg, zogen sie mordend und plündernd in die Burg ein“, sagt der Geschichtskenner. „Und vielleicht wäre nicht viel von der Burg übrig geblieben, wäre Gustav Adolf nicht so schnell zur Stelle gewesen und hätte den Staatsschatz im Wert von 100.000 Reichstalern und die 2.500 Bände umfassende Bücherei des Fürstbischofs Julius Echter beschlagnahmt. Dass diese heute noch existiert und relativ gut erhalten ist, liegt daran, dass der schwedische König sie an seine Universität in Uppsala schickte. Und so hat Würzburg unfreiwillig für die Bildung an der schwedischen Universität gesorgt“, meint der Stadtheimatpfleger.
Mit den Schweden kam das Bier
Für die Würzburger ist die nun folgende schwedische Herrschaft alles andere als angenehm: „Es galt der Grundsatz: Das Land ernährt die Armee. So sollte Würzburg binnen zwei Wochen 150.000 Reichstaler Abgaben bringen“, schildert Steidle die schwierige Situation der Würzburger. Letztendlich lassen sich die Schweden zwar auf 80.000 Reichstaler herunterhandeln, aber für die ausgelaugte Stadt ist und bleibt das eine beträchtliche Summe. Und die Weinvorräte von Julius- und Bürgerspital lassen sich die Schweden auch schmecken. „Aber sie führten auch das Biertrinken in Würzburg ein, sodass der nachfolgende Fürstbischof Philip von Schönborn das fürstliche Hofbräu errichtete, um die Würzburger endlich selbst mit Bier zu versorgen. Das ist vielleicht der einzige Gewinn, den die schwedische Besatzung bis zu deren Ende 1634 für Würzburg gebracht hat“, überlegt Steidle.
Außer Bier bekommt die Mainstadt auch noch einen evangelischen Herzog, Bernhard von Sachsen-Weimar, und der Dom steht in nächster Zeit nur der evangelischen Konfession zur Verfügung. „Der neue Herr Generalsuperintendent Dr. Schleudner stand auf der Domkanzel und dankte der göttlichen Vorsehung, dass sie das Licht der evangelischen Konfession in die finsteren Räume des Kiliansdoms hat eindringen lassen“, schildert Hans Steidle.
Erst nach mehreren Generationen hat sich die Stadt vom Krieg erholt
Doch das evangelische Licht soll bald wieder verlöschen: Am 6. September 1634 verlieren die schwedischen und evangelischen Truppen vernichtend bei Nördlingen. Einen Monat später kapitulieren sie, und die kaiserlichen Soldaten, bestehend aus Kroaten, ziehen in Würzburg ein. Die Stadt ist wieder katholisch. Sehr viel leichter wird das Leben für die Würzburger damit nicht: Auch die Kaiserlichen wollen versorgt werden und belasten die Würzburger. Und bis zum Friedensschluss 1648 soll es noch eine gute Zeit dauern. Sogar im letzten Kriegswinter wünschen bayerische Truppen, hier beherbergt zu werden. Und diese Forderungen müssen von viel weniger Menschen erfüllt werden, denn die Bevölkerungszahl der Würzburger halbiert sich im Dreißigjährigen Krieg etwa auf 5.000. „Es dauerte zwei bis drei Generationen, bis die Stadt sich von dem erbittert geführten Krieg erholt hatte“, sagt Hans Steidle. „Es waren aber nicht nur die religiösen Gegensätze, sondern auch vielfältige machtpolitische Interessen, die zur langen Dauer und zur großen Zerstörung durch den Krieg führten.“
Text: Eva-Maria Bast
Was Würzburg prägte Das Buch „Was Würzburg prägte“ enthält 52 Texte über Jahrestage aus der Würzburger Geschichte, also für jede Woche des Jahres einen Text. Präsentiert werden die historischen Geschehnisse jeweils von Würzburger Bürgern. Das Buch der beiden Autorinnen Eva-Maria Bast und Kirsten Schlüter entstand in Zusammenarbeit mit der Main-Post. Wir werden in einer ganzjährigen Serie Texte aus dem Buch abdrucken. Erschienen ist das Buch im Verlag Bast Medien GmbH, in dem auch die erfolgreichen „Würzburger Geheimnisse“ veröffentlicht wurden, die ebenfalls in Kooperation mit der Main-Post entstanden sind. Erhältlich ist „Was Würzburg prägte – 52 große und kleine Begegnungen mit der Stadtgeschichte“ von Eva-Maria Bast und Kirsten Schlüter Überlingen 2017, ISBN: 978-3-946581-24-6 in den Main-Post-Geschäftsstellen (14,90 Euro).